Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Neuere Staatsverfassung. duen im Staate ist in ihnen nichts enthalten. Die zuerstäußerlich hervortretenden Resultate waren: Misbilligung des Sclaventhums, welches Menschen als Sache behan- delt, und Empfehlung barmherziger Armenversorgung, beide langsam durchdringend, aber von unermeßlichen Folgen. Daneben arbeitete es in aller Stille an einem Zusammen- hange von Ueberzeugungen und Zuständen, die über den einzelnen Staat hinausgingen, an einer bürgerlichen Ge- sellschaft seiner Bekenner. 70. Der Entwickelungs-Gang der alten Verfassungen Neuere Staatsverfaſſung. duen im Staate iſt in ihnen nichts enthalten. Die zuerſtaͤußerlich hervortretenden Reſultate waren: Misbilligung des Sclaventhums, welches Menſchen als Sache behan- delt, und Empfehlung barmherziger Armenverſorgung, beide langſam durchdringend, aber von unermeßlichen Folgen. Daneben arbeitete es in aller Stille an einem Zuſammen- hange von Ueberzeugungen und Zuſtaͤnden, die uͤber den einzelnen Staat hinausgingen, an einer buͤrgerlichen Ge- ſellſchaft ſeiner Bekenner. 70. Der Entwickelungs-Gang der alten Verfaſſungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="53"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuere Staatsverfaſſung</hi>.</fw><lb/> duen im Staate iſt in ihnen nichts enthalten. Die zuerſt<lb/> aͤußerlich hervortretenden Reſultate waren: Misbilligung<lb/> des Sclaventhums, welches Menſchen als Sache behan-<lb/> delt, und Empfehlung barmherziger Armenverſorgung, beide<lb/> langſam durchdringend, aber von unermeßlichen Folgen.<lb/> Daneben arbeitete es in aller Stille an einem Zuſammen-<lb/> hange von Ueberzeugungen und Zuſtaͤnden, die uͤber den<lb/> einzelnen Staat hinausgingen, an einer buͤrgerlichen Ge-<lb/> ſellſchaft ſeiner Bekenner.</p><lb/> <p>70. Der Entwickelungs-Gang der alten Verfaſſungen<lb/> war: Untergang des National-Koͤnigthums durch den<lb/> Adel, dann Untergang des Adels durch das Volk. Die<lb/> Volksfreiheit bildete ſich durch Verwandlung der Vielartig-<lb/> keit in eine Gleichartigkeit, welche den Staat aufloͤste.<lb/> Wo das nicht ſo kam, da trat, wie in Sparta, ſtatt der<lb/> Entwickelung Erſtarrung ein. Der Germaniſche Staat<lb/> nimmt einen andern Weg. Aus dem ruhenden Germani-<lb/> ſchen Volksgrunde treten Koͤnigthum und Adel nicht bloß<lb/> in endlich entſchiedener Geſtalt hervor, ſeit die Deutſchen<lb/> Eroberer werden, ſondern die Ariſtokratie erkennt auch die<lb/> Unentbehrlichkeit des Koͤnigthums. Die Lehnsverfaſſung<lb/> iſt aus einem den Staat urſpruͤnglich nicht angehenden<lb/> Kriegsdienſt-Verhaͤltniſſe der Gefolgſchaften, und, wenn<lb/> es gelungen war, aus einem Acker-Sold auf Ruͤckfall,<lb/> zur Grundlage der Staatsverfaſſung des Mittelalters ge-<lb/> worden. Sie machte Koͤnigthum und Ariſtokratie ſo noth-<lb/> wendig fuͤr einander, wie Feldherr und Kriegsheer es<lb/> ſind; in ihr fanden Sieger und Beſiegte zuerſt ihren<lb/> Frieden; die Verſammlung der Lehns-Großen, durch den<lb/> Zutritt der hohen Geiſtlichkeit doppelt gewaltig, ſetzte ſich<lb/> an die Stelle der wegen der Groͤße des Staats ohnehin<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0065]
Neuere Staatsverfaſſung.
duen im Staate iſt in ihnen nichts enthalten. Die zuerſt
aͤußerlich hervortretenden Reſultate waren: Misbilligung
des Sclaventhums, welches Menſchen als Sache behan-
delt, und Empfehlung barmherziger Armenverſorgung, beide
langſam durchdringend, aber von unermeßlichen Folgen.
Daneben arbeitete es in aller Stille an einem Zuſammen-
hange von Ueberzeugungen und Zuſtaͤnden, die uͤber den
einzelnen Staat hinausgingen, an einer buͤrgerlichen Ge-
ſellſchaft ſeiner Bekenner.
70. Der Entwickelungs-Gang der alten Verfaſſungen
war: Untergang des National-Koͤnigthums durch den
Adel, dann Untergang des Adels durch das Volk. Die
Volksfreiheit bildete ſich durch Verwandlung der Vielartig-
keit in eine Gleichartigkeit, welche den Staat aufloͤste.
Wo das nicht ſo kam, da trat, wie in Sparta, ſtatt der
Entwickelung Erſtarrung ein. Der Germaniſche Staat
nimmt einen andern Weg. Aus dem ruhenden Germani-
ſchen Volksgrunde treten Koͤnigthum und Adel nicht bloß
in endlich entſchiedener Geſtalt hervor, ſeit die Deutſchen
Eroberer werden, ſondern die Ariſtokratie erkennt auch die
Unentbehrlichkeit des Koͤnigthums. Die Lehnsverfaſſung
iſt aus einem den Staat urſpruͤnglich nicht angehenden
Kriegsdienſt-Verhaͤltniſſe der Gefolgſchaften, und, wenn
es gelungen war, aus einem Acker-Sold auf Ruͤckfall,
zur Grundlage der Staatsverfaſſung des Mittelalters ge-
worden. Sie machte Koͤnigthum und Ariſtokratie ſo noth-
wendig fuͤr einander, wie Feldherr und Kriegsheer es
ſind; in ihr fanden Sieger und Beſiegte zuerſt ihren
Frieden; die Verſammlung der Lehns-Großen, durch den
Zutritt der hohen Geiſtlichkeit doppelt gewaltig, ſetzte ſich
an die Stelle der wegen der Groͤße des Staats ohnehin
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