Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.ich Nichts, so lange sich mein Dichten und Trachten auf ich Nichts, ſo lange ſich mein Dichten und Trachten auf <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="VI"/> ich Nichts, ſo lange ſich mein Dichten und Trachten auf<lb/> dem dürren, unfruchtbaren, mit dem unüberwindlichen<lb/> Fluche der Zerreißung und Zerſplitterung beladenen Boden<lb/> bewegte, wo ich, obwohl meinem eigenſten, innerſten Weſen<lb/> zuwider, zu Hauſe und eingewohnt war. Das, was der<lb/> Genius der Geſchichte ſeit Jahrhunderten und Jahrtauſen-<lb/> den — die geheimen Anfänge dieſes großen Phänomens<lb/> gehen, wie ich zeigen werde, tief in’s vorchriſtliche Alter-<lb/> thum hinein — langſam und mühſelig vorbereitet und<lb/> angelegt, und hoch und herrlich aufgerichtet hatte, um gött-<lb/> lichen und menſchlichen Zwecken zu einem mächtigen Organe<lb/> der Ausführung zu dienen, das war mir zu fremd, um<lb/> es mehr als oberflächlich zu kennen und zu beurtheilen, es<lb/> in der Tiefe ſeines Weſens zu erfaſſen, und ſeiner inneren,<lb/> nicht immer dem äußeren Anſchein entſprechenden, Bedeu-<lb/> tung und Beſtimmung nach zu verſtehen und zu würdigen.<lb/> Ich hielt es für das werth- und gehaltloſe Ueberbleibſel<lb/> einer durch die Zeitbildung überwundenen Vergangenheit,<lb/> das über kurz oder lang in Nichts zerfallen werde — wie-<lb/> wohl es thatſächlich das Einzige iſt, was ſich durch alle<lb/> welthiſtoriſchen Proceſſe und Metamorphoſen hindurch zu<lb/> erhalten, und ſelbſt den größten Erſchütterungen und<lb/> ſchwerſten Niederlagen zum Trotze, immer wieder jugend-<lb/> friſch und kräftig zu erneuen und zu erheben vermag; wäh-<lb/> rend alles Uebrige, ſo groß und ſtolz es ſei, ſinkt und<lb/> ſtürzt und vergeht, wie ein Traum der Nacht. „Die<lb/> Kirche,“ ſagt ein katholiſcher Schriftſteller, „iſt nicht nur<lb/> auf Wunder gegründet, ihre Dauer ſelbſt iſt ein fortge-<lb/> ſetztes, immerwährendes Wunder. Königreiche und Kaiſer-<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [VI/0012]
ich Nichts, ſo lange ſich mein Dichten und Trachten auf
dem dürren, unfruchtbaren, mit dem unüberwindlichen
Fluche der Zerreißung und Zerſplitterung beladenen Boden
bewegte, wo ich, obwohl meinem eigenſten, innerſten Weſen
zuwider, zu Hauſe und eingewohnt war. Das, was der
Genius der Geſchichte ſeit Jahrhunderten und Jahrtauſen-
den — die geheimen Anfänge dieſes großen Phänomens
gehen, wie ich zeigen werde, tief in’s vorchriſtliche Alter-
thum hinein — langſam und mühſelig vorbereitet und
angelegt, und hoch und herrlich aufgerichtet hatte, um gött-
lichen und menſchlichen Zwecken zu einem mächtigen Organe
der Ausführung zu dienen, das war mir zu fremd, um
es mehr als oberflächlich zu kennen und zu beurtheilen, es
in der Tiefe ſeines Weſens zu erfaſſen, und ſeiner inneren,
nicht immer dem äußeren Anſchein entſprechenden, Bedeu-
tung und Beſtimmung nach zu verſtehen und zu würdigen.
Ich hielt es für das werth- und gehaltloſe Ueberbleibſel
einer durch die Zeitbildung überwundenen Vergangenheit,
das über kurz oder lang in Nichts zerfallen werde — wie-
wohl es thatſächlich das Einzige iſt, was ſich durch alle
welthiſtoriſchen Proceſſe und Metamorphoſen hindurch zu
erhalten, und ſelbſt den größten Erſchütterungen und
ſchwerſten Niederlagen zum Trotze, immer wieder jugend-
friſch und kräftig zu erneuen und zu erheben vermag; wäh-
rend alles Uebrige, ſo groß und ſtolz es ſei, ſinkt und
ſtürzt und vergeht, wie ein Traum der Nacht. „Die
Kirche,“ ſagt ein katholiſcher Schriftſteller, „iſt nicht nur
auf Wunder gegründet, ihre Dauer ſelbſt iſt ein fortge-
ſetztes, immerwährendes Wunder. Königreiche und Kaiſer-
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