Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Vom Universitätswesen. als auch was die Zuhörer angeht, indem er sich den aus-erlesensten Kreis denkt von werdenden, wo nicht gar schon fertigen Gelehrten, die Bahn der Universität mit der einer Gesellschaft der Wissenschaften verwechselnd. Der Lehrer kann endlich auch Irrthum lehren statt der Wahrheit, Lei- denschaft statt der Besonnenheit, eine Freiheit die keinen Gehorsam kennt; er kann statt die Irrthümer seiner Zu- hörer zu bekämpfen, sich ihnen dienstbar machen, in alle Wege nur nach Beifall lüstern. Gegen diese Gefahren steht der Regierung dreierlei zur Seite: 1) die hinlängliche Kenntniß der Lehrer von dem Bildungs-Stadium her, welches sie als noch nicht angestellte Lehrer in unbeschränk- tem Wetteifer mit den schon angestellten gemacht haben (denn die Wurzel der Universität gräbt ab, wer die Pri- vat-Docenten hinwegnimmt und an die ungeübte Lehr- kraft von Beamten etc. verweist), nicht minder aus ihren schriftstellerischen Leistungen. 2) Die Bekämpfung jeder Irrlehre auf ihrem eigenen Felde durch das Aufbieten der Kraft gegen die Kraft. Wenn die Regierung jede falsche Richtung durch Verstärkung der Kraft der wahren Rich- tung bekämpft 1), so huldigt sie der Wahrheit und zwingt den Irrthum selber ihr zu dienen. 3) Gegen Lehrer, die das Gesetz verletzen, wendet sie die Kraft der Strafge- setze an. 1) v. Savigny, Wesen und Werth der deutschen Universitäten, in der hist. polit. Zeitschr. v. Ranke B. I, 4, 489. Der Studirende kann seinen Antheil an der Lehrfreiheit 19*
Vom Univerſitaͤtsweſen. als auch was die Zuhoͤrer angeht, indem er ſich den aus-erleſenſten Kreis denkt von werdenden, wo nicht gar ſchon fertigen Gelehrten, die Bahn der Univerſitaͤt mit der einer Geſellſchaft der Wiſſenſchaften verwechſelnd. Der Lehrer kann endlich auch Irrthum lehren ſtatt der Wahrheit, Lei- denſchaft ſtatt der Beſonnenheit, eine Freiheit die keinen Gehorſam kennt; er kann ſtatt die Irrthuͤmer ſeiner Zu- hoͤrer zu bekaͤmpfen, ſich ihnen dienſtbar machen, in alle Wege nur nach Beifall luͤſtern. Gegen dieſe Gefahren ſteht der Regierung dreierlei zur Seite: 1) die hinlaͤngliche Kenntniß der Lehrer von dem Bildungs-Stadium her, welches ſie als noch nicht angeſtellte Lehrer in unbeſchraͤnk- tem Wetteifer mit den ſchon angeſtellten gemacht haben (denn die Wurzel der Univerſitaͤt graͤbt ab, wer die Pri- vat-Docenten hinwegnimmt und an die ungeuͤbte Lehr- kraft von Beamten ꝛc. verweiſt), nicht minder aus ihren ſchriftſtelleriſchen Leiſtungen. 2) Die Bekaͤmpfung jeder Irrlehre auf ihrem eigenen Felde durch das Aufbieten der Kraft gegen die Kraft. Wenn die Regierung jede falſche Richtung durch Verſtaͤrkung der Kraft der wahren Rich- tung bekaͤmpft 1), ſo huldigt ſie der Wahrheit und zwingt den Irrthum ſelber ihr zu dienen. 3) Gegen Lehrer, die das Geſetz verletzen, wendet ſie die Kraft der Strafge- ſetze an. 1) v. Savigny, Weſen und Werth der deutſchen Univerſitaͤten, in der hiſt. polit. Zeitſchr. v. Ranke B. I, 4, 489. Der Studirende kann ſeinen Antheil an der Lehrfreiheit 19*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0303" n="291"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vom Univerſitaͤtsweſen</hi>.</fw><lb/> als auch was die Zuhoͤrer angeht, indem er ſich den aus-<lb/> erleſenſten Kreis denkt von werdenden, wo nicht gar ſchon<lb/> fertigen Gelehrten, die Bahn der Univerſitaͤt mit der einer<lb/> Geſellſchaft der Wiſſenſchaften verwechſelnd. Der Lehrer<lb/> kann endlich auch Irrthum lehren ſtatt der Wahrheit, Lei-<lb/> denſchaft ſtatt der Beſonnenheit, eine Freiheit die keinen<lb/> Gehorſam kennt; er kann ſtatt die Irrthuͤmer ſeiner Zu-<lb/> hoͤrer zu bekaͤmpfen, ſich ihnen dienſtbar machen, in alle<lb/> Wege nur nach Beifall luͤſtern. Gegen dieſe Gefahren<lb/> ſteht der Regierung dreierlei zur Seite: 1) die hinlaͤngliche<lb/> Kenntniß der Lehrer von dem Bildungs-Stadium her,<lb/> welches ſie als noch nicht angeſtellte Lehrer in unbeſchraͤnk-<lb/> tem Wetteifer mit den ſchon angeſtellten gemacht haben<lb/> (denn die Wurzel der Univerſitaͤt graͤbt ab, wer die Pri-<lb/> vat-Docenten hinwegnimmt und an die ungeuͤbte Lehr-<lb/> kraft von Beamten ꝛc. verweiſt), nicht minder aus ihren<lb/> ſchriftſtelleriſchen Leiſtungen. 2) Die Bekaͤmpfung jeder<lb/> Irrlehre auf ihrem eigenen Felde durch das Aufbieten der<lb/> Kraft gegen die Kraft. Wenn die Regierung jede falſche<lb/> Richtung durch Verſtaͤrkung der Kraft der wahren Rich-<lb/> tung bekaͤmpft <hi rendition="#sup">1</hi>), ſo huldigt ſie der Wahrheit und zwingt<lb/> den Irrthum ſelber ihr zu dienen. 3) Gegen Lehrer, die<lb/> das Geſetz verletzen, wendet ſie die Kraft der Strafge-<lb/> ſetze an.</p><lb/> <note place="end" n="1)">v. <hi rendition="#g">Savigny</hi>, Weſen und Werth der deutſchen Univerſitaͤten,<lb/> in der hiſt. polit. Zeitſchr. v. Ranke B. <hi rendition="#aq">I,</hi> 4, 489.</note><lb/> <p>Der Studirende kann ſeinen Antheil an der Lehrfreiheit<lb/> misbrauchen, indem er die Wahl der Vortraͤge ohne Regel<lb/> trifft und ſie dann wahrſcheinlich eben ſo regellos wieder<lb/> fallen laͤßt, indem er die allgemeinen Vorſtudien verab-<lb/> ſaͤumt und ſtatt an der Schwelle der Univerſitaͤt ſich von<lb/> der philoſophiſchen Facultaͤt empfangen zu laſſen und den<lb/> <fw place="bottom" type="sig">19*</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [291/0303]
Vom Univerſitaͤtsweſen.
als auch was die Zuhoͤrer angeht, indem er ſich den aus-
erleſenſten Kreis denkt von werdenden, wo nicht gar ſchon
fertigen Gelehrten, die Bahn der Univerſitaͤt mit der einer
Geſellſchaft der Wiſſenſchaften verwechſelnd. Der Lehrer
kann endlich auch Irrthum lehren ſtatt der Wahrheit, Lei-
denſchaft ſtatt der Beſonnenheit, eine Freiheit die keinen
Gehorſam kennt; er kann ſtatt die Irrthuͤmer ſeiner Zu-
hoͤrer zu bekaͤmpfen, ſich ihnen dienſtbar machen, in alle
Wege nur nach Beifall luͤſtern. Gegen dieſe Gefahren
ſteht der Regierung dreierlei zur Seite: 1) die hinlaͤngliche
Kenntniß der Lehrer von dem Bildungs-Stadium her,
welches ſie als noch nicht angeſtellte Lehrer in unbeſchraͤnk-
tem Wetteifer mit den ſchon angeſtellten gemacht haben
(denn die Wurzel der Univerſitaͤt graͤbt ab, wer die Pri-
vat-Docenten hinwegnimmt und an die ungeuͤbte Lehr-
kraft von Beamten ꝛc. verweiſt), nicht minder aus ihren
ſchriftſtelleriſchen Leiſtungen. 2) Die Bekaͤmpfung jeder
Irrlehre auf ihrem eigenen Felde durch das Aufbieten der
Kraft gegen die Kraft. Wenn die Regierung jede falſche
Richtung durch Verſtaͤrkung der Kraft der wahren Rich-
tung bekaͤmpft 1), ſo huldigt ſie der Wahrheit und zwingt
den Irrthum ſelber ihr zu dienen. 3) Gegen Lehrer, die
das Geſetz verletzen, wendet ſie die Kraft der Strafge-
ſetze an.
¹⁾ v. Savigny, Weſen und Werth der deutſchen Univerſitaͤten,
in der hiſt. polit. Zeitſchr. v. Ranke B. I, 4, 489.
Der Studirende kann ſeinen Antheil an der Lehrfreiheit
misbrauchen, indem er die Wahl der Vortraͤge ohne Regel
trifft und ſie dann wahrſcheinlich eben ſo regellos wieder
fallen laͤßt, indem er die allgemeinen Vorſtudien verab-
ſaͤumt und ſtatt an der Schwelle der Univerſitaͤt ſich von
der philoſophiſchen Facultaͤt empfangen zu laſſen und den
19*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |