Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Capitel.
Viertes Capitel.
Von der Staats-Regierung.

88. In der Familien-Verfassung wohnt im Hausva-
ter der Beruf diese Verfassung nach Innen und Außen
geltend zu machen, das ist die regierende Gewalt. Auch
im Staate muß sie irgendwo wohnen, damit die Staats-
verfassung Leben habe. Kein Staat ohne Regierung.

89. Es liegt nicht in dem Begriffe der Regierung,
daß sie in den Händen einer einzigen physischen Person
liege. Da Regierung aber den Staat ununterbrochen be-
seelen muß, so ist es wichtig, und zwar um so wichtiger,
je ausgedehnter der Staat ist, daß sie nur da wohne, wo
sie für die Dauer wirken kann, also nicht bei einer in
langen Zwischenräumen thätigen Volksversammlung, und
überhaupt nicht bei sehr Vielen; weil viele Willensmeinun-
gen langsam und immer nur durch Mittel vereinigt wer-
den, welche das Gepräge der Zufälligkeit an sich tragen,
zumal in der für das Mahl besiegten Minorität stets auch
eine für das Mahl nichtregierende Fraction der Regierung
erblickt wird. Wäre man der rechten Richtung der Regie-
rung nur gewiß, ihr Nie-Ausbleiben und ihre Allgemein-
Verständlichkeit würde besser durch ein sterbliches Indivi-
duum als durch eine unsterbliche Körperschaft erreicht.

90. Am wenigsten aber darf der Platz der Regierung
wechseln, es muß vielmehr in Bezug auf alle Regierungs-
Gegenstände die letzte Entscheidung an einem und demsel-
ben Orte seyn. Denn das wäre keine Staatsverfassung
zu nennen, die dem Könige etwa das Recht Krieg zu er-
klären zuwiese, dem Volk aber ganz für sich selber das
Recht Frieden zu schließen, oder welche die Steuergesetze

Viertes Capitel.
Viertes Capitel.
Von der Staats-Regierung.

88. In der Familien-Verfaſſung wohnt im Hausva-
ter der Beruf dieſe Verfaſſung nach Innen und Außen
geltend zu machen, das iſt die regierende Gewalt. Auch
im Staate muß ſie irgendwo wohnen, damit die Staats-
verfaſſung Leben habe. Kein Staat ohne Regierung.

89. Es liegt nicht in dem Begriffe der Regierung,
daß ſie in den Haͤnden einer einzigen phyſiſchen Perſon
liege. Da Regierung aber den Staat ununterbrochen be-
ſeelen muß, ſo iſt es wichtig, und zwar um ſo wichtiger,
je ausgedehnter der Staat iſt, daß ſie nur da wohne, wo
ſie fuͤr die Dauer wirken kann, alſo nicht bei einer in
langen Zwiſchenraͤumen thaͤtigen Volksverſammlung, und
uͤberhaupt nicht bei ſehr Vielen; weil viele Willensmeinun-
gen langſam und immer nur durch Mittel vereinigt wer-
den, welche das Gepraͤge der Zufaͤlligkeit an ſich tragen,
zumal in der fuͤr das Mahl beſiegten Minoritaͤt ſtets auch
eine fuͤr das Mahl nichtregierende Fraction der Regierung
erblickt wird. Waͤre man der rechten Richtung der Regie-
rung nur gewiß, ihr Nie-Ausbleiben und ihre Allgemein-
Verſtaͤndlichkeit wuͤrde beſſer durch ein ſterbliches Indivi-
duum als durch eine unſterbliche Koͤrperſchaft erreicht.

