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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Vom verlohrnen Sohn.
Sohn GOttes auß l. 2. qq. Evang. c. 33. Quid est super collum ejus ca-
dere? nisi inclinare & humiliare in amplexum ejus brach[i]um suum, &
brachium Domini, cui revelatum est? Quod est utique Dominus nolter
Jesus Christus.
Was ist um den Hals fallen? als neigen und bück-
en seinen Arme ihn zu umfahen? und wem ist der Arm des
HErrn so offenbahret? das ist unser Heyland JEsus Chri-
stus. Wir haben aber droben angezeiget/ warum man nicht viel scrupo-
lieren soll; Wir lassens dabey verbleiben/ daß es eine Anzeigung grosser
brennender Liebe und Barmhertzigkeit seye/ und damit gesehen werde auff
die Göttliche sugkata[fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt]asin, wie GOtt so nahe sich zu uns gethan/ wie noth
es Jhm nach uns gewesen/ als wolte ihm sein Göttlichs Wesen darüber
zerrinnen. Also lassen wirs auch dahin gestellet seyn/ was

V. Andere von dem osculo und Kuß für Gedancken haben/ wann
es heisset: und küssete ihn. So nun durch den Arm der Sohne Gottes
verstanden wird/ mag auch durch den Kuß des Vaters der Heil. Geist ver-
standen werden; Qui enim se osculantur, non sunt libatione labiorum
contenti, sed spiritum suum sibi invicem videntur infundere, Ambros.
l. de Isaac. c.
3. Welche sich küssen/ seind mit Berührung der Lip-
pen nicht zu frieden/ sondern es scheinet/ als wolten sie einander
die Seelen mittheilen. Jns gemein aber verstehen wirs de osculo
pacis,
von dem Friedens-Kuß/ mit welchem er seinem Sohn Frieden zu-
sagte/ und bezeugete/ daß alles/ so vorgegangen/ todt und ab seyn/ und des-
selben nimmer gedacht werden solte. Gleich wie Esau/ da ihm sein Bruder
Jacob begegnet/ ihm entgegen geloffen/ und ihn gehertzet/ um den Hals
gefallen/ und ihn geküsset/ Genes. 33, 4. Gleich wie Joseph seinem Bru-
der Benjamin und den übrigen um den Hals gefallen/ und sie geküsset.
Gen. 45, 14. Oder wie David seinen Absolon/ da er wieder für ihn gekom-
men/ geküsset hat/ 2. Sam. 14, 33. Alles zu Bezeugung hertzlicher Liebe
und Ablegung aller Feindschafft. Wie nun ein Kuß ein Zeug/ ja Grund/
der Liebe/ also haben wir uns auch alle zu unserm lieben GOtt nicht anders
zu versehen/ als zu unserm besten Freund/ das hat Er bezeuget mit dem
Kuß seines lieblichen und honig-süssen Evangelii/ mit dem Wort der Ver-
söhnung/ und des Friedens mit GOtt/ davon der weise Salomo sein Lied
anstimmet/ und sagt: Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes/
mit dem heiligen Kuß seiner Evangelischen Zusage/ da Er uns den Frie-
den versprochen/ und auch würcklich verkündigen lassen.

Also haben wir nun hier den besten Kern dieser Parabel/ die eygentli-
che Abbildung und Contrafeit der Barmhertzigkeit GOttes. An diesem

Gemähld
Zehender Theil. Q

Vom verlohrnen Sohn.
Sohn GOttes auß l. 2. qq. Evang. c. 33. Quid eſt ſuper collum ejus ca-
dere? niſi inclinare & humiliare in amplexum ejus brach[i]um ſuum, &
brachium Domini, cui revelatum eſt? Quod eſt utique Dominus nolter
Jeſus Chriſtus.
Was iſt um den Hals fallen? als neigen und buͤck-
en ſeinen Arme ihn zu umfahen? und wem iſt der Arm des
HErꝛn ſo offenbahret? das iſt unſer Heyland JEſus Chri-
ſtus. Wir haben aber droben angezeiget/ warum man nicht viel ſcrupo-
lieren ſoll; Wir laſſens dabey verbleiben/ daß es eine Anzeigung groſſer
brennender Liebe und Barmhertzigkeit ſeye/ und damit geſehen werde auff
die Goͤttliche συγκατά[fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt]ασιν, wie GOtt ſo nahe ſich zu uns gethan/ wie noth
es Jhm nach uns geweſen/ als wolte ihm ſein Goͤttlichs Weſen daruͤber
zerrinnen. Alſo laſſen wirs auch dahin geſtellet ſeyn/ was

