Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Staatsverfassung der Alten. Sparta.
politisch verstandene Ehe; die abgestufte Staats-Erziehung,
erst mit dem dreißigsten Jahre endigend, von jedem rühm-
lich zu bestehen, der zu den ganz Gleichen gehören will;
die Ausschließung der Fremden und ihres Goldes aus dem
eisentragenden Lande; die planmäßige Verminderung des
Zuwachses von Leibeigenen, welche außer der jährlich feier-
lich angesagten Treibjagd 2), die zugleich zur Kriegs-
übung für die Jugend diente, dann und wann zu tausen-
den verschwinden mußten 3). Das ist nun keine gute Art
von Verfassung, die in wesentlichen Stücken mit göttlichen
und menschlichen Ordnungen, wie wir sie verstehen, im
Widerspruche steht, aber eine vortreffliche Ausführung der-
selben war es, welche bei Lösung ihrer Aufgabe, inner-
halb des einmahl gezogenen Kreises der Herrscher die Sit-
ten keuscher, den Gehorsam (peitharkhia) unverbrüchlicher
und die Ehre der Götter allgemeiner erhielt, als sonst wo
in Hellas. "Es sind viele Theile der Tugend in diesem
Kriegerleben", spricht Aristoteles. Der Mensch ist aber
mehr als Stärke und geregelte Sitte.

1) Im eigentlichsten Sinne des Worts. Xenophon R. A. c. 12,
4. vgl. die von Haase citirten Stellen.
2) "Sie tödten von den Heloten so viele als nöthig ist." Hera-
clidis Pont. Fragm. II.
vgl. Plutarch's Lykurg c. 28.
3) Thucyd. IV, 80.

34. Ein Versuch des Königsthums sich wiederherzu-
stellen, machte vier Menschenalter (wenn nur so lange
Thucyd. I, 18.) nach Lykurg der fast Alleinherrschaft der
Greise ein Ende und rief das Ephorat hervor. Fünf
Männer aus den Auserzogenen des Volks, ohne weitere
Beschränkung wählbar, sollten ein Jahr lang Staatsauf-
seher seyn, berechtigt, jeden Beamten vom Amte zu ent-

Staatsverfaſſung der Alten. Sparta.
politiſch verſtandene Ehe; die abgeſtufte Staats-Erziehung,
erſt mit dem dreißigſten Jahre endigend, von jedem ruͤhm-
lich zu beſtehen, der zu den ganz Gleichen gehoͤren will;
die Ausſchließung der Fremden und ihres Goldes aus dem
eiſentragenden Lande; die planmaͤßige Verminderung des
Zuwachſes von Leibeigenen, welche außer der jaͤhrlich feier-
lich angeſagten Treibjagd 2), die zugleich zur Kriegs-
uͤbung fuͤr die Jugend diente, dann und wann zu tauſen-
den verſchwinden mußten 3). Das iſt nun keine gute Art
von Verfaſſung, die in weſentlichen Stuͤcken mit goͤttlichen
und menſchlichen Ordnungen, wie wir ſie verſtehen, im
Widerſpruche ſteht, aber eine vortreffliche Ausfuͤhrung der-
ſelben war es, welche bei Loͤſung ihrer Aufgabe, inner-
halb des einmahl gezogenen Kreiſes der Herrſcher die Sit-
ten keuſcher, den Gehorſam (πειϑαϱχία) unverbruͤchlicher
und die Ehre der Goͤtter allgemeiner erhielt, als ſonſt wo
in Hellas. „Es ſind viele Theile der Tugend in dieſem
Kriegerleben“, ſpricht Ariſtoteles. Der Menſch iſt aber
mehr als Staͤrke und geregelte Sitte.

1) Im eigentlichſten Sinne des Worts. Xenophon R. A. c. 12,
4. vgl. die von Haaſe citirten Stellen.
2) „Sie toͤdten von den Heloten ſo viele als noͤthig iſt.“ Hera-
clidis Pont. Fragm. II.
vgl. Plutarch’s Lykurg c. 28.
3) Thucyd. IV, 80.

