Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Sechzehntes Capitel. Mitglied übergehen kann. Denn nur einem Mitgliede,nur einer gleichen Glaubensüberzeugung glaubt sie mit Sicherheit die Handhabung derselben vertrauen zu können, und in wessen Hand auch ihre inneren Angelegenheiten liegen mögen, gesetzt auch, daß der Landesherr sich im Be- sitze der Ausübung der Rechte sämmtlicher Gemeinden be- fände, diese Ausübung darf doch nur im Sinne ihres Lehr- begriffes und ihrer Gesellschaftsverfassung geschehen; denn in beiden ist ihr Wesen enthalten. Das: in wessen Hand führt auf die zweite Frage. Daß mit dem jus majestaticum circa sacra, als aus der Landeshoheit fließend, auch das jus in sacra unter dem Namen des höchsten Episcopats in die Hände der protestantischen Fürsten Deutsch- lands überging, hat, was man auch gegen die Concordien- Formel einwende, seine schönen Früchte getragen. Der Deutsche Protestant hat weder England, noch Schweden, in welchen Landen der Kirchenstaat in die Hände der ho- hen Geistlichkeit kam, um die Entwickelung ihres Kirchen- wesens zu beneiden. Allein er wird allerdings fragen, ob, vorausgesetzt auch daß ein Verfassungsartikel die Kir- chengewalt für den Fall sicher gestellt hat, daß der Fürst den evangelischen Glauben verließe, nicht außerdem noch, eben wie die Staatsgewalten, ohne sich der monarchischen Kraft zu entfremden, der Theilnahme des Volks empfäng- lich sind, auch in der Kirche die Thätigkeit der Ge- meinden hinzuzuziehen sey. Das Princip der Reformation entfernt den Unterschied zwischen Priestern und Laien. Die Schweizerische Lehre hat zuerst auf französischem Boden im Widerstande gegen den Druck einer fremden Kirche die Kir- chengewalt der Gemeinde bei gleichen Rechten der Laien mit den Geistlichen zur völligen Autonomie ausgebildet. Was in dieser Richtung gelingen könne, zeigen die Presbyterien Sechzehntes Capitel. Mitglied uͤbergehen kann. Denn nur einem Mitgliede,nur einer gleichen Glaubensuͤberzeugung glaubt ſie mit Sicherheit die Handhabung derſelben vertrauen zu koͤnnen, und in weſſen Hand auch ihre inneren Angelegenheiten liegen moͤgen, geſetzt auch, daß der Landesherr ſich im Be- ſitze der Ausuͤbung der Rechte ſaͤmmtlicher Gemeinden be- faͤnde, dieſe Ausuͤbung darf doch nur im Sinne ihres Lehr- begriffes und ihrer Geſellſchaftsverfaſſung geſchehen; denn in beiden iſt ihr Weſen enthalten. Das: in weſſen Hand fuͤhrt auf die zweite Frage. Daß mit dem jus majestaticum circa sacra, als aus der Landeshoheit fließend, auch das jus in sacra unter dem Namen des hoͤchſten Epiſcopats in die Haͤnde der proteſtantiſchen Fuͤrſten Deutſch- lands uͤberging, hat, was man auch gegen die Concordien- Formel einwende, ſeine ſchoͤnen Fruͤchte getragen. Der Deutſche Proteſtant hat weder England, noch Schweden, in welchen Landen der Kirchenſtaat in die Haͤnde der ho- hen Geiſtlichkeit kam, um die Entwickelung ihres Kirchen- weſens zu beneiden. Allein er wird allerdings fragen, ob, vorausgeſetzt auch daß ein Verfaſſungsartikel die Kir- chengewalt fuͤr den Fall ſicher geſtellt hat, daß der Fuͤrſt den evangeliſchen Glauben verließe, nicht außerdem noch, eben wie die Staatsgewalten, ohne ſich der monarchiſchen Kraft zu entfremden, der Theilnahme des Volks empfaͤng- lich ſind, auch in der Kirche die Thaͤtigkeit der Ge- meinden hinzuzuziehen ſey. Das Princip der Reformation entfernt den Unterſchied zwiſchen Prieſtern und Laien. Die Schweizeriſche Lehre hat zuerſt auf franzoͤſiſchem Boden im Widerſtande gegen den Druck einer fremden Kirche die Kir- chengewalt der Gemeinde bei gleichen Rechten der Laien mit den Geiſtlichen zur voͤlligen Autonomie ausgebildet. Was in dieſer Richtung gelingen koͤnne, zeigen die Presbyterien <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0334" n="322"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechzehntes Capitel</hi>.