90. Am wenigſten aber darf der Platz der Regierung
wechſeln, es muß vielmehr in Bezug auf alle Regierungs-
Gegenſtaͤnde die letzte Entſcheidung an einem und demſel-
ben Orte ſeyn. Denn das waͤre keine Staatsverfaſſung
zu nennen, die dem Koͤnige etwa das Recht Krieg zu er-
klaͤren zuwieſe, dem Volk aber ganz fuͤr ſich ſelber das
Recht Frieden zu ſchließen, oder welche die Steuergeſetze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0089" n="77"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Capitel</hi>.</fw>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Viertes Capitel</hi>.<lb/>
Von der Staats-Regierung.</head><lb/>
            <p>88. In der Familien-Verfa&#x017F;&#x017F;ung wohnt im Hausva-<lb/>
ter der Beruf die&#x017F;e Verfa&#x017F;&#x017F;ung nach Innen und Außen<lb/>
geltend zu machen, das i&#x017F;t die regierende Gewalt. Auch<lb/>
im Staate muß &#x017F;ie irgendwo wohnen, damit die Staats-<lb/>
verfa&#x017F;&#x017F;ung Leben habe. Kein Staat ohne Regierung.</p><lb/>
            <p>89. Es liegt nicht in dem Begriffe der Regierung,<lb/>
daß &#x017F;ie in den Ha&#x0364;nden einer einzigen phy&#x017F;i&#x017F;chen Per&#x017F;on<lb/>
liege. Da Regierung aber den Staat ununterbrochen be-<lb/>
&#x017F;eelen muß, &#x017F;o i&#x017F;t es wichtig, und zwar um &#x017F;o wichtiger,<lb/>
je ausgedehnter der Staat i&#x017F;t, daß &#x017F;ie nur da wohne, wo<lb/>
&#x017F;ie fu&#x0364;r die Dauer wirken kann, al&#x017F;o nicht bei einer in<lb/>
langen Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umen tha&#x0364;tigen Volksver&#x017F;ammlung, und<lb/>
u&#x0364;berhaupt nicht bei &#x017F;ehr Vielen; weil viele Willensmeinun-<lb/>
gen lang&#x017F;am und immer nur durch Mittel vereinigt wer-<lb/>
den, welche das Gepra&#x0364;ge der Zufa&#x0364;lligkeit an &#x017F;ich tragen,<lb/>
zumal in der fu&#x0364;r das Mahl be&#x017F;iegten Minorita&#x0364;t &#x017F;tets auch<lb/>
eine fu&#x0364;r das Mahl nichtregierende Fraction der Regierung<lb/>
erblickt wird. Wa&#x0364;re man der rechten Richtung der Regie-<lb/>
rung nur gewiß, ihr Nie-Ausbleiben und ihre Allgemein-<lb/>
Ver&#x017F;ta&#x0364;ndlichkeit wu&#x0364;rde be&#x017F;&#x017F;er durch ein &#x017F;terbliches Indivi-<lb/>
duum als durch eine un&#x017F;terbliche Ko&#x0364;rper&#x017F;chaft erreicht.</p><lb/>
            <p>90. Am wenig&#x017F;ten aber darf der Platz der Regierung<lb/>
wech&#x017F;eln, es muß vielmehr in Bezug auf alle Regierungs-<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde die letzte Ent&#x017F;cheidung an einem und dem&#x017F;el-<lb/>
ben Orte &#x017F;eyn. Denn das wa&#x0364;re keine Staatsverfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
zu nennen, die dem Ko&#x0364;nige etwa das Recht Krieg zu er-<lb/>
kla&#x0364;ren zuwie&#x017F;e, dem Volk aber ganz fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elber das<lb/>
Recht Frieden zu &#x017F;chließen, oder welche die Steuerge&#x017F;etze<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0089] Viertes Capitel. Viertes Capitel. Von der Staats-Regierung. 88. In der Familien-Verfaſſung wohnt im Hausva- ter der Beruf dieſe Verfaſſung nach Innen und Außen geltend zu machen, das iſt die regierende Gewalt. Auch im Staate muß ſie irgendwo wohnen, damit die Staats- verfaſſung Leben habe. Kein Staat ohne Regierung. 89. Es liegt nicht in dem Begriffe der Regierung, daß ſie in den Haͤnden einer einzigen phyſiſchen Perſon liege. Da Regierung aber den Staat ununterbrochen be- ſeelen muß, ſo iſt es wichtig, und zwar um ſo wichtiger, je ausgedehnter der Staat iſt, daß ſie nur da wohne, wo ſie fuͤr die Dauer wirken kann, alſo nicht bei einer in langen Zwiſchenraͤumen thaͤtigen Volksverſammlung, und uͤberhaupt nicht bei ſehr Vielen; weil viele Willensmeinun- gen langſam und immer nur durch Mittel vereinigt wer- den, welche das Gepraͤge der Zufaͤlligkeit an ſich tragen, zumal in der fuͤr das Mahl beſiegten Minoritaͤt ſtets auch eine fuͤr das Mahl nichtregierende Fraction der Regierung erblickt wird. Waͤre man der rechten Richtung der Regie- rung nur gewiß, ihr Nie-Ausbleiben und ihre Allgemein- Verſtaͤndlichkeit wuͤrde beſſer durch ein ſterbliches Indivi- duum als durch eine unſterbliche Koͤrperſchaft erreicht. 90. Am wenigſten aber darf der Platz der Regierung wechſeln, es muß vielmehr in Bezug auf alle Regierungs- Gegenſtaͤnde die letzte Entſcheidung an einem und demſel- ben Orte ſeyn. Denn das waͤre keine Staatsverfaſſung zu nennen, die dem Koͤnige etwa das Recht Krieg zu er- klaͤren zuwieſe, dem Volk aber ganz fuͤr ſich ſelber das Recht Frieden zu ſchließen, oder welche die Steuergeſetze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/89
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/89>, abgerufen am 21.11.2024.