Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Zweites Capitel. 2) Die verführerische Versuchung, die der Volks- Souveränität durch das Herkommen gesetzte Schranke dennoch zu durchbrechen. Als der Tribun Flaminius (232 v. Chr.) zum ersten Mahle das Ansehn des Senats nichts gelten ließ, sein unvorsichtiges Ackergesetz gegen dessen hartnäckige Weigerung durchführte, kündigte das Volk damit seine Selbstregierung an. Wenn es den- noch zur Zeit wieder hinter die Schranke zurücktrat, so war das ein seltener Herrscher-Verstand, für die Dauer unverbürgt. 3) Die dichte Zahl von Eroberungs-Kriegen, vom zweiten Punischen bis zur Unterwerfung Macedoniens, Griechenlands, Karthago's. Der Pflug stand still in der freien Hand, Sinn und Kraft wandte sich auf die zu bezwingende und zu beherrschende Welt. Den nach außen erfolgreich Ungerechten genügte die Gebundenheit zu Hause von keiner Seite mehr. 4) Der Zufluß von Weltreichthum, der dem Siege folgte, und eine Ungleichheit des Vermögens von viel furchtbarerer Gestalt als früherhin hervorrief. Die Zahl der Sclaven in steter Zunahme, während sich Italien von freien Bauern entvölkert. Allenthalben statt der Bauerngüter, auf welchen die Besieger der Welt er- wuchsen, Latifundien, auf denen der Sclav den Pflug führt. Der Anblick des von Freien verödeten Etruriens erzeugte im Hause der Gracchen die Plane eines Kleo- menes. 5) Seit dem Mislingen der Gracchischen Rogationen die den früheren Tagen Roms fremde Entscheidung von Staatsfragen durch Gewaltthat und Bürgermord. 6) Die Ausartung des Tribunats, des Gründers der Bürgerfreiheit, in eine der Freiheit gefährliche Macht; Zweites Capitel. 2) Die verfuͤhreriſche Verſuchung, die der Volks- Souveraͤnitaͤt durch das Herkommen geſetzte Schranke dennoch zu durchbrechen. Als der Tribun Flaminius (232 v. Chr.) zum erſten Mahle das Anſehn des Senats nichts gelten ließ, ſein unvorſichtiges Ackergeſetz gegen deſſen hartnaͤckige Weigerung durchfuͤhrte, kuͤndigte das Volk damit ſeine Selbſtregierung an. Wenn es den- noch zur Zeit wieder hinter die Schranke zuruͤcktrat, ſo war das ein ſeltener Herrſcher-Verſtand, fuͤr die Dauer unverbuͤrgt. 3) Die dichte Zahl von Eroberungs-Kriegen, vom zweiten Puniſchen bis zur Unterwerfung Macedoniens, Griechenlands, Karthago’s. Der Pflug ſtand ſtill in der freien Hand, Sinn und Kraft wandte ſich auf die zu bezwingende und zu beherrſchende Welt. Den nach außen erfolgreich Ungerechten genuͤgte die Gebundenheit zu Hauſe von keiner Seite mehr. 4) Der Zufluß von Weltreichthum, der dem Siege folgte, und eine Ungleichheit des Vermoͤgens von viel furchtbarerer Geſtalt als fruͤherhin hervorrief. Die Zahl der Sclaven in ſteter Zunahme, waͤhrend ſich Italien von freien Bauern entvoͤlkert. Allenthalben ſtatt der Bauernguͤter, auf welchen die Beſieger der Welt er- wuchſen, Latifundien, auf denen der Sclav den Pflug fuͤhrt. Der Anblick des von Freien veroͤdeten Etruriens erzeugte im Hauſe der Gracchen die Plane eines Kleo- menes. 5) Seit dem Mislingen der Gracchiſchen Rogationen die den fruͤheren Tagen Roms fremde Entſcheidung von Staatsfragen durch Gewaltthat und Buͤrgermord. 6) Die Ausartung des Tribunats, des Gruͤnders der Buͤrgerfreiheit, in eine der Freiheit gefaͤhrliche Macht; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0056" n="44"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/> <list> <item>2) Die verfuͤhreriſche Verſuchung, die der Volks-<lb/> Souveraͤnitaͤt durch das Herkommen geſetzte Schranke<lb/> dennoch zu durchbrechen. Als der Tribun Flaminius<lb/> (232 v. 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Zweites Capitel.
2) Die verfuͤhreriſche Verſuchung, die der Volks-
Souveraͤnitaͤt durch das Herkommen geſetzte Schranke
dennoch zu durchbrechen. Als der Tribun Flaminius
(232 v. Chr.) zum erſten Mahle das Anſehn des Senats
nichts gelten ließ, ſein unvorſichtiges Ackergeſetz gegen
deſſen hartnaͤckige Weigerung durchfuͤhrte, kuͤndigte das
Volk damit ſeine Selbſtregierung an. Wenn es den-
noch zur Zeit wieder hinter die Schranke zuruͤcktrat,
ſo war das ein ſeltener Herrſcher-Verſtand, fuͤr die
Dauer unverbuͤrgt.
3) Die dichte Zahl von Eroberungs-Kriegen, vom
zweiten Puniſchen bis zur Unterwerfung Macedoniens,
Griechenlands, Karthago’s. Der Pflug ſtand ſtill in
der freien Hand, Sinn und Kraft wandte ſich auf die
zu bezwingende und zu beherrſchende Welt. Den nach
außen erfolgreich Ungerechten genuͤgte die Gebundenheit
zu Hauſe von keiner Seite mehr.
4) Der Zufluß von Weltreichthum, der dem Siege
folgte, und eine Ungleichheit des Vermoͤgens von viel
furchtbarerer Geſtalt als fruͤherhin hervorrief. Die Zahl
der Sclaven in ſteter Zunahme, waͤhrend ſich Italien
von freien Bauern entvoͤlkert. Allenthalben ſtatt der
Bauernguͤter, auf welchen die Beſieger der Welt er-
wuchſen, Latifundien, auf denen der Sclav den Pflug
fuͤhrt. Der Anblick des von Freien veroͤdeten Etruriens
erzeugte im Hauſe der Gracchen die Plane eines Kleo-
menes.
5) Seit dem Mislingen der Gracchiſchen Rogationen
die den fruͤheren Tagen Roms fremde Entſcheidung von
Staatsfragen durch Gewaltthat und Buͤrgermord.
6) Die Ausartung des Tribunats, des Gruͤnders
der Buͤrgerfreiheit, in eine der Freiheit gefaͤhrliche Macht;
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