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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Drosera rotundifolia. Cap. 1.
oder durch länger andauernde Berührung mit organischen oder un-
organischen Gegenständen und verschiedenen Flüssigkeiten. Ich habe
durch die Loupe ganz deutlich gesehen, wie ein Tentakel anfieng, in
zehn Secunden sich zu biegen, nachdem ein Gegenstand auf seine Drüse
gebracht worden war, und ich habe oft eine deutlich ausgesprochene
Einbiegung in kürzerer Zeit als einer Minute eintreten sehen. Es ist
überraschend, was für kleine Theilchen irgend einer Substanz, solche
wie ein Stückchen Faden oder Haar oder ein Splitter Glas, wenn sie
in thatsächliche Berührung mit der Oberfläche der Drüse gebracht
werden, genügen, den Tentakel zum Biegen zu veranlassen. Wenn
der Gegenstand, welcher durch diese Bewegungen in die Mitte geschafft
worden ist, nicht sehr klein ist, oder wenn er auflösliche stickstoff-
haltige Substanzen enthält, so wirkt er auf die mittleren Drüsen und
[Abbildung] Fig. 6. (Drosera rotundifolia.) Schematische Zeichnung, welche einen der äuszeren Tentakeln
stark umgebogen darstellt. die zwei benachbarten in der gewöhnlichen Stellung.
diese theilen den äuszeren Tentakeln einen motorischen Impuls mit,
welcher sie veranlaszt, sich nach innen einzubiegen.

Nicht nur die Tentakeln, sondern oft auch die Scheibe des Blat-
tes, aber durchaus nicht immer, wird stark eingebogen, wenn irgend
eine stark reizende Substanz oder Flüssigkeit auf die Scheibe gebracht
wird. Tropfen von Milch und von einer Auflösung von salpetersaurem
Ammoniak oder Natron sind besonders geneigt, diese Wirkung hervor-
zubringen. Die Scheibe wird so in eine kleine Schale verwandelt.
Die Art, auf welche sie sich biegt, variirt sehr. Manchmal wird blosz
die Spitze, manchmal die eine, manchmal beide Seiten eingebogen.
Ich that z. B. Stückchen eines hartgekochten Eies auf die Blätter;
eins hatte die Spitze nach der Basis zu gebogen, das zweite hatte beide
entgegengesetzte Ränder sehr eingebogen, so dasz es beinah dreieckig
im Umrisz wurde, und dieses ist vielleicht der gewöhnlichste Fall,

Drosera rotundifolia. Cap. 1.
oder durch länger andauernde Berührung mit organischen oder un-
organischen Gegenständen und verschiedenen Flüssigkeiten. Ich habe
durch die Loupe ganz deutlich gesehen, wie ein Tentakel anfieng, in
zehn Secunden sich zu biegen, nachdem ein Gegenstand auf seine Drüse
gebracht worden war, und ich habe oft eine deutlich ausgesprochene
Einbiegung in kürzerer Zeit als einer Minute eintreten sehen. Es ist
überraschend, was für kleine Theilchen irgend einer Substanz, solche
wie ein Stückchen Faden oder Haar oder ein Splitter Glas, wenn sie
in thatsächliche Berührung mit der Oberfläche der Drüse gebracht
werden, genügen, den Tentakel zum Biegen zu veranlassen. Wenn
der Gegenstand, welcher durch diese Bewegungen in die Mitte geschafft
worden ist, nicht sehr klein ist, oder wenn er auflösliche stickstoff-
haltige Substanzen enthält, so wirkt er auf die mittleren Drüsen und
[Abbildung] Fig. 6. (Drosera rotundifolia.) Schematische Zeichnung, welche einen der äuszeren Tentakeln
stark umgebogen darstellt. die zwei benachbarten in der gewöhnlichen Stellung.
diese theilen den äuszeren Tentakeln einen motorischen Impuls mit,
welcher sie veranlaszt, sich nach innen einzubiegen.

Nicht nur die Tentakeln, sondern oft auch die Scheibe des Blat-
tes, aber durchaus nicht immer, wird stark eingebogen, wenn irgend
eine stark reizende Substanz oder Flüssigkeit auf die Scheibe gebracht
wird. Tropfen von Milch und von einer Auflösung von salpetersaurem
Ammoniak oder Natron sind besonders geneigt, diese Wirkung hervor-
zubringen. Die Scheibe wird so in eine kleine Schale verwandelt.
Die Art, auf welche sie sich biegt, variirt sehr. Manchmal wird blosz
die Spitze, manchmal die eine, manchmal beide Seiten eingebogen.
Ich that z. B. Stückchen eines hartgekochten Eies auf die Blätter;
eins hatte die Spitze nach der Basis zu gebogen, das zweite hatte beide
entgegengesetzte Ränder sehr eingebogen, so dasz es beinah dreieckig
im Umrisz wurde, und dieses ist vielleicht der gewöhnlichste Fall,

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[10/0024] Drosera rotundifolia. Cap. 1. oder durch länger andauernde Berührung mit organischen oder un- organischen Gegenständen und verschiedenen Flüssigkeiten. Ich habe durch die Loupe ganz deutlich gesehen, wie ein Tentakel anfieng, in zehn Secunden sich zu biegen, nachdem ein Gegenstand auf seine Drüse gebracht worden war, und ich habe oft eine deutlich ausgesprochene Einbiegung in kürzerer Zeit als einer Minute eintreten sehen. Es ist überraschend, was für kleine Theilchen irgend einer Substanz, solche wie ein Stückchen Faden oder Haar oder ein Splitter Glas, wenn sie in thatsächliche Berührung mit der Oberfläche der Drüse gebracht werden, genügen, den Tentakel zum Biegen zu veranlassen. Wenn der Gegenstand, welcher durch diese Bewegungen in die Mitte geschafft worden ist, nicht sehr klein ist, oder wenn er auflösliche stickstoff- haltige Substanzen enthält, so wirkt er auf die mittleren Drüsen und [Abbildung Fig. 6. (Drosera rotundifolia.) Schematische Zeichnung, welche einen der äuszeren Tentakeln stark umgebogen darstellt. die zwei benachbarten in der gewöhnlichen Stellung.] diese theilen den äuszeren Tentakeln einen motorischen Impuls mit, welcher sie veranlaszt, sich nach innen einzubiegen. Nicht nur die Tentakeln, sondern oft auch die Scheibe des Blat- tes, aber durchaus nicht immer, wird stark eingebogen, wenn irgend eine stark reizende Substanz oder Flüssigkeit auf die Scheibe gebracht wird. Tropfen von Milch und von einer Auflösung von salpetersaurem Ammoniak oder Natron sind besonders geneigt, diese Wirkung hervor- zubringen. Die Scheibe wird so in eine kleine Schale verwandelt. Die Art, auf welche sie sich biegt, variirt sehr. Manchmal wird blosz die Spitze, manchmal die eine, manchmal beide Seiten eingebogen. Ich that z. B. Stückchen eines hartgekochten Eies auf die Blätter; eins hatte die Spitze nach der Basis zu gebogen, das zweite hatte beide entgegengesetzte Ränder sehr eingebogen, so dasz es beinah dreieckig im Umrisz wurde, und dieses ist vielleicht der gewöhnlichste Fall,

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/24>, abgerufen am 27.04.2024.