Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Sechzehntes Capitel. Religion und Kirche im Staate. Gewissenszwanges nicht ganz vermied,) werden bei denGemeinden eher Sorge wegen hierarchischer Fortschritte als Zutraun erwecken, und zwar um so viel weniger Zutraun, je mehr die Besetzung der meisten Pfarrstellen der Mitwir- kung der Gemeinden entzogen ist. Da der Staat vermöge der Staatsprüfung ungebildete Religionslehrer abwehrt, so darf die Forderung aufgestellt werden, daß die freie Wahl der Gemeinde unter Bestätigung der Regierung als Regel bei Besetzung von bloßen Pfarrstellen eintreten möge, und zwar vornehmlich bei den Landgemeinden, als welchen keine Auswahl unter mehreren Seelsorgern vergönnt ist. 298. Die Aufnahme der Israeliten zu gleichen Rechten Sechzehntes Capitel. Religion und Kirche im Staate. Gewiſſenszwanges nicht ganz vermied,) werden bei denGemeinden eher Sorge wegen hierarchiſcher Fortſchritte als Zutraun erwecken, und zwar um ſo viel weniger Zutraun, je mehr die Beſetzung der meiſten Pfarrſtellen der Mitwir- kung der Gemeinden entzogen iſt. Da der Staat vermoͤge der Staatspruͤfung ungebildete Religionslehrer abwehrt, ſo darf die Forderung aufgeſtellt werden, daß die freie Wahl der Gemeinde unter Beſtaͤtigung der Regierung als Regel bei Beſetzung von bloßen Pfarrſtellen eintreten moͤge, und zwar vornehmlich bei den Landgemeinden, als welchen keine Auswahl unter mehreren Seelſorgern vergoͤnnt iſt. 298. Die Aufnahme der Iſraeliten zu gleichen Rechten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0340" n="328"/><fw place="top" type="header">Sechzehntes Capitel. Religion und Kirche im Staate.</fw><lb/> Gewiſſenszwanges nicht ganz vermied,) werden bei den<lb/> Gemeinden eher Sorge wegen hierarchiſcher Fortſchritte als<lb/> Zutraun erwecken, und zwar um ſo viel weniger Zutraun,<lb/> je mehr die Beſetzung der meiſten Pfarrſtellen der Mitwir-<lb/> kung der Gemeinden entzogen iſt. Da der Staat vermoͤge<lb/> der Staatspruͤfung ungebildete Religionslehrer abwehrt, ſo<lb/> darf die Forderung aufgeſtellt werden, daß die freie Wahl<lb/> der Gemeinde unter Beſtaͤtigung der Regierung als Regel<lb/> bei Beſetzung von bloßen Pfarrſtellen eintreten moͤge, und<lb/> zwar vornehmlich bei den Landgemeinden, als welchen keine<lb/> Auswahl unter mehreren Seelſorgern vergoͤnnt iſt.</p><lb/> <p>298. Die Aufnahme der Iſraeliten zu gleichen Rechten<lb/> bleibt, wie ſehr man ſie auch ausſchließlich auf den Ge-<lb/> ſichtspunkt der leidenden Menſchheit zuruͤckfuͤhre, immer doch<lb/> eine Staatsfrage. Wo Widerwillen, mindeſtens Gleichguͤl-<lb/> tigkeit gegen weſentliche Beſtandtheile unſrer geſellſchaftli-<lb/> chen Ordnung obwaltet, wo eine den Gegenſtaͤnden unſe-<lb/> rer Verehrung feindſelige Geſchichte ihre unverkennbare Macht<lb/> uͤbt, da iſt weder die Frage nach der Zahl der ſo Beſchaffe-<lb/> nen uͤberfluͤſſig, noch nach der Staͤrke ihrer Aſſociation, auch<lb/> keineswegs unbillig der Unterſchied ihrer Behandlung im<lb/> Einzelnen und Allgemeinen nach der Art ihrer Betriebe und<lb/> dem Grade ausgebildeter Standesehre, nach dem Mehr oder<lb/> Minder der nationalen Privatrechte, welche ſie als Theile<lb/> ihres Glaubens heilig zu halten fortfahren, nach der Stim-<lb/> mung, mit welcher die chriſtliche Bevoͤlkerung auf einen<lb/> Richter, einen militaͤriſchen Vorgeſetzten aus dieſem Volk hin-<lb/> blicken wuͤrde. Der richtige Geſichtspunkt iſt, zu verhindern,<lb/> daß ſie nicht bloß die Vortheile hinnehmen, den Verbindlich-<lb/> keiten ſich entziehen. Fortſchritte moͤgen mit Fortſchritten ſtu-<lb/> fenweiſe belohnt werden; die Gebrechen unſrer buͤrgerlichen<lb/> Geſellſchaft geſtatten keine politiſche Wageſtuͤcke mehr.</p> </div> </div> </div> </div> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> <back> </back> </text> </TEI> [328/0340]
Sechzehntes Capitel. Religion und Kirche im Staate.
Gewiſſenszwanges nicht ganz vermied,) werden bei den
Gemeinden eher Sorge wegen hierarchiſcher Fortſchritte als
Zutraun erwecken, und zwar um ſo viel weniger Zutraun,
je mehr die Beſetzung der meiſten Pfarrſtellen der Mitwir-
kung der Gemeinden entzogen iſt. Da der Staat vermoͤge
der Staatspruͤfung ungebildete Religionslehrer abwehrt, ſo
darf die Forderung aufgeſtellt werden, daß die freie Wahl
der Gemeinde unter Beſtaͤtigung der Regierung als Regel
bei Beſetzung von bloßen Pfarrſtellen eintreten moͤge, und
zwar vornehmlich bei den Landgemeinden, als welchen keine
Auswahl unter mehreren Seelſorgern vergoͤnnt iſt.
298. Die Aufnahme der Iſraeliten zu gleichen Rechten
bleibt, wie ſehr man ſie auch ausſchließlich auf den Ge-
ſichtspunkt der leidenden Menſchheit zuruͤckfuͤhre, immer doch
eine Staatsfrage. Wo Widerwillen, mindeſtens Gleichguͤl-
tigkeit gegen weſentliche Beſtandtheile unſrer geſellſchaftli-
chen Ordnung obwaltet, wo eine den Gegenſtaͤnden unſe-
rer Verehrung feindſelige Geſchichte ihre unverkennbare Macht
uͤbt, da iſt weder die Frage nach der Zahl der ſo Beſchaffe-
nen uͤberfluͤſſig, noch nach der Staͤrke ihrer Aſſociation, auch
keineswegs unbillig der Unterſchied ihrer Behandlung im
Einzelnen und Allgemeinen nach der Art ihrer Betriebe und
dem Grade ausgebildeter Standesehre, nach dem Mehr oder
Minder der nationalen Privatrechte, welche ſie als Theile
ihres Glaubens heilig zu halten fortfahren, nach der Stim-
mung, mit welcher die chriſtliche Bevoͤlkerung auf einen
Richter, einen militaͤriſchen Vorgeſetzten aus dieſem Volk hin-
blicken wuͤrde. Der richtige Geſichtspunkt iſt, zu verhindern,
daß ſie nicht bloß die Vortheile hinnehmen, den Verbindlich-
keiten ſich entziehen. Fortſchritte moͤgen mit Fortſchritten ſtu-
fenweiſe belohnt werden; die Gebrechen unſrer buͤrgerlichen
Geſellſchaft geſtatten keine politiſche Wageſtuͤcke mehr.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |