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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 17. Art Beute zu fangen.
zweispaltigen Fortsätze sind ohne Zweifel den Papillen auf der Auszen-
seite der Blase und der Blätter homolog; und wir werden sehen, dasz
sie sich von äuszerst ähnlichen Papillen aus entwickelt haben.

Der Gebrauch der verschiedenen Theile. -- Nach der
vorausgehenden langen, aber nothwendigen Beschreibung der einzelnen
Theile wollen wir uns zu ihrem Gebrauche wenden. Einige Autoren
haben vermuthet, dasz die Blasen als Schwimmapparate wirken; aber
Zweige, welche keine Blasen trugen, und andere, von denen die Blasen
entfernt worden waren, flottirten vollkommen, und zwar in Folge der
in den Intercellularräumen enthaltenen Luft. Blasen, welche todte und
gefangene Thiere enthalten, schlieszen gewöhnlich Luftblasen ein;
dieselben können aber nicht allein durch den Zersetzungsprocesz ent-
standen sein, da ich häufig Luft in jungen, reinen und leeren Blasen
gesehen habe; andererseits hatten manche alte Blasen mit viel sich
zersetzender Substanz keine Luftblasen.

Die wirkliche Function der Blasen ist, kleine Wasserthiere zu
fangen, und dies thun sie in einem groszen Maszstabe. Von der ersten
Anzahl Pflanzen, welche ich zeitig im Juli von dem New Forest er-
hielt, umschlossen verhältnismäszig viele der völlig erwachsenen
Blasen Beute; bei einer zweiten Sendung, welche ich anfangs August
erhielt, waren die meisten der Blasen leer; es waren indessen Pflanzen
ausgewählt worden, welche in ungewöhnlich reinem Wasser wuchsen.
Von der ersten Sendung untersuchte mein Sohn siebenzehn Blasen,
welche Beute irgend welcher Art umschlossen, und acht derselben
enthielten entomostrake Krustenthiere, drei Insectenlarven, von denen
eine noch lebendig war, und sechs so stark zersetzte Überreste von
Thieren, dasz ihre Natur nicht mehr unterschieden werden konnte.
Ich wählte fünf Blasen heraus, welche sehr voll zu sein schienen, und
fand in ihnen vier, fünf, acht und zehn Krustenthiere und in der fünften
eine einzige sehr lang gestreckte Larve. In fünf anderen Blasen,
welche ich gewählt hatte, weil sie Überreste enthielten, welche aber
nicht sehr voll erschienen, fanden sich ein, zwei, vier, zwei und fünf
Krustenthiere. Eine Pflanze von Utricularia vulgaris, welche in bei-
nahe reinem Wasser gehalten worden war, wurde von Cohn eines
Abends in Wasser gethan, in welchem zahllose Kruster umherschwärm-
ten, und am nächsten Morgen enthielten die meisten Blasen diese
Thiere gefangen und immer fort im Kreise in ihren Gefängnissen
umherschwimmend. Sie blieben mehrere Tage lang lebendig, giengen

Cap. 17. Art Beute zu fangen.
zweispaltigen Fortsätze sind ohne Zweifel den Papillen auf der Auszen-
seite der Blase und der Blätter homolog; und wir werden sehen, dasz
sie sich von äuszerst ähnlichen Papillen aus entwickelt haben.

Der Gebrauch der verschiedenen Theile. — Nach der
vorausgehenden langen, aber nothwendigen Beschreibung der einzelnen
Theile wollen wir uns zu ihrem Gebrauche wenden. Einige Autoren
haben vermuthet, dasz die Blasen als Schwimmapparate wirken; aber
Zweige, welche keine Blasen trugen, und andere, von denen die Blasen
entfernt worden waren, flottirten vollkommen, und zwar in Folge der
in den Intercellularräumen enthaltenen Luft. Blasen, welche todte und
gefangene Thiere enthalten, schlieszen gewöhnlich Luftblasen ein;
dieselben können aber nicht allein durch den Zersetzungsprocesz ent-
standen sein, da ich häufig Luft in jungen, reinen und leeren Blasen
gesehen habe; andererseits hatten manche alte Blasen mit viel sich
zersetzender Substanz keine Luftblasen.

Die wirkliche Function der Blasen ist, kleine Wasserthiere zu
fangen, und dies thun sie in einem groszen Maszstabe. Von der ersten
Anzahl Pflanzen, welche ich zeitig im Juli von dem New Forest er-
hielt, umschlossen verhältnismäszig viele der völlig erwachsenen
Blasen Beute; bei einer zweiten Sendung, welche ich anfangs August
erhielt, waren die meisten der Blasen leer; es waren indessen Pflanzen
ausgewählt worden, welche in ungewöhnlich reinem Wasser wuchsen.
Von der ersten Sendung untersuchte mein Sohn siebenzehn Blasen,
welche Beute irgend welcher Art umschlossen, und acht derselben
enthielten entomostrake Krustenthiere, drei Insectenlarven, von denen
eine noch lebendig war, und sechs so stark zersetzte Überreste von
Thieren, dasz ihre Natur nicht mehr unterschieden werden konnte.
Ich wählte fünf Blasen heraus, welche sehr voll zu sein schienen, und
fand in ihnen vier, fünf, acht und zehn Krustenthiere und in der fünften
eine einzige sehr lang gestreckte Larve. In fünf anderen Blasen,
welche ich gewählt hatte, weil sie Überreste enthielten, welche aber
nicht sehr voll erschienen, fanden sich ein, zwei, vier, zwei und fünf
Krustenthiere. Eine Pflanze von Utricularia vulgaris, welche in bei-
nahe reinem Wasser gehalten worden war, wurde von Cohn eines
Abends in Wasser gethan, in welchem zahllose Kruster umherschwärm-
ten, und am nächsten Morgen enthielten die meisten Blasen diese
Thiere gefangen und immer fort im Kreise in ihren Gefängnissen
umherschwimmend. Sie blieben mehrere Tage lang lebendig, giengen

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[365/0379] Cap. 17. Art Beute zu fangen. zweispaltigen Fortsätze sind ohne Zweifel den Papillen auf der Auszen- seite der Blase und der Blätter homolog; und wir werden sehen, dasz sie sich von äuszerst ähnlichen Papillen aus entwickelt haben. Der Gebrauch der verschiedenen Theile. — Nach der vorausgehenden langen, aber nothwendigen Beschreibung der einzelnen Theile wollen wir uns zu ihrem Gebrauche wenden. Einige Autoren haben vermuthet, dasz die Blasen als Schwimmapparate wirken; aber Zweige, welche keine Blasen trugen, und andere, von denen die Blasen entfernt worden waren, flottirten vollkommen, und zwar in Folge der in den Intercellularräumen enthaltenen Luft. Blasen, welche todte und gefangene Thiere enthalten, schlieszen gewöhnlich Luftblasen ein; dieselben können aber nicht allein durch den Zersetzungsprocesz ent- standen sein, da ich häufig Luft in jungen, reinen und leeren Blasen gesehen habe; andererseits hatten manche alte Blasen mit viel sich zersetzender Substanz keine Luftblasen. Die wirkliche Function der Blasen ist, kleine Wasserthiere zu fangen, und dies thun sie in einem groszen Maszstabe. Von der ersten Anzahl Pflanzen, welche ich zeitig im Juli von dem New Forest er- hielt, umschlossen verhältnismäszig viele der völlig erwachsenen Blasen Beute; bei einer zweiten Sendung, welche ich anfangs August erhielt, waren die meisten der Blasen leer; es waren indessen Pflanzen ausgewählt worden, welche in ungewöhnlich reinem Wasser wuchsen. Von der ersten Sendung untersuchte mein Sohn siebenzehn Blasen, welche Beute irgend welcher Art umschlossen, und acht derselben enthielten entomostrake Krustenthiere, drei Insectenlarven, von denen eine noch lebendig war, und sechs so stark zersetzte Überreste von Thieren, dasz ihre Natur nicht mehr unterschieden werden konnte. Ich wählte fünf Blasen heraus, welche sehr voll zu sein schienen, und fand in ihnen vier, fünf, acht und zehn Krustenthiere und in der fünften eine einzige sehr lang gestreckte Larve. In fünf anderen Blasen, welche ich gewählt hatte, weil sie Überreste enthielten, welche aber nicht sehr voll erschienen, fanden sich ein, zwei, vier, zwei und fünf Krustenthiere. Eine Pflanze von Utricularia vulgaris, welche in bei- nahe reinem Wasser gehalten worden war, wurde von Cohn eines Abends in Wasser gethan, in welchem zahllose Kruster umherschwärm- ten, und am nächsten Morgen enthielten die meisten Blasen diese Thiere gefangen und immer fort im Kreise in ihren Gefängnissen umherschwimmend. Sie blieben mehrere Tage lang lebendig, giengen

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/379>, abgerufen am 20.05.2024.