Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Vierzehntes Capitel. Grund der Sprache und des Zeitenwechsels tiefere Bedeu-tung zu erforschen und den Werth wissenschaftlicher Gedan- kenbildung kennen zu lernen, unvorbereitet hineinschwärmt in den Tempel der Wissenschaft, den er wie eine Speise- kammer zu benutzen denkt. Jünglinge dieses Schlages sind es gewöhnlich, welche die ausschweifendsten Forderungen an das machen, was sie den Vortrag des lehrers nennen. Wo die Vorkenntnisse fehlen, mit welchen das Schulalter für die Wissenschaft ausstatten muß, da ist kein Vortrag gut, und der Universitätslehrer, welcher den Versuch machen wollte, die Lücken der Schulkenntnisse hintennach auszufül- len, würde ein unseeliges Mittelding darstellen. Sonst ist jeder Vortrag gut, der die Wissenschaft, welche er ankün- digt, wirklich enthält und begründet, vorzüglich wenn er die tieferen Aufgaben gleichsam mit der Wurzel bis zur Faßlichkeit hervorzuheben und von fremdartiger Verhüllung zu entkleiden weiß, der beste freilich derjenige, welcher in dem Augenblicke der Mittheilung die Wissenschaft gewisser- maaßen neu geboren werden läßt. Denn dieser verbindet mit seinem Gehalte den Vorzug der augenblicklichen Aufre- gung; er ist nicht bloß das was man schwarz auf weiß besitzt und getrost nach Hause trägt, ein Gut auf Hoff- nung, er verbürgt sich selber, indem er das was er ver- spricht, Augenblicks auch leistet. Die Regierung hat es übrigens in ihrer Macht gröberen Mängeln der Vorbildung durch Maturitätsprüfungen, welche jeder, der Staatsdienste beabsichtigt, bestehen oder nachhohlen muß, vorzubeugen; nur daß diese mehr vom Tact der Prüfer als durch äußere Vorschrift geleitet werden müssen; außerdem stellt sie die Staatsprüfung als Wächter zwischen der Universität und der öffentlichen Thätigkeit auf. Der Errichtung von Special-Schulen statt der Uni- Vierzehntes Capitel. Grund der Sprache und des Zeitenwechſels tiefere Bedeu-tung zu erforſchen und den Werth wiſſenſchaftlicher Gedan- kenbildung kennen zu lernen, unvorbereitet hineinſchwaͤrmt in den Tempel der Wiſſenſchaft, den er wie eine Speiſe- kammer zu benutzen denkt. Juͤnglinge dieſes Schlages ſind es gewoͤhnlich, welche die ausſchweifendſten Forderungen an das machen, was ſie den Vortrag des lehrers nennen. Wo die Vorkenntniſſe fehlen, mit welchen das Schulalter fuͤr die Wiſſenſchaft ausſtatten muß, da iſt kein Vortrag gut, und der Univerſitaͤtslehrer, welcher den Verſuch machen wollte, die Luͤcken der Schulkenntniſſe hintennach auszufuͤl- len, wuͤrde ein unſeeliges Mittelding darſtellen. Sonſt iſt jeder Vortrag gut, der die Wiſſenſchaft, welche er ankuͤn- digt, wirklich enthaͤlt und begruͤndet, vorzuͤglich wenn er die tieferen Aufgaben gleichſam mit der Wurzel bis zur Faßlichkeit hervorzuheben und von fremdartiger Verhuͤllung zu entkleiden weiß, der beſte freilich derjenige, welcher in dem Augenblicke der Mittheilung die Wiſſenſchaft gewiſſer- maaßen neu geboren werden laͤßt. Denn dieſer verbindet mit ſeinem Gehalte den Vorzug der augenblicklichen Aufre- gung; er iſt nicht bloß das was man ſchwarz auf weiß beſitzt und getroſt nach Hauſe traͤgt, ein Gut auf Hoff- nung, er verbuͤrgt ſich ſelber, indem er das was er ver- ſpricht, Augenblicks auch leiſtet. Die Regierung hat es uͤbrigens in ihrer Macht groͤberen Maͤngeln der Vorbildung durch Maturitaͤtspruͤfungen, welche jeder, der Staatsdienſte beabſichtigt, beſtehen oder nachhohlen muß, vorzubeugen; nur daß dieſe mehr vom Tact der Pruͤfer als durch aͤußere Vorſchrift geleitet werden muͤſſen; außerdem ſtellt ſie die Staatspruͤfung als Waͤchter zwiſchen der Univerſitaͤt und der oͤffentlichen Thaͤtigkeit auf. Der Errichtung von Special-Schulen ſtatt der Uni- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0304" n="292"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierzehntes Capitel</hi>.</fw><lb/> Grund der Sprache und des Zeitenwechſels tiefere Bedeu-<lb/> tung zu erforſchen und den Werth wiſſenſchaftlicher Gedan-<lb/> kenbildung kennen zu lernen, unvorbereitet hineinſchwaͤrmt<lb/> in den Tempel der Wiſſenſchaft, den er wie eine Speiſe-<lb/> kammer zu benutzen denkt. 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Vierzehntes Capitel.
Grund der Sprache und des Zeitenwechſels tiefere Bedeu-
tung zu erforſchen und den Werth wiſſenſchaftlicher Gedan-
kenbildung kennen zu lernen, unvorbereitet hineinſchwaͤrmt
in den Tempel der Wiſſenſchaft, den er wie eine Speiſe-
kammer zu benutzen denkt. Juͤnglinge dieſes Schlages ſind
es gewoͤhnlich, welche die ausſchweifendſten Forderungen
an das machen, was ſie den Vortrag des lehrers nennen.
Wo die Vorkenntniſſe fehlen, mit welchen das Schulalter
fuͤr die Wiſſenſchaft ausſtatten muß, da iſt kein Vortrag
gut, und der Univerſitaͤtslehrer, welcher den Verſuch machen
wollte, die Luͤcken der Schulkenntniſſe hintennach auszufuͤl-
len, wuͤrde ein unſeeliges Mittelding darſtellen. Sonſt iſt
jeder Vortrag gut, der die Wiſſenſchaft, welche er ankuͤn-
digt, wirklich enthaͤlt und begruͤndet, vorzuͤglich wenn er
die tieferen Aufgaben gleichſam mit der Wurzel bis zur
Faßlichkeit hervorzuheben und von fremdartiger Verhuͤllung
zu entkleiden weiß, der beſte freilich derjenige, welcher in
dem Augenblicke der Mittheilung die Wiſſenſchaft gewiſſer-
maaßen neu geboren werden laͤßt. Denn dieſer verbindet
mit ſeinem Gehalte den Vorzug der augenblicklichen Aufre-
gung; er iſt nicht bloß das was man ſchwarz auf weiß
beſitzt und getroſt nach Hauſe traͤgt, ein Gut auf Hoff-
nung, er verbuͤrgt ſich ſelber, indem er das was er ver-
ſpricht, Augenblicks auch leiſtet. Die Regierung hat es
uͤbrigens in ihrer Macht groͤberen Maͤngeln der Vorbildung
durch Maturitaͤtspruͤfungen, welche jeder, der Staatsdienſte
beabſichtigt, beſtehen oder nachhohlen muß, vorzubeugen;
nur daß dieſe mehr vom Tact der Pruͤfer als durch aͤußere
Vorſchrift geleitet werden muͤſſen; außerdem ſtellt ſie die
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