V. Andere von dem oſculo und Kuß fuͤr Gedancken haben/ wann
es heiſſet: und kuͤſſete ihn. So nun durch den Arm der Sohne Gottes
verſtanden wird/ mag auch durch den Kuß des Vaters der Heil. Geiſt ver-
ſtanden werden; Qui enim ſe oſculantur, non ſunt libatione labiorum
contenti, ſed ſpiritum ſuum ſibi invicem videntur infundere, Ambroſ.
l. de Iſaac. c.
3. Welche ſich kuͤſſen/ ſeind mit Beruͤhrung der Lip-
pen nicht zu frieden/ ſondern es ſcheinet/ als wolten ſie einander
die Seelen mittheilen. Jns gemein aber verſtehen wirs de oſculo
pacis,
von dem Friedens-Kuß/ mit welchem er ſeinem Sohn Frieden zu-
ſagte/ und bezeugete/ daß alles/ ſo vorgegangen/ todt und ab ſeyn/ und deſ-
ſelben nimmer gedacht werden ſolte. Gleich wie Eſau/ da ihm ſein Bruder
Jacob begegnet/ ihm entgegen geloffen/ und ihn gehertzet/ um den Hals
gefallen/ und ihn gekuͤſſet/ Geneſ. 33, 4. Gleich wie Joſeph ſeinem Bru-
der Benjamin und den uͤbrigen um den Hals gefallen/ und ſie gekuͤſſet.
Gen. 45, 14. Oder wie David ſeinen Abſolon/ da er wieder fuͤr ihn gekom-
men/ gekuͤſſet hat/ 2. Sam. 14, 33. Alles zu Bezeugung hertzlicher Liebe
und Ablegung aller Feindſchafft. Wie nun ein Kuß ein Zeug/ ja Grund/
der Liebe/ alſo haben wir uns auch alle zu unſerm lieben GOtt nicht anders
zu verſehen/ als zu unſerm beſten Freund/ das hat Er bezeuget mit dem
Kuß ſeines lieblichen und honig-ſuͤſſen Evangelii/ mit dem Wort der Ver-
ſoͤhnung/ und des Friedens mit GOtt/ davon der weiſe Salomo ſein Lied
anſtim̃et/ und ſagt: Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes/
mit dem heiligen Kuß ſeiner Evangeliſchen Zuſage/ da Er uns den Frie-
den verſprochen/ und auch wuͤrcklich verkuͤndigen laſſen.

Alſo haben wir nun hier den beſten Kern dieſer Parabel/ die eygentli-
che Abbildung und Contrafeit der Barmhertzigkeit GOttes. An dieſem

Gemaͤhld
Zehender Theil. Q
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[121/0139] Vom verlohrnen Sohn. Sohn GOttes auß l. 2. qq. Evang. c. 33. Quid eſt ſuper collum ejus ca- dere? niſi inclinare & humiliare in amplexum ejus brachium ſuum, & brachium Domini, cui revelatum eſt? Quod eſt utique Dominus nolter Jeſus Chriſtus. Was iſt um den Hals fallen? als neigen und buͤck- en ſeinen Arme ihn zu umfahen? und wem iſt der Arm des HErꝛn ſo offenbahret? das iſt unſer Heyland JEſus Chri- ſtus. Wir haben aber droben angezeiget/ warum man nicht viel ſcrupo- lieren ſoll; Wir laſſens dabey verbleiben/ daß es eine Anzeigung groſſer brennender Liebe und Barmhertzigkeit ſeye/ und damit geſehen werde auff die Goͤttliche συγκατά_ ασιν, wie GOtt ſo nahe ſich zu uns gethan/ wie noth es Jhm nach uns geweſen/ als wolte ihm ſein Goͤttlichs Weſen daruͤber zerrinnen. Alſo laſſen wirs auch dahin geſtellet ſeyn/ was V. Andere von dem oſculo und Kuß fuͤr Gedancken haben/ wann es heiſſet: und kuͤſſete ihn. So nun durch den Arm der Sohne Gottes verſtanden wird/ mag auch durch den Kuß des Vaters der Heil. Geiſt ver- ſtanden werden; Qui enim ſe oſculantur, non ſunt libatione labiorum contenti, ſed ſpiritum ſuum ſibi invicem videntur infundere, Ambroſ. l. de Iſaac. c. 3. Welche ſich kuͤſſen/ ſeind mit Beruͤhrung der Lip- pen nicht zu frieden/ ſondern es ſcheinet/ als wolten ſie einander die Seelen mittheilen. Jns gemein aber verſtehen wirs de oſculo pacis, von dem Friedens-Kuß/ mit welchem er ſeinem Sohn Frieden zu- ſagte/ und bezeugete/ daß alles/ ſo vorgegangen/ todt und ab ſeyn/ und deſ- ſelben nimmer gedacht werden ſolte. Gleich wie Eſau/ da ihm ſein Bruder Jacob begegnet/ ihm entgegen geloffen/ und ihn gehertzet/ um den Hals gefallen/ und ihn gekuͤſſet/ Geneſ. 33, 4. Gleich wie Joſeph ſeinem Bru- der Benjamin und den uͤbrigen um den Hals gefallen/ und ſie gekuͤſſet. Gen. 45, 14. Oder wie David ſeinen Abſolon/ da er wieder fuͤr ihn gekom- men/ gekuͤſſet hat/ 2. Sam. 14, 33. Alles zu Bezeugung hertzlicher Liebe und Ablegung aller Feindſchafft. Wie nun ein Kuß ein Zeug/ ja Grund/ der Liebe/ alſo haben wir uns auch alle zu unſerm lieben GOtt nicht anders zu verſehen/ als zu unſerm beſten Freund/ das hat Er bezeuget mit dem Kuß ſeines lieblichen und honig-ſuͤſſen Evangelii/ mit dem Wort der Ver- ſoͤhnung/ und des Friedens mit GOtt/ davon der weiſe Salomo ſein Lied anſtim̃et/ und ſagt: Er kuͤſſe mich mit dem Kuß ſeines Mundes/ mit dem heiligen Kuß ſeiner Evangeliſchen Zuſage/ da Er uns den Frie- den verſprochen/ und auch wuͤrcklich verkuͤndigen laſſen. Alſo haben wir nun hier den beſten Kern dieſer Parabel/ die eygentli- che Abbildung und Contrafeit der Barmhertzigkeit GOttes. An dieſem Gemaͤhld Zehender Theil. Q

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/139>, abgerufen am 24.11.2024.