</fw><lb/><hi rendition="#g">Mitglied</hi> uͤbergehen kann. Denn nur einem Mitgliede,<lb/> nur einer gleichen Glaubensuͤberzeugung glaubt ſie mit<lb/> Sicherheit die Handhabung derſelben vertrauen zu koͤnnen,<lb/> und in weſſen Hand auch ihre inneren Angelegenheiten<lb/> liegen moͤgen, geſetzt auch, daß der Landesherr ſich im Be-<lb/> ſitze der Ausuͤbung der Rechte ſaͤmmtlicher Gemeinden be-<lb/> faͤnde, dieſe Ausuͤbung darf doch nur im Sinne ihres Lehr-<lb/> begriffes und ihrer Geſellſchaftsverfaſſung geſchehen; denn<lb/> in beiden iſt ihr Weſen enthalten. Das: <hi rendition="#g">in weſſen<lb/> Hand</hi> fuͤhrt auf die <hi rendition="#g">zweite</hi> Frage. Daß mit dem <hi rendition="#aq">jus<lb/> majestaticum circa sacra,</hi> als aus der Landeshoheit fließend,<lb/> auch das <hi rendition="#aq">jus in sacra</hi> unter dem Namen des hoͤchſten<lb/> Epiſcopats in die Haͤnde der proteſtantiſchen Fuͤrſten Deutſch-<lb/> lands uͤberging, hat, was man auch gegen die Concordien-<lb/> Formel einwende, ſeine ſchoͤnen Fruͤchte getragen. Der<lb/> Deutſche Proteſtant hat weder England, noch Schweden,<lb/> in welchen Landen der Kirchenſtaat in die Haͤnde der ho-<lb/> hen Geiſtlichkeit kam, um die Entwickelung ihres Kirchen-<lb/> weſens zu beneiden. Allein er wird allerdings fragen,<lb/> ob, vorausgeſetzt auch daß ein Verfaſſungsartikel die Kir-<lb/> chengewalt fuͤr den Fall ſicher geſtellt hat, daß der Fuͤrſt<lb/> den evangeliſchen Glauben verließe, nicht außerdem noch,<lb/> eben wie die Staatsgewalten, ohne ſich der monarchiſchen<lb/> Kraft zu entfremden, der Theilnahme des Volks empfaͤng-<lb/> lich ſind, auch in der Kirche die Thaͤtigkeit der Ge-<lb/> meinden hinzuzuziehen ſey. Das Princip der Reformation<lb/> entfernt den Unterſchied zwiſchen Prieſtern und Laien. Die<lb/> Schweizeriſche Lehre hat zuerſt auf franzoͤſiſchem Boden im<lb/> Widerſtande gegen den Druck einer fremden Kirche die Kir-<lb/> chengewalt der Gemeinde bei gleichen Rechten der Laien mit<lb/> den Geiſtlichen zur voͤlligen Autonomie ausgebildet. Was<lb/> in dieſer Richtung gelingen koͤnne, zeigen die Presbyterien<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [322/0334]
Sechzehntes Capitel.
Mitglied uͤbergehen kann. Denn nur einem Mitgliede,
nur einer gleichen Glaubensuͤberzeugung glaubt ſie mit
Sicherheit die Handhabung derſelben vertrauen zu koͤnnen,
und in weſſen Hand auch ihre inneren Angelegenheiten
liegen moͤgen, geſetzt auch, daß der Landesherr ſich im Be-
ſitze der Ausuͤbung der Rechte ſaͤmmtlicher Gemeinden be-
faͤnde, dieſe Ausuͤbung darf doch nur im Sinne ihres Lehr-
begriffes und ihrer Geſellſchaftsverfaſſung geſchehen; denn
in beiden iſt ihr Weſen enthalten. Das: in weſſen
Hand fuͤhrt auf die zweite Frage. Daß mit dem jus
majestaticum circa sacra, als aus der Landeshoheit fließend,
auch das jus in sacra unter dem Namen des hoͤchſten
Epiſcopats in die Haͤnde der proteſtantiſchen Fuͤrſten Deutſch-
lands uͤberging, hat, was man auch gegen die Concordien-
Formel einwende, ſeine ſchoͤnen Fruͤchte getragen. Der
Deutſche Proteſtant hat weder England, noch Schweden,
in welchen Landen der Kirchenſtaat in die Haͤnde der ho-
hen Geiſtlichkeit kam, um die Entwickelung ihres Kirchen-
weſens zu beneiden. Allein er wird allerdings fragen,
ob, vorausgeſetzt auch daß ein Verfaſſungsartikel die Kir-
chengewalt fuͤr den Fall ſicher geſtellt hat, daß der Fuͤrſt
den evangeliſchen Glauben verließe, nicht außerdem noch,
eben wie die Staatsgewalten, ohne ſich der monarchiſchen
Kraft zu entfremden, der Theilnahme des Volks empfaͤng-
lich ſind, auch in der Kirche die Thaͤtigkeit der Ge-
meinden hinzuzuziehen ſey. Das Princip der Reformation
entfernt den Unterſchied zwiſchen Prieſtern und Laien. Die
Schweizeriſche Lehre hat zuerſt auf franzoͤſiſchem Boden im
Widerſtande gegen den Druck einer fremden Kirche die Kir-
chengewalt der Gemeinde bei gleichen Rechten der Laien mit
den Geiſtlichen zur voͤlligen Autonomie ausgebildet. Was
in dieſer Richtung gelingen koͤnne, zeigen die Presbyterien
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |