Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.Die Neunte Predigt und meinem Vater hat die Natur gemacht/ das kan nicht so leicht-lich auff gehaben werden/ andere Freunde mag er beurlauben/ ich aber bin sein Fleisch und Blut/ sein necessarius, er wird ja mich nicht hassen oder heissen fortgehen. 2. Gründet er sich auff paternam sorgen, des Va- ters natürliche Liebe/ ich wil sagen/ Vater/ damit wil ich ihm das Hertz rühren/ und die Liebes-Füncklein auffblasen/ das Schwartz in der Scheiben treffen. Es sihet der verlohrne Sohn 1. auff die natürliche sumpatheian, des Geblüts/ wie sich das Vater-Hertz nicht kan vrrläug- nen; solte ein Vater sein Kind im Feur sehen/ oder in Wassers-Noth/ und ihm nicht helffen? das ist nicht glaublich/ er wagt das Leben für es/ darnach auff die Exempel/ vornemlich Absalons/ dann unangesehen/ daß er ein ungerathener Sohn war/ und in flagrantissimo persecutionis cur- su, zu der Zeit/ da er seinen Vater auffs hefftigste verfolgte/ er- stochen worden/ beklaget ihn doch sein Vater David auß Vätterlicher Liebe. Drittens auff die Exempel der wilden Thier/ nicht nur des Adlers und der Hennen/ sondern auch der Löwen/ Wölff/ Pantherthier. Quae fera pro catulis non ipsa se offert morti? ingruat licet telorum seges, fera ta- men parvulos suo corporum muro septos immunes praestat periculi, fraget und antwortet Ambros. l. 6. hexaem. c. 4. Welches wildes Thier setzet sich nicht in Todes-Gefahr für seine Jungen? las- se die tödtliche Pfeile daher schneyen/ so schützet doch ein wildes und unvernünfftiges Vieh seine Jungen für Gefahr. Der Exempel finden sich bey barbarischen Unmenschen/ die das Gegentheil gethan. Erixonem equitem Rom. memoria nostra, quia Filium suum flagellis occiderat, populus in foro graphiis confodit; vix illum Au- gusti Caesaris autoritas infestis tam patrum quam filiorum manibus eri- puit. Seneca l. 1. de clem. 14. Es ist noch zu unserer Zeit geschehen/ daß das Volck einen Ritter/ Erixon genennet/ weil er seinen Sohn peitschen lassen/ auff dem Marckt mit Schreib-Messer- lein wollen erstechen; Also daß die Hoheit des Kaysers Augusti ihn kaum den Händen der verbitterten Eltern und Kindern entreissen können. Man siehets doch unter uns/ wann ein Vater sein Kind allzuhart tractirt/ es gehet den Nachbarn zu Hertzen. Nun also macht auch hiemit der verlohrne Sohn allen armen Sün- niger
Die Neunte Predigt und meinem Vater hat die Natur gemacht/ das kan nicht ſo leicht-lich auff gehaben werden/ andere Freunde mag er beurlauben/ ich aber bin ſein Fleiſch und Blut/ ſein neceſſarius, er wird ja mich nicht haſſen oder heiſſen fortgehen. 2. Gruͤndet er ſich auff paternam ςοργην, des Va- ters natuͤrliche Liebe/ ich wil ſagen/ Vater/ damit wil ich ihm das Hertz ruͤhren/ und die Liebes-Fuͤncklein auffblaſen/ das Schwartz in der Scheiben treffen. Es ſihet der verlohrne Sohn 1. auff die natuͤrliche συμπάθειαν, des Gebluͤts/ wie ſich das Vater-Hertz nicht kan vrrlaͤug- nen; ſolte ein Vater ſein Kind im Feur ſehen/ oder in Waſſers-Noth/ und ihm nicht helffen? das iſt nicht glaublich/ er wagt das Leben fuͤr es/ darnach auff die Exempel/ vornemlich Abſalons/ dann unangeſehen/ daß er ein ungerathener Sohn war/ und in flagrantiſſimo perſecutionis cur- ſu, zu der Zeit/ da er ſeinen Vater auffs hefftigſte verfolgte/ er- ſtochen worden/ beklaget ihn doch ſein Vater David auß Vaͤtterlicher Liebe. Drittens auff die Exempel der wilden Thier/ nicht nur des Adlers und der Hennen/ ſondern auch der Loͤwen/ Woͤlff/ Pantherthier. Quæ fera pro catulis non ipſa ſe offert morti? ingruat licet telorum ſeges, fera ta- men parvulos ſuo corporum muro ſeptos immunes præſtat periculi, fraget und antwortet Ambroſ. l. 6. hexaem. c. 4. Welches