Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.Predigt. Gebet/ darinnen Er den Abgrund seines Hertzen/ beyde gegen uns und sei-nem Vater eröffnet/ und gantz heraus schüttet. Es sind aber solche Wort/ die in unsern Ohren/ so sie ohne Geist hören/ lauten als lauter Kin- derteidungen/ die weder Krafft noch Safft haben/ ja nicht werth sind zu reden. Dann Vernunfft und menschliche Weißheit hält nichts von dem/ so man nicht mit prächtigen und hochtrabenden Worten fürgibt und auffmutzet/ daß iederman Augen und Ohren auffsperren muß. Hier hal- tet uns selbst die regul, wann man recht beten will/ dörffe man nicht viel langer und köstlicher Wort machen/ sondern nur schlecht und recht das beste. Aber wo ist solches räuchern? Wo ein warhafftiges Gebet? Wo die Was wollen wir sagen von dem kalten oder lauen ohnandächtigen hält
Predigt. Gebet/ darinnen Er den Abgrund ſeines Hertzen/ beyde gegen uns und ſei-nem Vater eroͤffnet/ und gantz heraus ſchuͤttet. Es ſind aber ſolche Wort/ die in unſern Ohren/ ſo ſie ohne Geiſt hoͤren/ lauten als lauter Kin- derteidungen/ die weder Krafft noch Safft haben/ ja nicht werth ſind zu reden. Dann Vernunfft und menſchliche Weißheit haͤlt nichts von dem/ ſo man nicht mit praͤchtigen und hochtrabenden Worten fuͤrgibt und auffmutzet/ daß iederman Augen und Ohren auffſperren muß. Hier hal- tet uns ſelbſt die regul, wann man recht beten will/ doͤrffe man nicht viel langer und koͤſtlicher Wort machen/ ſondern nur ſchlecht und recht das beſte. Aber wo iſt ſolches raͤuchern? Wo ein warhafftiges Gebet? Wo die Was wollen wir ſagen von dem kalten oder lauen ohnandaͤchtigen haͤlt
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Predigt.
Gebet/ darinnen Er den Abgrund ſeines Hertzen/ beyde gegen uns und ſei-
nem Vater eroͤffnet/ und gantz heraus ſchuͤttet. Es ſind aber ſolche
Wort/ die in unſern Ohren/ ſo ſie ohne Geiſt hoͤren/ lauten als lauter Kin-
derteidungen/ die weder Krafft noch Safft haben/ ja nicht werth ſind zu
reden. Dann Vernunfft und menſchliche Weißheit haͤlt nichts von
dem/ ſo man nicht mit praͤchtigen und hochtrabenden Worten fuͤrgibt und
auffmutzet/ daß iederman Augen und Ohren auffſperren muß. Hier hal-
tet uns ſelbſt die regul, wann man recht beten will/ doͤrffe man nicht viel
langer und koͤſtlicher Wort machen/ ſondern nur ſchlecht und recht das
beſte.
Aber wo iſt ſolches raͤuchern? Wo ein warhafftiges Gebet? Wo die
Andacht? Wo iſt das guͤldene Raͤuch Faß eines glaubigen Hertzen? O wie
ſeltzame Ding! Ach Gott/ wie ſteckt der Paͤpſtiſche Sauerteig ſo vielen im
Hertzen/ die es mit Bellarmino dem Roͤmiſchen Cardinal halten/ der
ſchreibet an einem Ort/ es ſey kein Zweifel/ daß das Bet-Ampt ein Werck
ſo allein den Pfaffen und Moͤnchen zuſtehe/ darumb ſprechen unſere Leute
noch/ Pfaffen ſollen beten/ ſie haben die Beſoldung darauff. Gleich wie/
ſo folgert Bellarminus ferner/ in einer Statt eine groſſe Schild-Schar-
und Nacht-Wacht beſtellet/ die fuͤr die uͤbrige ſchlaffende und ruhende
Buͤrgerſchafft wachet/ alſo beten auch die geiſtliche allein fuͤr die weltliche.
Was ſagt aber unſer Heiland Chriſtus? Was ich ſag/ ſag ich allen:
Wachet! ein ieder iſt ſeiner eigenen Seelen beſtellter Waͤchter. Vnter
vier und zwantzig Stunden des Tages findet mancher Menſch nicht eine
Stunde/ die er zum beten anwendete/ der liebe getreue Gott muß ſich
irgend/ wann man Morgens auffſtehet/ abweiſen laſſen mit einpar Wor-
ten/ Morgens/ Das walt Gott/ damit auff und davon. Zu Mittage/
Aller Augen ꝛc. Wanns hoch kommt/ auff den Abend einen Abend-Se-
gen: Soll das recht und gnugſam gebetet ſeyn?
Bellarm. l.
1. de bon-
oper. c. 19.
Marc. 13,
37.
Was wollen wir ſagen von dem kalten oder lauen ohnandaͤchtigen
Gebet/ da man nur betet ex opere operato, weils man ſo gewohnet/ oder
doch aus Zwang/ ohne Verſtand/ wie die Nonnen den Pſalter; klingende
Schellen! Bileams Eſel-Stimm! Kaͤlber-Geſchrey! ſoll das ein Opffer
ſeyn/ das Gott gefalle? Wie offtmal Gebet ohne Buß/ Jndas-Kuß
und Hencker-Gruß? wie wahr ſagt der Herr von manchem heuchleri-
ſchen Hertzen: Mein Hauß iſt ein Bet-Hauß/ ihr aber habts
gemacht zur Moͤrder-Gruben! Ja freylich leider! nicht nur zur
Moͤrder-Gruben/ ſondern zum Hur-Hauß/ Raub-Hauß/ außwendig
haͤlt
Matt. 21, 13.
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