Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Vier und Zwantzigste
Mensch ist selbst schuld an solcher impossibilität/ dieweil er die Gnaden-
Mittel selbst verachtet und mit Füssen tritt; zum Exempel/ ein Krancker
der mit einer unheilsamen gifftigen Kranckheit behafftet/ kan nicht geheilet
werden potentia naturali, durch natürliche Krafft und Vermögen/ kan
aber doch obedientiali, durch übernatürliche Krafft/ so fern er nicht wider-
stehet; verachtet er diese/ so kan er gar nicht curirt werden/ nicht aus
Mangel der Artzney/ sondern aus eigener Boßheit/ aus eigener Schuld;
Iohan. 9, 1.
seqq.
Der Blindgeborne Joh. 9. hat natürlicher Weise nicht können curirt und
sehend gemacht werden/ aber durch Gottes sonderbare Gnade hat er kön-
nen sehend werden; hätte er aber diese mit Füssen getretten/ so hätte ihm
gar nicht können geholffen werden/ sondern were ewig blind geblieben.

Folgends endlich VI. finaliter perseverantem, eine verhärtete
Sünde/ darinnen einer verharret biß ans Ende;
der Zorn Got-
tes bleibet über ihn/ wegen der unüberwindlichen Verhärtung/ welche nicht
kan überwunden und gebrochen werden durch den freyen Willen/ das
ordentliche Mittel seiner Bekehrung verwirfft er/ kein extraordinarium
und überordentliches Mittel ist ihm Gott schuldig. dann ob zwar die
reciprocatio nicht angehet/ und nicht folget: Ein ieglicher beharrlich un-
bußfertiger Sünder/ der in seiner Vnbußfertigkeit beharret biß ans Ende/
ist ein Sünder in den Heiligen Geist; so folget doch im Gegentheil/ und
kan nicht anders seyn: Eine iegliche Sünde/ so nicht vergeben wird/ die
herrschet in dem Sünder biß an sein Ende; dann sonst/ wo er nicht drin-
nen verharrete biß ans Ende/ so würde sie vergeben: es ist die Beharrligkeit
ein adjunctum inseparabile, und mag nicht von dieser Sünde abgeson-
dert und getrennet werden/ gleich wie eine iedwedere unheilsame Kranckheit
zum Tode ist. So viel in Thesei von der definition, was die Sunde in
den Heiligen Geist
eigentlich seye? Jst alles conjunctim zu verstehen/
da kein stück von denen ersterwehnten Gliedern/ so diese Sünde in sich be-
greifft/ mangeln muß; Es ist dieselbe allererschröcklichste Sünde/
aus oberzehlten/ eine solche Sünde/ da ein Mensch/ der zuvor die
Warheit erkannt/ in seinem Hertzen und Gewissen derselben
überzeuget/ aus Vorsatz/ ohne Noth-Zwang und Furcht der
Gefahr/ dieselbe öffentlich verläugnet/ lästert und schmähet/
und freywillig das heilige Evangelium und Predig-Ampt/
als ein Gnaden-Ampt Gottes des Heiligen Geistes von sich
stösset/ von dem reinen seligmachenden Glauben abfället/

densel-

Die Vier und Zwantzigſte
Menſch iſt ſelbſt ſchuld an ſolcher impoſſibilitaͤt/ dieweil er die Gnaden-
Mittel ſelbſt verachtet und mit Fuͤſſen tritt; zum Exempel/ ein Krancker
der mit einer unheilſamen gifftigen Kranckheit behafftet/ kan nicht geheilet
werden potentiâ naturali, durch natuͤrliche Krafft und Vermoͤgen/ kan
aber doch obedientiali, durch uͤbernatuͤrliche Krafft/ ſo fern er nicht wider-
ſtehet; verachtet er dieſe/ ſo kan er gar nicht curirt werden/ nicht aus
Mangel der Artzney/ ſondern aus eigener Boßheit/ aus eigener Schuld;
Iohan. 9, 1.
ſeqq.
Der Blindgeborne Joh. 9. hat natuͤrlicher Weiſe nicht koͤnnen curirt und
ſehend gemacht werden/ aber durch Gottes ſonderbare Gnade hat er koͤn-
nen ſehend werden; haͤtte er aber dieſe mit Fuͤſſen getretten/ ſo haͤtte ihm
gar nicht koͤnnen geholffen werden/ ſondern were ewig blind geblieben.

Folgends endlich VI. finaliter perſeverantem, eine verhärtete
Suͤnde/ darinnen einer verharret biß ans Ende;
der Zorn Got-
tes bleibet uͤber ihn/ wegen der unuͤberwindlichen Verhaͤrtung/ welche nicht
kan uͤberwunden und gebrochen werden durch den freyen Willen/ das
ordentliche Mittel ſeiner Bekehrung verwirfft er/ kein extraordinarium
und uͤberordentliches Mittel iſt ihm Gott ſchuldig. dann ob zwar die
reciprocatio nicht angehet/ und nicht folget: Ein ieglicher beharrlich un-
bußfertiger Suͤnder/ der in ſeiner Vnbußfertigkeit beharret biß ans Ende/
iſt ein Suͤnder in den Heiligen Geiſt; ſo folget doch im Gegentheil/ und
kan nicht anders ſeyn: Eine iegliche Suͤnde/ ſo nicht vergeben wird/ die
herrſchet in dem Suͤnder biß an ſein Ende; dann ſonſt/ wo er nicht drin-
nen verharrete biß ans Ende/ ſo wuͤrde ſie vergeben: es iſt die Beharrligkeit
ein adjunctum inſeparabile, und mag nicht von dieſer Suͤnde abgeſon-
dert und getrennet werden/ gleich wie eine iedwedere unheilſame Kranckheit
zum Tode iſt. So viel in Θέσει von der definition, was die Sůnde in
den Heiligen Geiſt
eigentlich ſeye? Jſt alles conjunctim zu verſtehen/
da kein ſtuͤck von denen erſterwehnten Gliedern/ ſo dieſe Suͤnde in ſich be-
greifft/ mangeln muß; Es iſt dieſelbe allererſchroͤcklichſte Suͤnde/
aus oberzehlten/ eine ſolche Suͤnde/ da ein Menſch/ der zuvor die
Warheit erkannt/ in ſeinem Hertzen und Gewiſſen derſelben
uͤberzeuget/ aus Vorſatz/ ohne Noth-Zwang und Furcht der
Gefahr/ dieſelbe öffentlich verlaͤugnet/ laͤſtert und ſchmähet/
und freywillig das heilige Evangelium und Predig-Ampt/
als ein Gnaden-Ampt Gottes des Heiligen Geiſtes von ſich
ſtöſſet/ von dem reinen ſeligmachenden Glauben abfaͤllet/

denſel-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0332" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Vier und Zwantzig&#x017F;te</hi></fw><lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chuld an &#x017F;olcher <hi rendition="#aq">impo&#x017F;&#x017F;ibilit</hi>a&#x0364;t/ dieweil er die Gnaden-<lb/>
Mittel &#x017F;elb&#x017F;t verachtet und mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en tritt; zum Exempel/ ein Krancker<lb/>
der mit einer unheil&#x017F;amen gifftigen Kranckheit behafftet/ kan nicht geheilet<lb/>
werden <hi rendition="#aq">potentiâ naturali,</hi> durch natu&#x0364;rliche Krafft und Vermo&#x0364;gen/ kan<lb/>
aber doch <hi rendition="#aq">obedientiali,</hi> durch u&#x0364;bernatu&#x0364;rliche Krafft/ &#x017F;o fern er nicht wider-<lb/>
&#x017F;tehet; verachtet er die&#x017F;e/ &#x017F;o kan er gar nicht <hi rendition="#aq">cur</hi>irt werden/ nicht aus<lb/>
Mangel der Artzney/ &#x017F;ondern aus eigener Boßheit/ aus eigener Schuld;<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Iohan. 9, 1.<lb/>
&#x017F;eqq.</hi></note>Der Blindgeborne Joh. 9. hat natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e nicht ko&#x0364;nnen <hi rendition="#aq">cur</hi>irt und<lb/>
&#x017F;ehend gemacht werden/ aber durch Gottes &#x017F;onderbare Gnade hat er ko&#x0364;n-<lb/>
nen &#x017F;ehend werden; ha&#x0364;tte er aber die&#x017F;e mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en getretten/ &#x017F;o ha&#x0364;tte ihm<lb/>
gar nicht ko&#x0364;nnen geholffen werden/ &#x017F;ondern were ewig blind geblieben.</p><lb/>
        <p>Folgends endlich <hi rendition="#aq">VI. finaliter per&#x017F;everantem,</hi> <hi rendition="#fr">eine verhärtete<lb/>
Su&#x0364;nde/ darinnen einer verharret biß ans Ende;</hi> der Zorn Got-<lb/>
tes bleibet u&#x0364;ber ihn/ wegen der unu&#x0364;berwindlichen Verha&#x0364;rtung/ welche nicht<lb/>
kan u&#x0364;berwunden und gebrochen werden durch den freyen Willen/ das<lb/>
ordentliche Mittel &#x017F;einer Bekehrung verwirfft er/ kein <hi rendition="#aq">extraordinarium</hi><lb/>
und u&#x0364;berordentliches Mittel i&#x017F;t ihm <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Gott</hi></hi> &#x017F;chuldig. dann ob zwar die<lb/><hi rendition="#aq">reciprocatio</hi> nicht angehet/ und nicht folget: Ein ieglicher beharrlich un-<lb/>
bußfertiger Su&#x0364;nder/ der in &#x017F;einer Vnbußfertigkeit beharret biß ans Ende/<lb/>
i&#x017F;t ein Su&#x0364;nder in den Heiligen Gei&#x017F;t; &#x017F;o folget doch im Gegentheil/ und<lb/>
kan nicht anders &#x017F;eyn: Eine iegliche Su&#x0364;nde/ &#x017F;o nicht vergeben wird/ die<lb/>
herr&#x017F;chet in dem Su&#x0364;nder biß an &#x017F;ein Ende; dann &#x017F;on&#x017F;t/ wo er nicht drin-<lb/>
nen verharrete biß ans Ende/ &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie vergeben: es i&#x017F;t die Beharrligkeit<lb/>
ein <hi rendition="#aq">adjunctum in&#x017F;eparabile,</hi> und mag nicht von die&#x017F;er Su&#x0364;nde abge&#x017F;on-<lb/>
dert und getrennet werden/ gleich wie eine iedwedere unheil&#x017F;ame Kranckheit<lb/>
zum Tode i&#x017F;t. So viel in &#x0398;&#x03AD;&#x03C3;&#x03B5;&#x03B9; von der <hi rendition="#aq">definition,</hi> <hi rendition="#fr">was die S&#x016F;nde in<lb/>
den Heiligen Gei&#x017F;t</hi> eigentlich &#x017F;eye? J&#x017F;t alles <hi rendition="#aq">conjunctim</hi> zu ver&#x017F;tehen/<lb/>
da kein &#x017F;tu&#x0364;ck von denen er&#x017F;terwehnten Gliedern/ &#x017F;o die&#x017F;e Su&#x0364;nde in &#x017F;ich be-<lb/>
greifft/ mangeln muß; <hi rendition="#fr">Es i&#x017F;t die&#x017F;elbe allerer&#x017F;chro&#x0364;cklich&#x017F;te Su&#x0364;nde/</hi><lb/>
aus oberzehlten/ <hi rendition="#fr">eine &#x017F;olche Su&#x0364;nde/ da ein Men&#x017F;ch/ der zuvor die<lb/>
Warheit erkannt/ in &#x017F;einem Hertzen und Gewi&#x017F;&#x017F;en der&#x017F;elben<lb/>
u&#x0364;berzeuget/ aus Vor&#x017F;atz/ ohne Noth-Zwang und Furcht der<lb/>
Gefahr/ die&#x017F;elbe öffentlich verla&#x0364;ugnet/ la&#x0364;&#x017F;tert und &#x017F;chmähet/<lb/>
und freywillig das heilige Evangelium und Predig-Ampt/<lb/>