34. Ein Verſuch des Koͤnigsthums ſich wiederherzu-
ſtellen, machte vier Menſchenalter (wenn nur ſo lange
Thucyd. I, 18.) nach Lykurg der faſt Alleinherrſchaft der
Greiſe ein Ende und rief das Ephorat hervor. Fuͤnf
Maͤnner aus den Auserzogenen des Volks, ohne weitere
Beſchraͤnkung waͤhlbar, ſollten ein Jahr lang Staatsauf-
ſeher ſeyn, berechtigt, jeden Beamten vom Amte zu ent-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0035" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ung der Alten. Sparta</hi>.</fw><lb/>
politi&#x017F;ch ver&#x017F;tandene Ehe; die abge&#x017F;tufte Staats-Erziehung,<lb/>
er&#x017F;t mit dem dreißig&#x017F;ten Jahre endigend, von jedem ru&#x0364;hm-<lb/>
lich zu be&#x017F;tehen, der zu den ganz <hi rendition="#g">Gleichen</hi> geho&#x0364;ren will;<lb/>
die Aus&#x017F;chließung der Fremden und ihres Goldes aus dem<lb/>
ei&#x017F;entragenden Lande; die planma&#x0364;ßige Verminderung des<lb/>
Zuwach&#x017F;es von Leibeigenen, welche außer der ja&#x0364;hrlich feier-<lb/>
lich ange&#x017F;agten Treibjagd <hi rendition="#sup">2</hi>), die zugleich zur Kriegs-<lb/>
u&#x0364;bung fu&#x0364;r die Jugend diente, dann und wann zu tau&#x017F;en-<lb/>
den ver&#x017F;chwinden mußten <hi rendition="#sup">3</hi>). Das i&#x017F;t nun keine gute Art<lb/>
von Verfa&#x017F;&#x017F;ung, die in we&#x017F;entlichen Stu&#x0364;cken mit go&#x0364;ttlichen<lb/>
und men&#x017F;chlichen Ordnungen, wie wir &#x017F;ie ver&#x017F;tehen, im<lb/>
Wider&#x017F;pruche &#x017F;teht, aber eine vortreffliche Ausfu&#x0364;hrung der-<lb/>
&#x017F;elben war es, welche bei Lo&#x0364;&#x017F;ung ihrer Aufgabe, inner-<lb/>
halb des einmahl gezogenen Krei&#x017F;es der Herr&#x017F;cher die Sit-<lb/>
ten keu&#x017F;cher, den Gehor&#x017F;am (&#x03C0;&#x03B5;&#x03B9;&#x03D1;&#x03B1;&#x03F1;&#x03C7;&#x03AF;&#x03B1;) unverbru&#x0364;chlicher<lb/>
und die Ehre der Go&#x0364;tter allgemeiner erhielt, als &#x017F;on&#x017F;t wo<lb/>
in Hellas. &#x201E;Es &#x017F;ind viele Theile der Tugend in die&#x017F;em<lb/>
Kriegerleben&#x201C;, &#x017F;pricht Ari&#x017F;toteles. Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t aber<lb/>
mehr als Sta&#x0364;rke und geregelte Sitte.</p><lb/>
              <note place="end" n="1)">Im eigentlich&#x017F;ten Sinne des Worts. <hi rendition="#aq">Xenophon R. A. c. 12,</hi><lb/>
4. vgl. die von <hi rendition="#g">Haa&#x017F;e</hi> citirten Stellen.</note><lb/>
              <note place="end" n="2)">&#x201E;Sie to&#x0364;dten von den Heloten &#x017F;o viele als no&#x0364;thig i&#x017F;t.&#x201C; <hi rendition="#aq">Hera-<lb/>
clidis Pont. Fragm. II.</hi> vgl. Plutarch&#x2019;s Lykurg <hi rendition="#aq">c.</hi> 28.</note><lb/>
              <note place="end" n="3)"><hi rendition="#aq">Thucyd. IV,</hi> 80.</note><lb/>
              <p>34. Ein Ver&#x017F;uch des Ko&#x0364;nigsthums &#x017F;ich wiederherzu-<lb/>
&#x017F;tellen, machte vier Men&#x017F;chenalter (wenn nur &#x017F;o lange<lb/><hi rendition="#aq">Thucyd. I,</hi> 18.) nach Lykurg der fa&#x017F;t Alleinherr&#x017F;chaft der<lb/>
Grei&#x017F;e ein Ende und rief das Ephorat hervor. Fu&#x0364;nf<lb/>
Ma&#x0364;nner aus den Auserzogenen des Volks, ohne weitere<lb/>
Be&#x017F;chra&#x0364;nkung wa&#x0364;hlbar, &#x017F;ollten ein Jahr lang Staatsauf-<lb/>
&#x017F;eher &#x017F;eyn, berechtigt, jeden Beamten vom Amte zu ent-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0035] Staatsverfaſſung der Alten. Sparta. politiſch verſtandene Ehe; die abgeſtufte Staats-Erziehung, erſt mit dem dreißigſten Jahre endigend, von jedem ruͤhm- lich zu beſtehen, der zu den ganz Gleichen gehoͤren will; die Ausſchließung der Fremden und ihres Goldes aus dem eiſentragenden Lande; die planmaͤßige Verminderung des Zuwachſes von Leibeigenen, welche außer der jaͤhrlich feier- lich angeſagten Treibjagd 2), die zugleich zur Kriegs- uͤbung fuͤr die Jugend diente, dann und wann zu tauſen- den verſchwinden mußten 3). Das iſt nun keine gute Art von Verfaſſung, die in weſentlichen Stuͤcken mit goͤttlichen und menſchlichen Ordnungen, wie wir ſie verſtehen, im Widerſpruche ſteht, aber eine vortreffliche Ausfuͤhrung der- ſelben war es, welche bei Loͤſung ihrer Aufgabe, inner- halb des einmahl gezogenen Kreiſes der Herrſcher die Sit- ten keuſcher, den Gehorſam (πειϑαϱχία) unverbruͤchlicher und die Ehre der Goͤtter allgemeiner erhielt, als ſonſt wo in Hellas. „Es ſind viele Theile der Tugend in dieſem Kriegerleben“, ſpricht Ariſtoteles. Der Menſch iſt aber mehr als Staͤrke und geregelte Sitte. ¹⁾ Im eigentlichſten Sinne des Worts. Xenophon R. A. c. 12, 4. vgl. die von Haaſe citirten Stellen. ²⁾ „Sie toͤdten von den Heloten ſo viele als noͤthig iſt.“ Hera- clidis Pont. Fragm. II. vgl. Plutarch’s Lykurg c. 28. ³⁾ Thucyd. IV, 80. 34. Ein Verſuch des Koͤnigsthums ſich wiederherzu- ſtellen, machte vier Menſchenalter (wenn nur ſo lange Thucyd. I, 18.) nach Lykurg der faſt Alleinherrſchaft der Greiſe ein Ende und rief das Ephorat hervor. Fuͤnf Maͤnner aus den Auserzogenen des Volks, ohne weitere Beſchraͤnkung waͤhlbar, ſollten ein Jahr lang Staatsauf- ſeher ſeyn, berechtigt, jeden Beamten vom Amte zu ent-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/35
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/35>, abgerufen am 21.11.2024.