Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Capitel.
2) die aus ihr fließende Sicherheit, Sicherheit des Thron-
besitzes wegen des keinem Zufalle unterworfenen, von nie-
mand angezweifelten Rechtes einer tief in das Volk verwach-
senen, dabei hervorragenden Familie, Sicherheit auch nach
Außen, weil die in unserm Welttheile vorwaltende Monarchie
die altherrschenden Häuser selber zu einer großen Familie
verknüpft hat, in welcher Republiken keine Aufnahme finden
können. Sie läßt 3) heilsame Familiengrundsätze hoffen
und eine gewissenhaftere Beobachtung der Verfassung auch
von Seiten des schlechteren Fürsten; denn er würde nicht
die Satzungen fremder Könige, sondern die seiner Ahn-
herren übertreten. 4) Die Erbherrschaft ist neidloser, freier
von Eifersucht, weil auf einer Höhe stehend, die auch das
glänzendste Unterthanen-Verdienst nicht erklimmen darf.
5) Sie ist milder, weniger begehrend, weil sie Macht und
Reichthum nicht zu begründen, nur fortzusetzen hat. Alles
zusammengenommen: Die Erblichkeit hat das bessere
Staatsprincip für sich; in Absicht auf persönliche Würdig-
keit steht sie mindestens nicht schlechter als das Wahlreich.
So weit zwar wäre keinenfalls zu gehen, daß wir sagten:
"Es ist bei einer vollendeten Organisation nur um die
Spitze formellen Entscheidens zu thun, und man braucht
zu einem Monarchen nur einen Menschen, der "Ja" sagt
und den Punkt auf das J setzt; denn die Spitze soll so
seyn, daß die Besonderheit des Charakters nicht das Be-
deutende ist 1)"; auch bei der besten Verfassung bleibt der
gute Fürst ein Segen des Himmels, und der schlechte wird
minder verderblich seyn. Im Allgemeinen aber haben die
Grundsätze der Freiheit weit mehr die fortreißende Gewalt
großer Fürsten, als die Gebrechen gewöhnlicher zu fürchten.

1) Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, herausgeg. von
Gans. Berlin 1833. S. 372 f.

Fuͤnftes Capitel.
2) die aus ihr fließende Sicherheit, Sicherheit des Thron-
beſitzes wegen des keinem Zufalle unterworfenen, von nie-
mand angezweifelten Rechtes einer tief in das Volk verwach-
ſenen, dabei hervorragenden Familie, Sicherheit auch nach
Außen, weil die in unſerm Welttheile vorwaltende Monarchie
die altherrſchenden Haͤuſer ſelber zu einer großen Familie
verknuͤpft hat, in welcher Republiken keine Aufnahme finden
koͤnnen. Sie laͤßt 3) heilſame Familiengrundſaͤtze hoffen
und eine gewiſſenhaftere Beobachtung der Verfaſſung auch
von Seiten des ſchlechteren Fuͤrſten; denn er wuͤrde nicht
die Satzungen fremder Koͤnige, ſondern die ſeiner Ahn-
herren uͤbertreten. 4) Die Erbherrſchaft iſt neidloſer, freier
von Eiferſucht, weil auf einer Hoͤhe ſtehend, die auch das
glaͤnzendſte Unterthanen-Verdienſt nicht erklimmen darf.
5) Sie iſt milder, weniger begehrend, weil ſie Macht und
Reichthum nicht zu begruͤnden, nur fortzuſetzen hat. Alles
zuſammengenommen: Die Erblichkeit hat das beſſere
Staatsprincip fuͤr ſich; in Abſicht auf perſoͤnliche Wuͤrdig-
keit ſteht ſie mindeſtens nicht ſchlechter als das Wahlreich.
So weit zwar waͤre keinenfalls zu gehen, daß wir ſagten:
„Es iſt bei einer vollendeten Organiſation nur um die
Spitze formellen Entſcheidens zu thun, und man braucht
zu einem Monarchen nur einen Menſchen, der „Ja“ ſagt
und den Punkt auf das J ſetzt; denn die Spitze ſoll ſo
ſeyn, daß die Beſonderheit des Charakters nicht das Be-
deutende iſt 1)“; auch bei der beſten Verfaſſung bleibt der
gute Fuͤrſt ein Segen des Himmels, und der ſchlechte wird
minder verderblich ſeyn. Im Allgemeinen aber haben die
Grundſaͤtze der Freiheit weit mehr die fortreißende Gewalt
großer Fuͤrſten, als die Gebrechen gewoͤhnlicher zu fuͤrchten.

1) Hegel, Grundlinien der Philoſophie des Rechts, herausgeg. von
Gans. Berlin 1833. S. 372 f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0096" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
2) die aus ihr fließende Sicherheit, Sicherheit des Thron-<lb/>
be&#x017F;itzes wegen des keinem Zufalle unterworfenen, von nie-<lb/>
mand angezweifelten Rechtes einer tief in das Volk verwach-<lb/>
&#x017F;enen, dabei hervorragenden Familie, Sicherheit auch nach<lb/>
Außen, weil die in un&#x017F;erm Welttheile vorwaltende Monarchie<lb/>
die altherr&#x017F;chenden Ha&#x0364;u&#x017F;er &#x017F;elber zu einer großen Familie<lb/>
verknu&#x0364;pft hat, in welcher Republiken keine Aufnahme finden<lb/>
ko&#x0364;nnen. Sie la&#x0364;ßt 3) heil&#x017F;ame Familiengrund&#x017F;a&#x0364;tze hoffen<lb/>
und eine gewi&#x017F;&#x017F;enhaftere Beobachtung der Verfa&#x017F;&#x017F;ung auch<lb/>
von Seiten des &#x017F;chlechteren Fu&#x0364;r&#x017F;ten; denn er wu&#x0364;rde nicht<lb/>
die Satzungen fremder Ko&#x0364;nige, &#x017F;ondern die &#x017F;einer Ahn-<lb/>
herren u&#x0364;bertreten. 4) Die Erbherr&#x017F;chaft i&#x017F;t neidlo&#x017F;er, freier<lb/>
von Eifer&#x017F;ucht, weil auf einer Ho&#x0364;he &#x017F;tehend, die auch das<lb/>
gla&#x0364;nzend&#x017F;te Unterthanen-Verdien&#x017F;t nicht erklimmen darf.<lb/>
5) Sie i&#x017F;t milder, weniger begehrend, weil &#x017F;ie Macht und<lb/>
Reichthum nicht zu begru&#x0364;nden, nur fortzu&#x017F;etzen hat. Alles<lb/>
zu&#x017F;ammengenommen: Die Erblichkeit hat das be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Staatsprincip fu&#x0364;r &#x017F;ich; in Ab&#x017F;icht auf per&#x017F;o&#x0364;nliche Wu&#x0364;rdig-<lb/>
keit &#x017F;teht &#x017F;ie minde&#x017F;tens nicht &#x017F;chlechter als das Wahlreich.<lb/>
So weit zwar wa&#x0364;re keinenfalls zu gehen, daß wir &#x017F;agten:<lb/>
&#x201E;Es i&#x017F;t bei einer vollendeten Organi&#x017F;ation nur um die<lb/>
Spitze formellen Ent&#x017F;cheidens zu thun, und man braucht<lb/>
zu einem Monarchen nur einen Men&#x017F;chen, der &#x201E;Ja&#x201C; &#x017F;agt<lb/>
und den Punkt auf das J &#x017F;etzt; denn die Spitze &#x017F;oll &#x017F;o<lb/>
&#x017F;eyn, daß die Be&#x017F;onderheit des Charakters nicht das Be-<lb/>
deutende i&#x017F;t <hi rendition="#sup">1</hi>)&#x201C;; auch bei der be&#x017F;ten Verfa&#x017F;&#x017F;ung bleibt der<lb/>
gute Fu&#x0364;r&#x017F;t ein Segen des Himmels, und der &#x017F;chlechte wird<lb/>
minder verderblich &#x017F;eyn. Im Allgemeinen aber haben die<lb/>
Grund&#x017F;a&#x0364;tze der Freiheit weit mehr die fortreißende Gewalt<lb/>
großer Fu&#x0364;r&#x017F;ten, als die Gebrechen gewo&#x0364;hnlicher zu fu&#x0364;rchten.</p><lb/>
              <note place="end" n="1)">Hegel, Grundlinien der Philo&#x017F;ophie des Rechts, herausgeg. von<lb/>
Gans. Berlin 1833. S. 372 f.</note><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0096] Fuͤnftes Capitel. 2) die aus ihr fließende Sicherheit, Sicherheit des Thron- beſitzes wegen des keinem Zufalle unterworfenen, von nie- mand angezweifelten Rechtes einer tief in das Volk verwach- ſenen, dabei hervorragenden Familie, Sicherheit auch nach Außen, weil die in unſerm Welttheile vorwaltende Monarchie die altherrſchenden Haͤuſer ſelber zu einer großen Familie verknuͤpft hat, in welcher Republiken keine Aufnahme finden koͤnnen. Sie laͤßt 3) heilſame Familiengrundſaͤtze hoffen und eine gewiſſenhaftere Beobachtung der Verfaſſung auch von Seiten des ſchlechteren Fuͤrſten; denn er wuͤrde nicht die Satzungen fremder Koͤnige, ſondern die ſeiner Ahn- herren uͤbertreten. 4) Die Erbherrſchaft iſt neidloſer, freier von Eiferſucht, weil auf einer Hoͤhe ſtehend, die auch das glaͤnzendſte Unterthanen-Verdienſt nicht erklimmen darf. 5) Sie iſt milder, weniger begehrend, weil ſie Macht und Reichthum nicht zu begruͤnden, nur fortzuſetzen hat. Alles zuſammengenommen: Die Erblichkeit hat das beſſere Staatsprincip fuͤr ſich; in Abſicht auf perſoͤnliche Wuͤrdig- keit ſteht ſie mindeſtens nicht ſchlechter als das Wahlreich. So weit zwar waͤre keinenfalls zu gehen, daß wir ſagten: „Es iſt bei einer vollendeten Organiſation nur um die Spitze formellen Entſcheidens zu thun, und man braucht zu einem Monarchen nur einen Menſchen, der „Ja“ ſagt und den Punkt auf das J ſetzt; denn die Spitze ſoll ſo ſeyn, daß die Beſonderheit des Charakters nicht das Be- deutende iſt 1)“; auch bei der beſten Verfaſſung bleibt der gute Fuͤrſt ein Segen des Himmels, und der ſchlechte wird minder verderblich ſeyn. Im Allgemeinen aber haben die Grundſaͤtze der Freiheit weit mehr die fortreißende Gewalt großer Fuͤrſten, als die Gebrechen gewoͤhnlicher zu fuͤrchten. ¹⁾ Hegel, Grundlinien der Philoſophie des Rechts, herausgeg. von Gans. Berlin 1833. S. 372 f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/96
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/96>, abgerufen am 21.11.2024.