Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus-Milch. Bd. 6. Straßburg, 1657.Predigt. als Mensch werden/ wie davon die sinnreichen Poeten gedichtet: so gar istes ein Elend umb das menschliche Leben/ wer es auff dem Wege desert fin- den und auffheben könte/ der solte es wohl ligen lassen/ wann er wissen solte alle das Vnglück/ so denselben anklebet. Das menschliche Leben ist ein elendes Leben durch alle Stände/ von Christen-Leben ist unter allen das elendeste Leben. Zwar Welt-1. Cor. 15, Es F f f f 3
Predigt. als Menſch werden/ wie davon die ſinnreichen Poeten gedichtet: ſo gar iſtes ein Elend umb das menſchliche Leben/ wer es auff dem Wege deſert fin- den und auffheben koͤnte/ der ſolte es wohl ligen laſſen/ wann er wiſſen ſolte alle das Vngluͤck/ ſo denſelben anklebet. Das menſchliche Leben iſt ein elendes Leben durch alle Staͤnde/ von Chriſten-Leben iſt unter allen das elendeſte Leben. Zwar Welt-1. Cor. 15, Es F f f f 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0629" n="597"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Predigt.</hi></fw><lb/> als Menſch werden/ wie davon die ſinnreichen Poeten gedichtet: ſo gar iſt<lb/> es ein Elend umb das menſchliche Leben/ wer es auff dem Wege <hi rendition="#aq">deſert</hi> fin-<lb/> den und auffheben koͤnte/ der ſolte es wohl ligen laſſen/ wann er wiſſen ſolte<lb/> alle das Vngluͤck/ ſo denſelben anklebet.</p><lb/> <p>Das menſchliche Leben iſt ein elendes Leben durch alle Staͤnde/ von<lb/> welchem zeuget der Eckel und Verdruß eines ieglichen in ſeinem Stande/<lb/> daß keinem ſein Stand gut genug; immer dencket einer/ Jener Stand<lb/> iſt beſſer; Ach daß ich ein Fuͤrſt/ ein Graf ꝛc. ein <hi rendition="#aq">Doctor,</hi> ein Pfarrherr ꝛo.<lb/> waͤre worden/ ſo gieng es mir beſſer. Die Magd waͤre gern Frau/ die<lb/> Frau die Magd/ ſo doͤrffte ſie nicht ſorgen; Der Handwercksmann waͤre<lb/> gern ein Gelaͤhrter/ alſo gar aͤngſtigen wir uns mit dem Verdruß unſers<lb/> Standes. Auff einmuͤthiges zuſtimmen der Gelaͤhrten iſt der Bauren-<lb/> Stand/ das Bauer-Leben fuͤr das ſicherſte und ruhigſte Leben gehalten<lb/> worden/ ſo gar/ daß <hi rendition="#aq">Diocletianus</hi> ſeinen Scepter mit dem Karſt außge-<lb/> tauſchet/ und ſeinen Meyer-Hof und Land-Gut in die zehen Jahr mit<lb/> eigener Hand gebauet. Den Gelaͤhrten iſt bekant der Verß des <hi rendition="#aq">Virgilii:</hi><lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">O fortunatos ſua ſi bona noſſent!</hi></hi><lb/> Wie gluͤckſeelige Leute ſind die Bauers-Leute/ wann ſie es nur glauben<lb/> wolten! Aber ein ungluͤckſeeliges Leben! wegen der unerhoͤrten Schin-<lb/> derey und <hi rendition="#aq">contribution,</hi> wegen der Raͤuberey/ ſonderlich in Kriegslaͤuff-<lb/> ten/ da ſie keine Nacht ſicher ſchlaffen.</p><lb/> <p>Chriſten-Leben iſt unter allen das elendeſte Leben. Zwar Welt-<note place="right">1. <hi rendition="#aq">Cor.</hi> 15,<lb/> 19.</note><lb/> Kinder nehmens alles auff die leichte Achſel/ lacht ſie das Gluͤck ein wenig<lb/> an/ ſo nehmen ſie dieſes Leben fuͤr ewig an/ es gibt wohl ſolche Thoren/ die<lb/> lieber ihr gantzes Leben in Schmertzen und Wehtagen zubringen/ wann<lb/> ſie nur des zeitlichen Lebens lange genieſſen moͤchten. <hi rendition="#aq">Mecœnas</hi> des<lb/> Kaͤyſers <hi rendition="#aq">Auguſti</hi> Rath und Freund pflegte zu fagen: <hi rendition="#aq">Debilem facito<lb/> manu, debilem pede, coxâ: vita dum ſupereſt bene eſt: hanc mihi vel<lb/> acutâ ſi ſedeam cruce, ſuſtine: confer Senec. ep.</hi> 101. Aber Chriſten<lb/> nehmen ihrer Schantze beſſer wahr/ fuͤrchten ſich fuͤr <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Gott</hi></hi> und ſeinem<lb/> Zorn/ ie zaͤrter das Gewiſſen/ ie groͤſſer die Furcht: Jnwendig Anfechtung/<lb/> Schroͤcken/ Suͤndenmahl; Außwendig Creutz die Menge. <hi rendition="#aq">Ego Abel<lb/> eſſe non ſuſpicor, qui non habuerit Cain,</hi> ſagt <hi rendition="#aq">Gregorius M.</hi> Jch halte<note place="right"><hi rendition="#aq">Greg. M.<lb/> l. 9. regiſtr.<lb/> ep.</hi> 39.</note><lb/> den fuͤr keinen frommen Abel/ der nicht einen boͤſen Cain gehabt. Der<lb/> Chriſten Leben iſt das Ziel und die Scheibe/ nach welcher der Sathan alle<lb/> ſeine Pfeile außſchieſſet; dannenhero hat man ſich nicht ſo hoch zu ver-<lb/> wundern uͤber die Seuffzer und Wuͤndſche der Frommen/ des Eli<hi rendition="#aq">æ<lb/> 1. Reg.</hi> 19. der iſt dieſes Lebens ſo muͤde/ als haͤtte ers mit Loͤfflen geſſen;<note place="right">1. <hi rendition="#aq">Reg.</hi> 19,<lb/> 4.</note><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">F f f f</hi> 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Es</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [597/0629]
Predigt.
