Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.Eingangs- hat es mit allen Wiedergebornen/ und derselben schein-guten Wercken fürGottes Angesicht; Dem Allerhöhesten ist zuwider liebloser Glaube/ glaub- lose blinde Liebe/ ohndächtiges Gebet/ Ampts-Gaben ohne die Furcht Got- tes/ Cantzel-Comoedianterey und pralen der Gaben/ die grosse miracul der Matt. 7, 21.Wunder-Männer/ die da sagen: Herr/ Herr! und thun doch den Phil. 3, 8.Willen nicht des himmlischen Vaters. St. Paulus nennet seine vorige/ Phariseische Gesetz-Gerechtigkeit skubalon, Koth und Vnlust. Die heidnische/ unwiedergeborne Lucretia hat den Namen bey den Römern gehabt der Keuschheit/ die wiedergeborne/ Jüdische Susanna hat auch denselben Ruhm erhalten: aber jenes war ein Affen- und gebildete Keuschheit: diese war das Wesen und Leben der Keuschheit selbst. Jener Selbst-Mord kam aus Schand-Flucht und Ehr-Sucht: Were diese/ wie verdammet/ also auch hingerichtet worden/ so were es ein edele Märtyrer- Tugend gewesen. Dieses ist also die Lehre vom freyen Willen; ob und was er vermag/ Haec regia via! das ist abermal der Mittel-Weg zwischen zwey ge- ist also
Eingangs- hat es mit allen Wiedergebornen/ und derſelben ſchein-guten Wercken fuͤrGottes Angeſicht; Dem Allerhoͤheſten iſt zuwider liebloſer Glaube/ glaub- loſe blinde Liebe/ ohndaͤchtiges Gebet/ Ampts-Gaben ohne die Furcht Got- tes/ Cantzel-Comœdianterey und pralen der Gaben/ die groſſe miracul der Matt. 7, 21.Wunder-Maͤnner/ die da ſagen: Herr/ Herr! und thun doch den Phil. 3, 8.Willen nicht des himmliſchen Vaters. St. Paulus nennet ſeine vorige/ Phariſeiſche Geſetz-Gerechtigkeit σκύβαλον, Koth und Vnluſt. Die heidniſche/ unwiedergeborne Lucretia hat den Namen bey den Roͤmern gehabt der Keuſchheit/ die wiedergeborne/ Juͤdiſche Suſanna hat auch denſelben Ruhm erhalten: aber jenes war ein Affen- und gebildete Keuſchheit: dieſe war das Weſen und Leben der Keuſchheit ſelbſt. Jener Selbſt-Mord kam aus Schand-Flucht und Ehr-Sucht: Were dieſe/ wie verdammet/ alſo auch hingerichtet worden/ ſo were es ein edele Maͤrtyrer- Tugend geweſen. Dieſes iſt alſo die Lehre vom freyen Willen; ob und was er vermag/ Hæc regia via! das iſt abermal der Mittel-Weg zwiſchen zwey ge- iſt alſo
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Eingangs-
hat es mit allen Wiedergebornen/ und derſelben ſchein-guten Wercken fuͤr
Gottes Angeſicht; Dem Allerhoͤheſten iſt zuwider liebloſer Glaube/ glaub-
loſe blinde Liebe/ ohndaͤchtiges Gebet/ Ampts-Gaben ohne die Furcht Got-
tes/ Cantzel-Comœdianterey und pralen der Gaben/ die groſſe miracul der
Wunder-Maͤnner/ die da ſagen: Herr/ Herr! und thun doch den
Willen nicht des himmliſchen Vaters. St. Paulus nennet ſeine vorige/
Phariſeiſche Geſetz-Gerechtigkeit σκύβαλον, Koth und Vnluſt. Die
heidniſche/ unwiedergeborne Lucretia hat den Namen bey den Roͤmern
gehabt der Keuſchheit/ die wiedergeborne/ Juͤdiſche Suſanna hat auch
denſelben Ruhm erhalten: aber jenes war ein Affen- und gebildete
Keuſchheit: dieſe war das Weſen und Leben der Keuſchheit ſelbſt. Jener
Selbſt-Mord kam aus Schand-Flucht und Ehr-Sucht: Were dieſe/ wie
verdammet/ alſo auch hingerichtet worden/ ſo were es ein edele Maͤrtyrer-
Tugend geweſen.
Matt. 7, 21.
Phil. 3, 8.
Dieſes iſt alſo die Lehre vom freyen Willen; ob und was er vermag/
wie weit er ſich erſtrecke/ und laut demnach unſer Glaube: Jch weiß zwar/
daß ich in euſſerlichen/ weltlichen/ buͤrgerlichen/ ſittlichen/ haͤußlichen Sa-
chen/ und alſo in dem untern refier der menſchlichen Haͤndel und Ge-
ſchaͤfft einen noch uͤbrigen/ wiewol ſehr geſchwaͤchten und verfinſterten
freyen Willen/ freye Willkuͤhr/ freye Wahl habe zu thun und zu laſſen das
euſſerliche gute und boͤſe. Aber ich glaub darneben/ daß ich aus eigener
Vernunfft noch Krafft nicht glauben/ noch zu Jeſu Chriſto meinem
Herren kommen/ ſondern der Heilige Geiſt/ ꝛc.
Hæc regia via! das iſt abermal der Mittel-Weg zwiſchen zwey ge-
faͤhrlichen Jrr-Wegen/ dort des ſtoltzen/ phariſeiſchen/ paͤpſtiſchen Jrr-
wiſch/ der die Kraͤfften von freyem Willen allzuhoch erhebt/ halt zwar da-
fuͤr/ daß ohn die erleuchtende/ vorkommende/ auffweckende/ goͤttliche Gnad
der Menſch ſich ſelbſt zu bekehren/ zum Glauben und Himmelreich zu
helffen nicht vermag/ aber die Krafft in actu primo, die wohne dem Men-
ſchen noch bey/ die werde durch die auffweckende Gnad wuͤrcklich gemacht;
gleich wie der Menſch von Natur hat die Krafft und Macht etwas zu
ſehen/ ſoll er aber wuͤrcklich ſehen/ ſo gehoͤret ein Liecht dazu: Jeremias
habe zwar nicht koͤnnen aus ſeiner Gruben ſelbſt herauff ſteigen/ aber da
ihm Ebedmelech das Seil gereichet/ ſo hab er ſelbſt mitgewuͤrcket/ und ihm
heraus geholffen: Petrus im Geſaͤngnuͤs habe zwar wuͤrcklich nicht koͤn-
nen heraus gehen/ aber er hab doch die natuͤrliche Krafft behalten heraus
zu gehen/ alsbald der Engel ihn an die Seite geſchlagen/ daß er von den
Ketten loß worden/ ſo ſeye dieſelbe Krafft wuͤrcklich gemacht worden/ und
iſt alſo
Ierem. 38,
12. 13.
Act. 12, 7.
& ſeqq.
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