als ein Gnaden-Ampt Gottes des Heiligen Gei&#x017F;tes von &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;&#x017F;&#x017F;et/ von dem reinen &#x017F;eligmachenden Glauben abfa&#x0364;llet/</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">den&#x017F;el-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0332] Die Vier und Zwantzigſte Menſch iſt ſelbſt ſchuld an ſolcher impoſſibilitaͤt/ dieweil er die Gnaden- Mittel ſelbſt verachtet und mit Fuͤſſen tritt; zum Exempel/ ein Krancker der mit einer unheilſamen gifftigen Kranckheit behafftet/ kan nicht geheilet werden potentiâ naturali, durch natuͤrliche Krafft und Vermoͤgen/ kan aber doch obedientiali, durch uͤbernatuͤrliche Krafft/ ſo fern er nicht wider- ſtehet; verachtet er dieſe/ ſo kan er gar nicht curirt werden/ nicht aus Mangel der Artzney/ ſondern aus eigener Boßheit/ aus eigener Schuld; Der Blindgeborne Joh. 9. hat natuͤrlicher Weiſe nicht koͤnnen curirt und ſehend gemacht werden/ aber durch Gottes ſonderbare Gnade hat er koͤn- nen ſehend werden; haͤtte er aber dieſe mit Fuͤſſen getretten/ ſo haͤtte ihm gar nicht koͤnnen geholffen werden/ ſondern were ewig blind geblieben. Iohan. 9, 1. ſeqq. Folgends endlich VI. finaliter perſeverantem, eine verhärtete Suͤnde/ darinnen einer verharret biß ans Ende; der Zorn Got- tes bleibet uͤber ihn/ wegen der unuͤberwindlichen Verhaͤrtung/ welche nicht kan uͤberwunden und gebrochen werden durch den freyen Willen/ das ordentliche Mittel ſeiner Bekehrung verwirfft er/ kein extraordinarium und uͤberordentliches Mittel iſt ihm Gott ſchuldig. dann ob zwar die reciprocatio nicht angehet/ und nicht folget: Ein ieglicher beharrlich un- bußfertiger Suͤnder/ der in ſeiner Vnbußfertigkeit beharret biß ans Ende/ iſt ein Suͤnder in den Heiligen Geiſt; ſo folget doch im Gegentheil/ und kan nicht anders ſeyn: Eine iegliche Suͤnde/ ſo nicht vergeben wird/ die herrſchet in dem Suͤnder biß an ſein Ende; dann ſonſt/ wo er nicht drin- nen verharrete biß ans Ende/ ſo wuͤrde ſie vergeben: es iſt die Beharrligkeit ein adjunctum inſeparabile, und mag nicht von dieſer Suͤnde abgeſon- dert und getrennet werden/ gleich wie eine iedwedere unheilſame Kranckheit zum Tode iſt. So viel in Θέσει von der definition, was die Sůnde in den Heiligen Geiſt eigentlich ſeye? Jſt alles conjunctim zu verſtehen/ da kein ſtuͤck von denen erſterwehnten Gliedern/ ſo dieſe Suͤnde in ſich be- greifft/ mangeln muß; Es iſt dieſelbe allererſchroͤcklichſte Suͤnde/ aus oberzehlten/ eine ſolche Suͤnde/ da ein Menſch/ der zuvor die Warheit erkannt/ in ſeinem Hertzen und Gewiſſen derſelben uͤberzeuget/ aus Vorſatz/ ohne Noth-Zwang und Furcht der Gefahr/ dieſelbe öffentlich verlaͤugnet/ laͤſtert und ſchmähet/ und freywillig das heilige Evangelium und Predig-Ampt/ als ein Gnaden-Ampt Gottes des Heiligen Geiſtes von ſich ſtöſſet/ von dem reinen ſeligmachenden Glauben abfaͤllet/ denſel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657/332
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus06_1657/332>, abgerufen am 29.11.2024.