als Menſch werden/ wie davon die ſinnreichen Poeten gedichtet: ſo gar iſt
es ein Elend umb das menſchliche Leben/ wer es auff dem Wege deſert fin-
den und auffheben koͤnte/ der ſolte es wohl ligen laſſen/ wann er wiſſen ſolte
alle das Vngluͤck/ ſo denſelben anklebet.
Das menſchliche Leben iſt ein elendes Leben durch alle Staͤnde/ von
welchem zeuget der Eckel und Verdruß eines ieglichen in ſeinem Stande/
daß keinem ſein Stand gut genug; immer dencket einer/ Jener Stand
iſt beſſer; Ach daß ich ein Fuͤrſt/ ein Graf ꝛc. ein Doctor, ein Pfarrherr ꝛo.
waͤre worden/ ſo gieng es mir beſſer. Die Magd waͤre gern Frau/ die
Frau die Magd/ ſo doͤrffte ſie nicht ſorgen; Der Handwercksmann waͤre
gern ein Gelaͤhrter/ alſo gar aͤngſtigen wir uns mit dem Verdruß unſers
Standes. Auff einmuͤthiges zuſtimmen der Gelaͤhrten iſt der Bauren-
Stand/ das Bauer-Leben fuͤr das ſicherſte und ruhigſte Leben gehalten
worden/ ſo gar/ daß Diocletianus ſeinen Scepter mit dem Karſt außge-
tauſchet/ und ſeinen Meyer-Hof und Land-Gut in die zehen Jahr mit
eigener Hand gebauet. Den Gelaͤhrten iſt bekant der Verß des Virgilii:
O fortunatos ſua ſi bona noſſent!
Wie gluͤckſeelige Leute ſind die Bauers-Leute/ wann ſie es nur glauben
wolten! Aber ein ungluͤckſeeliges Leben! wegen der unerhoͤrten Schin-
derey und contribution, wegen der Raͤuberey/ ſonderlich in Kriegslaͤuff-
ten/ da ſie keine Nacht ſicher ſchlaffen.
Chriſten-Leben iſt unter allen das elendeſte Leben. Zwar Welt-
Kinder nehmens alles auff die leichte Achſel/ lacht ſie das Gluͤck ein wenig
an/ ſo nehmen ſie dieſes Leben fuͤr ewig an/ es gibt wohl ſolche Thoren/ die
lieber ihr gantzes Leben in Schmertzen und Wehtagen zubringen/ wann
ſie nur des zeitlichen Lebens lange genieſſen moͤchten. Mecœnas des
Kaͤyſers Auguſti Rath und Freund pflegte zu fagen: Debilem facito
manu, debilem pede, coxâ: vita dum ſupereſt bene eſt: hanc mihi vel
acutâ ſi ſedeam cruce, ſuſtine: confer Senec. ep. 101. Aber Chriſten
nehmen ihrer Schantze beſſer wahr/ fuͤrchten ſich fuͤr Gott und ſeinem
Zorn/ ie zaͤrter das Gewiſſen/ ie groͤſſer die Furcht: Jnwendig Anfechtung/
Schroͤcken/ Suͤndenmahl; Außwendig Creutz die Menge. Ego Abel
eſſe non ſuſpicor, qui non habuerit Cain, ſagt Gregorius M. Jch halte
den fuͤr keinen frommen Abel/ der nicht einen boͤſen Cain gehabt. Der
Chriſten Leben iſt das Ziel und die Scheibe/ nach welcher der Sathan alle
ſeine Pfeile außſchieſſet; dannenhero hat man ſich nicht ſo hoch zu ver-
wundern uͤber die Seuffzer und Wuͤndſche der Frommen/ des Eliæ
1. Reg. 19. der iſt dieſes Lebens ſo muͤde/ als haͤtte ers mit Loͤfflen geſſen;
Es
1. Cor. 15,
19.
Greg. M.
l. 9. regiſtr.
ep. 39.
1. Reg. 19,
4.
F f f f 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |