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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Vom verlohrnen Sohn.
der Seelen. Jn dem Fall und Sünden-Stand ist es worden Nota-
rius cordis,
ein Hertzens-Schreiber und Auffmercker/ der trefflich
gut Protocoll hält. Nach dem Sünden-Fall macht es bleiche Nasen/
und rothe Backen/ ist ein brennende Fackel/ Geisel und scharffe Ruth/
es wütet wie furjen/ deren Haupt an statt des Haars mit Schlangen um-
geben. Die Poeten haben ein solches böses Gewissen Titii im Hertzen
schön verglichen/ wann sie fürgegeben; es habe ein Geyer in ihm gewoh-
net/ der immer mit seinem ungeheuren Schnabel an ihm genagt/ und hab
ihm das Hertz doch nicht abnagen können/ sondern seye immer wieder ge-
wachsen.

Wie dann die jenige Gleichnuß/ die Bernhardus geführet/ vor allen
sehr schön und anmuthig/ wann er in einer sonderbaren meditation de do-
mo interiori,
das Gewissen ein inneres Hauß nennet/ und sagt: Sicut
corpus nostrum tabernaculum nostrum, in quo militamus, sic consci-
entia nostra domus, in qua post militiam acquiescimus. Idcirco quia
domus illa in brevi est casura, alia nobis est aedificanda, quae & domus
perpetua est, inseparabilis vel gloria, vel confufio. Redeamus igitur
ad nos, & discutiamus conscientiam nostram.
Wie unser Leib eine
Zelt ist/ in welcher wir kriegen/ also ist unser Gewissen das
Hauß/ in welchem wir nach dem Krieg ruhen. Deßwegen
weil jenes Hauß kurtz währet/ und bald zufället/ sollen wir uns
ein anders bauen/ welches ewig ist; dergleichen von ungetrenn-
ter Ehre oder Schand ist. Lasset uns demnach wieder in uns
selbst kehren/ und unser Gewissen prüffen. Es ist ja freylich das
menschliche Gewissen ein rechtes inneres Hauß/ und ist die Gleichnuß ge-
nommen 1. a domo vulgari, von einem gemeinen Hauß/ ein manches
Hauß sihet von aussen schön/ herrlich/ magnific, inwendig aber ist es faul/
wurmstichig/ caduc, halb eingefallen/ alt/ außwendig ein getünchtes Grab/
inwendig voll Todtenbein; im gegentheil hat manches Hauß von aussen
ein schlecht Ansehen/ inwendig aber ist es wol verwahret; Also scheinet ein
mancher Mensch von aussen der allerfrömste/ der sein Lebtag kein Wasser
betrübet/ darff sich auch wol kühner weise dafür außgeben/ und die Leute
bereden/ wie man ihn von aussen befindet/ so seye und meyne er es auch
im Hertzen/ aber er ist doch ein Schalck in der Haut/ hat ein brandmäliges/
böses und beissendes Gewissen; das nimmer ruhet: Jm gegentheil muß
ein mancher in foro exteriori politico, nach dem äusserlichen Schein
unrecht haben/ und ein Sünder seyn/ dem man aber Gewalt und unrecht
thut/ wie die Exempel der H. Märtyrer solches außweisen. 2. a domo

sacra
H iij

Vom verlohrnen Sohn.
der Seelen. Jn dem Fall und Suͤnden-Stand iſt es worden Nota-
rius cordis,
ein Hertzens-Schreiber und Auffmercker/ der trefflich
gut Protocoll haͤlt. Nach dem Suͤnden-Fall macht es bleiche Naſen/
und rothe Backen/ iſt ein brennende Fackel/ Geiſel und ſcharffe Ruth/
es wuͤtet wie furjen/ deren Haupt an ſtatt des Haars mit Schlangen um-
geben. Die Poeten haben ein ſolches boͤſes Gewiſſen Titii im Hertzen
ſchoͤn verglichen/ wann ſie fuͤrgegeben; es habe ein Geyer in ihm gewoh-
net/ der immer mit ſeinem ungeheuren Schnabel an ihm genagt/ und hab
ihm das Hertz doch nicht abnagen koͤnnen/ ſondern ſeye immer wieder ge-
wachſen.

Wie dann die jenige Gleichnuß/ die Bernhardus gefuͤhret/ vor allen
ſehr ſchoͤn und anmuthig/ wann er in einer ſonderbaren meditation de do-
mo interiori,
das Gewiſſen ein inneres Hauß nennet/ und ſagt: Sicut
corpus noſtrum tabernaculum noſtrum, in quo militamus, ſic conſci-
entia noſtra domus, in qua poſt militiam acquieſcimus. Idcirco quia
domus illa in brevi eſt caſura, alia nobis eſt ædificanda, quæ & domus
perpetua eſt, inſeparabilis vel gloria, vel confufio. Redeamus igitur
ad nos, & diſcutiamus conſcientiam noſtram.
Wie unſer Leib eine
Zelt iſt/ in welcher wir kriegen/ alſo iſt unſer Gewiſſen das
Hauß/ in welchem wir nach dem Krieg ruhen. Deßwegen
weil jenes Hauß kurtz waͤhret/ und bald zufaͤllet/ ſollen wir uns
ein anders bauen/ welches ewig iſt; dergleichen von ungetrenn-
ter Ehre oder Schand iſt. Laſſet uns demnach wieder in uns
ſelbſt kehren/ und unſer Gewiſſen pruͤffen. Es iſt ja freylich das
menſchliche Gewiſſen ein rechtes inneres Hauß/ und iſt die Gleichnuß ge-
nommen 1. à domo vulgari, von einem gemeinen Hauß/ ein manches
Hauß ſihet von auſſen ſchoͤn/ herꝛlich/ magnific, inwendig aber iſt es faul/
wurmſtichig/ caduc, halb eingefallen/ alt/ außwendig ein getuͤnchtes Grab/
inwendig voll Todtenbein; im gegentheil hat manches Hauß von auſſen
ein ſchlecht Anſehen/ inwendig aber iſt es wol verwahret; Alſo ſcheinet ein
mancher Menſch von auſſen der allerfroͤmſte/ der ſein Lebtag kein Waſſer
betruͤbet/ darff ſich auch wol kuͤhner weiſe dafuͤr außgeben/ und die Leute
bereden/ wie man ihn von auſſen befindet/ ſo ſeye und meyne er es auch
im Hertzen/ aber er iſt doch ein Schalck in der Haut/ hat ein brandmaͤliges/
boͤſes und beiſſendes Gewiſſen; das nimmer ruhet: Jm gegentheil muß
ein mancher in foro exteriori politico, nach dem aͤuſſerlichen Schein
unrecht haben/ und ein Suͤnder ſeyn/ dem man aber Gewalt und unrecht
thut/ wie die Exempel der H. Maͤrtyrer ſolches außweiſen. 2. à domo

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[61/0079] Vom verlohrnen Sohn. der Seelen. Jn dem Fall und Suͤnden-Stand iſt es worden Nota- rius cordis, ein Hertzens-Schreiber und Auffmercker/ der trefflich gut Protocoll haͤlt. Nach dem Suͤnden-Fall macht es bleiche Naſen/ und rothe Backen/ iſt ein brennende Fackel/ Geiſel und ſcharffe Ruth/ es wuͤtet wie furjen/ deren Haupt an ſtatt des Haars mit Schlangen um- geben. Die Poeten haben ein ſolches boͤſes Gewiſſen Titii im Hertzen ſchoͤn verglichen/ wann ſie fuͤrgegeben; es habe ein Geyer in ihm gewoh- net/ der immer mit ſeinem ungeheuren Schnabel an ihm genagt/ und hab ihm das Hertz doch nicht abnagen koͤnnen/ ſondern ſeye immer wieder ge- wachſen. Wie dann die jenige Gleichnuß/ die Bernhardus gefuͤhret/ vor allen ſehr ſchoͤn und anmuthig/ wann er in einer ſonderbaren meditation de do- mo interiori, das Gewiſſen ein inneres Hauß nennet/ und ſagt: Sicut corpus noſtrum tabernaculum noſtrum, in quo militamus, ſic conſci- entia noſtra domus, in qua poſt militiam acquieſcimus. Idcirco quia domus illa in brevi eſt caſura, alia nobis eſt ædificanda, quæ & domus perpetua eſt, inſeparabilis vel gloria, vel confufio. Redeamus igitur ad nos, & diſcutiamus conſcientiam noſtram. Wie unſer Leib eine Zelt iſt/ in welcher wir kriegen/ alſo iſt unſer Gewiſſen das Hauß/ in welchem wir nach dem Krieg ruhen. Deßwegen weil jenes Hauß kurtz waͤhret/ und bald zufaͤllet/ ſollen wir uns ein anders bauen/ welches ewig iſt; dergleichen von ungetrenn- ter Ehre oder Schand iſt. Laſſet uns demnach wieder in uns ſelbſt kehren/ und unſer Gewiſſen pruͤffen. Es iſt ja freylich das menſchliche Gewiſſen ein rechtes inneres Hauß/ und iſt die Gleichnuß ge- nommen 1. à domo vulgari, von einem gemeinen Hauß/ ein manches Hauß ſihet von auſſen ſchoͤn/ herꝛlich/ magnific, inwendig aber iſt es faul/ wurmſtichig/ caduc, halb eingefallen/ alt/ außwendig ein getuͤnchtes Grab/ inwendig voll Todtenbein; im gegentheil hat manches Hauß von auſſen ein ſchlecht Anſehen/ inwendig aber iſt es wol verwahret; Alſo ſcheinet ein mancher Menſch von auſſen der allerfroͤmſte/ der ſein Lebtag kein Waſſer betruͤbet/ darff ſich auch wol kuͤhner weiſe dafuͤr außgeben/ und die Leute bereden/ wie man ihn von auſſen befindet/ ſo ſeye und meyne er es auch im Hertzen/ aber er iſt doch ein Schalck in der Haut/ hat ein brandmaͤliges/ boͤſes und beiſſendes Gewiſſen; das nimmer ruhet: Jm gegentheil muß ein mancher in foro exteriori politico, nach dem aͤuſſerlichen Schein unrecht haben/ und ein Suͤnder ſeyn/ dem man aber Gewalt und unrecht thut/ wie die Exempel der H. Maͤrtyrer ſolches außweiſen. 2. à domo ſacra H iij

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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/79>, abgerufen am 15.05.2024.