wildes Thier ſetzet ſich nicht in Todes-Gefahr fuͤr ſeine Jungen? laſ- ſe die toͤdtliche Pfeile daher ſchneyen/ ſo ſchuͤtzet doch ein wildes und unvernuͤnfftiges Vieh ſeine Jungen fuͤr Gefahr. Der Exempel finden ſich bey barbariſchen Unmenſchen/ die das Gegentheil gethan. Erixonem equitem Rom. memoriâ noſtrâ, quia Filium ſuum flagellis occiderat, populus in foro graphiis confodit; vix illum Au- guſti Cæſaris autoritas infeſtis tàm patrum quàm filiorum manibus eri- puit. Seneca l. 1. de clem. 14. Es iſt noch zu unſerer Zeit geſchehen/ daß das Volck einen Ritter/ Erixon genennet/ weil er ſeinen Sohn peitſchen laſſen/ auff dem Marckt mit Schreib-Meſſer- lein wollen erſtechen; Alſo daß die Hoheit des Kayſers Auguſti ihn kaum den Haͤnden der verbitterten Eltern und Kindern entreiſſen koͤnnen. Man ſiehets doch unter uns/ wann ein Vater ſein Kind allzuhart tractirt/ es gehet den Nachbarn zu Hertzen. Nun alſo macht auch hiemit der verlohrne Sohn allen armen Suͤn- niger
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Die Neunte Predigt
und meinem Vater hat die Natur gemacht/ das kan nicht ſo leicht-
lich auff gehaben werden/ andere Freunde mag er beurlauben/ ich aber bin
ſein Fleiſch und Blut/ ſein neceſſarius, er wird ja mich nicht haſſen oder
heiſſen fortgehen. 2. Gruͤndet er ſich auff paternam ςοργην, des Va-
ters natuͤrliche Liebe/ ich wil ſagen/ Vater/ damit wil ich ihm das
Hertz ruͤhren/ und die Liebes-Fuͤncklein auffblaſen/ das Schwartz in der
Scheiben treffen. Es ſihet der verlohrne Sohn 1. auff die natuͤrliche
συμπάθειαν, des Gebluͤts/ wie ſich das Vater-Hertz nicht kan vrrlaͤug-
nen; ſolte ein Vater ſein Kind im Feur ſehen/ oder in Waſſers-Noth/
und ihm nicht helffen? das iſt nicht glaublich/ er wagt das Leben fuͤr es/
darnach auff die Exempel/ vornemlich Abſalons/ dann unangeſehen/ daß
er ein ungerathener Sohn war/ und in flagrantiſſimo perſecutionis cur-
ſu, zu der Zeit/ da er ſeinen Vater auffs hefftigſte verfolgte/ er-
ſtochen worden/ beklaget ihn doch ſein Vater David auß Vaͤtterlicher Liebe.
Drittens auff die Exempel der wilden Thier/ nicht nur des Adlers und der
Hennen/ ſondern auch der Loͤwen/ Woͤlff/ Pantherthier. Quæ fera pro
catulis non ipſa ſe offert morti? ingruat licet telorum ſeges, fera ta-
men parvulos ſuo corporum muro ſeptos immunes præſtat periculi,
fraget und antwortet Ambroſ. l. 6. hexaem. c. 4. Welches wildes
Thier ſetzet ſich nicht in Todes-Gefahr fuͤr ſeine Jungen? laſ-
ſe die toͤdtliche Pfeile daher ſchneyen/ ſo ſchuͤtzet doch ein wildes
und unvernuͤnfftiges Vieh ſeine Jungen fuͤr Gefahr. Der
Exempel finden ſich bey barbariſchen Unmenſchen/ die das Gegentheil
gethan. Erixonem equitem Rom. memoriâ noſtrâ, quia Filium ſuum
flagellis occiderat, populus in foro graphiis confodit; vix illum Au-
guſti Cæſaris autoritas infeſtis tàm patrum quàm filiorum manibus eri-
puit. Seneca l. 1. de clem. 14. Es iſt noch zu unſerer Zeit geſchehen/
daß das Volck einen Ritter/ Erixon genennet/ weil er ſeinen
Sohn peitſchen laſſen/ auff dem Marckt mit Schreib-Meſſer-
lein wollen erſtechen; Alſo daß die Hoheit des Kayſers Auguſti
ihn kaum den Haͤnden der verbitterten Eltern und Kindern
entreiſſen koͤnnen. Man ſiehets doch unter uns/ wann ein Vater
ſein Kind allzuhart tractirt/ es gehet den Nachbarn zu Hertzen.
Nun alſo macht auch hiemit der verlohrne Sohn allen armen Suͤn-
dern ein Hertz/ er zeigt ihnen die rechte anchoram poſt naufragium. Ancker
nach dem Schiffbruch/ woran ſie ſich im Glauben halten ſollen/ nemlich
nicht an eigene Gerechtigkeit/ die vor Gott iſt wie ein beflecktes Tuch/ ein
verwuͤſtes Kleid voller Unziffer der boͤſen Luͤſten/ und daß um ſo viel we-
niger
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