Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.Predigt. Toden-Meß von den Pfaffen mit kläglichem Gesang gehalten worden.Er aber/ als der bey seiner Leiche noch übrig und lebend/ sahe bey solchem angestellten/ vorgebildeten und Schein-Leich-Begängnüß der seinigen/ wahre bittere Thränen: Er hörete seinen Leich-Gesang/ darinnen ihme eine ewig felige Ruhe in jenem Leben angewündschet worden. Er gab seine Stimm auch selbst darzu/ biß er sich zu dem Meß-Pfaffen genähert/ und seine in Händen habende brennende Wachs-Kertzen demselben überge- ben/ seine Augen gen Himmel auffgehoben/ und in diefe Wort außgebro- chen: Herr Gott/ der du das Leben und Tod in deinen Händen hast/ ich ersuche dich flehendlich an/ daß gleich wie von mir der Priester diese ihm eingehändigte Kertz annimmt/ also wollestu meine in deine Hände treu anbefohlene Seele/ wann es dir gefällig ist/ in deinen Schutz und Schos väterlich auffnehmen/ worauff er in seinem schwartzen langen Trauer-Kleid auff die Erden sich einem Toden gleich gestrecket/ da dann alle Vmbstehende von neuem bitterlich zu weinen angefangen/ und ihn als einen Verstorbenen und Beygelegten schmertzlich betauret und betrauret haben. Solcher gestalt hat Carolus seinen instehenden Tod vorspielen wollen/ sintemal ihn den andern Tag darauff ein hitziges Fieber ankom- men/ darauff er auch gestorben/ den Abend vor des heiligen Evangelisten Matchaeus Tag/ als er 58. Jahr alt worden. Stehet alles zu fernerm Nachdencken. 2. Quid? Was soll man loben? Die Welt lobet das rum, M m m 3
Predigt. Toden-Meß von den Pfaffen mit klaͤglichem Geſang gehalten worden.Er aber/ als der bey ſeiner Leiche noch uͤbrig und lebend/ ſahe bey ſolchem angeſtellten/ vorgebildeten und Schein-Leich-Begaͤngnuͤß der ſeinigen/ wahre bittere Thraͤnen: Er hoͤrete ſeinen Leich-Geſang/ darinnen ihme eine ewig felige Ruhe in jenem Leben angewuͤndſchet worden. Er gab ſeine Stimm auch ſelbſt darzu/ biß er ſich zu dem Meß-Pfaffen genaͤhert/ und ſeine in Haͤnden habende brennende Wachs-Kertzen demſelben uͤberge- ben/ ſeine Augen gen Himmel auffgehoben/ und in diefe Wort außgebro- chen: Herr Gott/ der du das Leben und Tod in deinen Haͤnden haſt/ ich erſuche dich flehendlich an/ daß gleich wie von mir der Prieſter dieſe ihm eingehaͤndigte Kertz annimmt/ alſo wolleſtu meine in deine Haͤnde treu anbefohlene Seele/ wann es dir gefaͤllig iſt/ in deinen Schutz und Schos vaͤterlich auffnehmen/ worauff er in ſeinem ſchwartzen langen Trauer-Kleid auff die Erden ſich einem Toden gleich geſtrecket/ da dann alle Vmbſtehende von neuem bitterlich zu weinen angefangen/ und ihn als einen Verſtorbenen und Beygelegten ſchmertzlich betauret und betrauret haben. Solcher geſtalt hat Carolus ſeinen inſtehenden Tod vorſpielen wollen/ ſintemal ihn den andern Tag darauff ein hitziges Fieber ankom- men/ darauff er auch geſtorben/ den Abend vor des heiligen Evangeliſten Matchæus Tag/ als er 58. Jahr alt worden. Stehet alles zu fernerm Nachdencken. 2. Quid? Was ſoll man loben? Die Welt lobet das rum, M m m 3
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Predigt.
Toden-Meß von den Pfaffen mit klaͤglichem Geſang gehalten worden.
Er aber/ als der bey ſeiner Leiche noch uͤbrig und lebend/ ſahe bey ſolchem
angeſtellten/ vorgebildeten und Schein-Leich-Begaͤngnuͤß der ſeinigen/
wahre bittere Thraͤnen: Er hoͤrete ſeinen Leich-Geſang/ darinnen ihme
eine ewig felige Ruhe in jenem Leben angewuͤndſchet worden. Er gab ſeine
Stimm auch ſelbſt darzu/ biß er ſich zu dem Meß-Pfaffen genaͤhert/ und
ſeine in Haͤnden habende brennende Wachs-Kertzen demſelben uͤberge-
ben/ ſeine Augen gen Himmel auffgehoben/ und in diefe Wort außgebro-
chen: Herr Gott/ der du das Leben und Tod in deinen Haͤnden
haſt/ ich erſuche dich flehendlich an/ daß gleich wie von mir der Prieſter dieſe
ihm eingehaͤndigte Kertz annimmt/ alſo wolleſtu meine in deine Haͤnde
treu anbefohlene Seele/ wann es dir gefaͤllig iſt/ in deinen Schutz und
Schos vaͤterlich auffnehmen/ worauff er in ſeinem ſchwartzen langen
Trauer-Kleid auff die Erden ſich einem Toden gleich geſtrecket/ da dann alle
Vmbſtehende von neuem bitterlich zu weinen angefangen/ und ihn als
einen Verſtorbenen und Beygelegten ſchmertzlich betauret und betrauret
haben. Solcher geſtalt hat Carolus ſeinen inſtehenden Tod vorſpielen
wollen/ ſintemal ihn den andern Tag darauff ein hitziges Fieber ankom-
men/ darauff er auch geſtorben/ den Abend vor des heiligen Evangeliſten
Matchæus Tag/ als er 58. Jahr alt worden. Stehet alles zu fernerm
Nachdencken.
2. Quid? Was ſoll man loben? Die Welt lobet das
ihrige/ ihre admiranda, daran ſie ſich vergafft/ und darff wol einer einem
groſſen Herrn/ der ein Ehebrecher geweſt/ ſeine Laſter verrucas nennen/
Wartzen an einem ſchoͤnen Leibe; das ſoll hie nicht ſeyn/ ſondern man ſoll
loben fuͤrnemlich die heiligmachende/ beygelegte Ampts-Gaben/
ſo fern dieſelbe zu Gottes Ehr und des Naͤchſten beſten wohl ſind angewen-
des worden/ zuvorderſt aber den Vater des Liechts/ von welchem alle ſolche
gute Gaben her entſproſſen/ Simeoniſchen Glauben/ Gottesfurcht/ Ge-
rechtigkeit. 3. Quando? Wann und zu welcher Zeit? das
lehret der weiſe Heyde Solon/ ultima ſemper expectanda dies,
ſagt er/ man ſoll warten biß ans Ende; Lucas parentirt allererſt
nach dem Tode Simeonis. Peſcenninus Niger der edle Roͤmer ſagte
vorzeiten: Scribe laudes Marii vel Hannibalis; vivos laudare irriſio eſt:
ego vivus placere, mortuus laudari volo; Setze dem Mario oder dem
Hannibal ſein Lob auff; die Lebendigen loben iſt eine Verhoͤhnung: Jch
begehre im Leben den Menſchen zu gefallen/ im Tode aber gelobet zu wer-
den. Jſt demnach nicht recht die προσωποϑαυμασια, ἀποθέωσις vivo-
rum,
Iac. 1, 17.
M m m 3
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