Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Drittes Capitel. deiner Hitze etwas hinweg", oder was der Megarenservom Lysander hören mußte: "Deinen Reden fehlt weiter nichts als der Staat." Bei allem dem macht gerade die Kleinheit einen Theil vom Wesen der wichtigsten Staaten des Alterthums aus, wovon die Spur nie verloren geht. Sie fingen mit Stadt und Stadtgebiet an, und blieben, so ausgedehnt sie auch durch Eroberung wurden, von klei- nem Zuschnitt, Hauptstadt-Staaten. Dagegen nahmen die Germanischen Landvölker, sobald sie ihre Natur-Ver- fassung verließen und erobernd sich des Staates bewußt wurden, einen großen und massenhaften Staats-Charakter an. Die festen Hauptstädte waren bei den Germanen, wo sie sich selbst mehr überlassen blieben, eine spätere Erfindung. 69. Das Christenthum stellte den Staat nothwendiger Drittes Capitel. deiner Hitze etwas hinweg“, oder was der Megarenſervom Lyſander hoͤren mußte: „Deinen Reden fehlt weiter nichts als der Staat.“ Bei allem dem macht gerade die Kleinheit einen Theil vom Weſen der wichtigſten Staaten des Alterthums aus, wovon die Spur nie verloren geht. Sie fingen mit Stadt und Stadtgebiet an, und blieben, ſo ausgedehnt ſie auch durch Eroberung wurden, von klei- nem Zuſchnitt, Hauptſtadt-Staaten. Dagegen nahmen die Germaniſchen Landvoͤlker, ſobald ſie ihre Natur-Ver- faſſung verließen und erobernd ſich des Staates bewußt wurden, einen großen und maſſenhaften Staats-Charakter an. Die feſten Hauptſtaͤdte waren bei den Germanen, wo ſie ſich ſelbſt mehr uͤberlaſſen blieben, eine ſpaͤtere Erfindung. 69. Das Chriſtenthum ſtellte den Staat nothwendiger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> deiner Hitze etwas hinweg“, oder was der Megarenſer<lb/> vom Lyſander hoͤren mußte: „Deinen Reden fehlt weiter<lb/> nichts als der Staat.“ Bei allem dem macht gerade die<lb/> Kleinheit einen Theil vom Weſen der wichtigſten Staaten<lb/> des Alterthums aus, wovon die Spur nie verloren geht.<lb/> Sie fingen mit Stadt und Stadtgebiet an, und blieben,<lb/> ſo ausgedehnt ſie auch durch Eroberung wurden, von klei-<lb/> nem Zuſchnitt, Hauptſtadt-Staaten. Dagegen nahmen<lb/> die Germaniſchen Landvoͤlker, ſobald ſie ihre Natur-Ver-<lb/> faſſung verließen und erobernd ſich des Staates bewußt<lb/> wurden, einen großen und maſſenhaften Staats-Charakter<lb/> an. Die feſten Hauptſtaͤdte waren bei den Germanen,<lb/> wo ſie ſich ſelbſt mehr uͤberlaſſen blieben, eine ſpaͤtere<lb/> Erfindung.</p><lb/> <p>69. Das Chriſtenthum ſtellte den Staat nothwendiger<lb/> Weiſe tiefer, als er bei Griechen und Roͤmern ſtand. Es<lb/> will die erſte Angelegenheit des Menſchen ſeyn, welchen<lb/> Staat er auch bewohne. Dem Staate bleibt hoͤchſtens<lb/> die zweite Stelle, er kann nicht mehr im Ariſtoteliſchen<lb/> Sinne Architektonik ſeyn. Das Chriſtenthum will die<lb/> Einzelnen umwandeln, die Familie reinigen, und laͤßt es<lb/> mit dem Staate darauf ankommen, wie er den Weg zur<lb/> Nachfolge finde. Inzwiſchen iſt es unmoͤglich, daß daſſelbe<lb/> nicht, weiter durchgebildet, auch gewiſſe Staatsformen vor-<lb/> ziehe als dem chriſtlichen Leben zuſagend, andere verwerfe<lb/> als das Gegentheil; nur daß alles Recht bei ihm den<lb/> Pflichten nachſteht, und es nur in ſoweit dem Rechte<lb/> nachfragt, als ſolches fuͤr die chriſtliche Freiheit nothwen-<lb/> dig iſt. Das Chriſtenthum ſtellt allerdings Menſchenrechte<lb/> auf, welche zu politiſchen Rechten der Gattung fuͤhren,<lb/> allein von <hi rendition="#g">natuͤrlichen</hi> politiſchen Rechten aller Indivi-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0064]
Drittes Capitel.
deiner Hitze etwas hinweg“, oder was der Megarenſer
vom Lyſander hoͤren mußte: „Deinen Reden fehlt weiter
nichts als der Staat.“ Bei allem dem macht gerade die
Kleinheit einen Theil vom Weſen der wichtigſten Staaten
des Alterthums aus, wovon die Spur nie verloren geht.
Sie fingen mit Stadt und Stadtgebiet an, und blieben,
ſo ausgedehnt ſie auch durch Eroberung wurden, von klei-
nem Zuſchnitt, Hauptſtadt-Staaten. Dagegen nahmen
die Germaniſchen Landvoͤlker, ſobald ſie ihre Natur-Ver-
faſſung verließen und erobernd ſich des Staates bewußt
wurden, einen großen und maſſenhaften Staats-Charakter
an. Die feſten Hauptſtaͤdte waren bei den Germanen,
wo ſie ſich ſelbſt mehr uͤberlaſſen blieben, eine ſpaͤtere
Erfindung.
69. Das Chriſtenthum ſtellte den Staat nothwendiger
Weiſe tiefer, als er bei Griechen und Roͤmern ſtand. Es
will die erſte Angelegenheit des Menſchen ſeyn, welchen
Staat er auch bewohne. Dem Staate bleibt hoͤchſtens
die zweite Stelle, er kann nicht mehr im Ariſtoteliſchen
Sinne Architektonik ſeyn. Das Chriſtenthum will die
Einzelnen umwandeln, die Familie reinigen, und laͤßt es
mit dem Staate darauf ankommen, wie er den Weg zur
Nachfolge finde. Inzwiſchen iſt es unmoͤglich, daß daſſelbe
nicht, weiter durchgebildet, auch gewiſſe Staatsformen vor-
ziehe als dem chriſtlichen Leben zuſagend, andere verwerfe
als das Gegentheil; nur daß alles Recht bei ihm den
Pflichten nachſteht, und es nur in ſoweit dem Rechte
nachfragt, als ſolches fuͤr die chriſtliche Freiheit nothwen-
dig iſt. Das Chriſtenthum ſtellt allerdings Menſchenrechte
auf, welche zu politiſchen Rechten der Gattung fuͤhren,
allein von natuͤrlichen politiſchen Rechten aller Indivi-
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