Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Genossenschaften der sogenannten barmherzigen Brüder und Schwestern,
die mit der größten Anspruchslosigkeit so himmlische Thaten verrichten
und einen so ächt christlichen Heroismus der Liebe und Barmherzigkeit
entfalten, dergleichen man, einige isolirt stehende Ausnahmsfälle abge-
rechnet, sonst nirgend trifft. In dem schon öfters citirten Werke von
Dechamps *) heißt es: "Die philanthropische Hingebung der Miß
Nightingale im Krimmfeldzuge rührt uns. Es ist dies eine schöne
Seele, die man loben muß. Aber wer erkennt nicht dennoch die
vielen Unterschiede zwischen der Miß Nightingale und einer barmherzi-
gen Schwester! Ich will nur folgende nennen. Miß Nightingale hat
die Probe einer persönlichen rühmlichen Aufopferung abgelegt; aber sie
ist allein geblieben, sie hat kein bleibendes Werk stiften können. Ihr
Namen ist berühmt geworden und man hat Beifall geklatscht. Die
barmherzige Schwester ist unbekannt, Niemand weiß ihren Namen. Es
ist das gleichsam die Verkörperung der Liebe, die von Oben stammt,
auf Erden aber in Verborgenheit wandelt und Gutes thut. Die gu-
ten barmherzigen Schwestern haben die Wunden der Sieger und der
Besiegten verbunden, sie haben gelitten und sind gestorben an den
Sterbebetten, wie sie es überall thun; ihre Namen aber kennt Niemand,
als Gott. Sie haben auf Erden keinen anderen Namen, als den ih-
rer unvergänglichen Genossenschaft; und wenn die Armen, die Kranken,
die Sterbenden sie segnen wollen, so reden sie eben nur von den
Schwestern, die ihnen das Crucifix zeigen." Nicolas in seinen
Studien über das Christenthum bemerkt, man müsse nicht nur die von
der Kirche kanonisirten Heiligen in Anschlag bringen. "Es gibt," sagt
er, "eine Menge anderer, die ein verborgenes Leben geführt, die noch
fortwährend in der Dunkelheit leben und sterben, und die eine um so
größere Heiligkeit besitzen, als sie der Welt und sich selbst unbekannt
bleiben. Mit den Heiligen ist es, wie mit den Sternen am Firma-
ment: außer denen, welche uns bemerkbar sind und die bekannten Fi-
guren bilden, gibt es unzählige andere, die sich unseren Blicken entzie-
hen und gerade ihrer Höhe wegen unbekannt bleiben. Auch der geistige
Himmel hat seine Milchstraße." Will man ein protestantisches Zeugniß
vernehmen, so läßt sich auf das Hallische Volksblatt vom 5. August
1854 verweisen, wo ein Prediger dieser Confession aus Paris an ei-
nen Mitbruder Folgendes schreibt: "Es besteht hier ein Frauenorden,

*) Die Wahrheit und Vernünftigkeit des Glaubens. S. 608.

Genoſſenſchaften der ſogenannten barmherzigen Brüder und Schweſtern,
die mit der größten Anſpruchsloſigkeit ſo himmliſche Thaten verrichten
und einen ſo ächt chriſtlichen Heroismus der Liebe und Barmherzigkeit
entfalten, dergleichen man, einige iſolirt ſtehende Ausnahmsfälle abge-
rechnet, ſonſt nirgend trifft. In dem ſchon öfters citirten Werke von
Dechamps *) heißt es: „Die philanthropiſche Hingebung der Miß
Nightingale im Krimmfeldzuge rührt uns. Es iſt dies eine ſchöne
Seele, die man loben muß. Aber wer erkennt nicht dennoch die
vielen Unterſchiede zwiſchen der Miß Nightingale und einer barmherzi-
gen Schweſter! Ich will nur folgende nennen. Miß Nightingale hat
die Probe einer perſönlichen rühmlichen Aufopferung abgelegt; aber ſie
iſt allein geblieben, ſie hat kein bleibendes Werk ſtiften können. Ihr
Namen iſt berühmt geworden und man hat Beifall geklatſcht. Die
barmherzige Schweſter iſt unbekannt, Niemand weiß ihren Namen. Es
iſt das gleichſam die Verkörperung der Liebe, die von Oben ſtammt,
auf Erden aber in Verborgenheit wandelt und Gutes thut. Die gu-
ten barmherzigen Schweſtern haben die Wunden der Sieger und der
Beſiegten verbunden, ſie haben gelitten und ſind geſtorben an den
Sterbebetten, wie ſie es überall thun; ihre Namen aber kennt Niemand,
als Gott. Sie haben auf Erden keinen anderen Namen, als den ih-
rer unvergänglichen Genoſſenſchaft; und wenn die Armen, die Kranken,
die Sterbenden ſie ſegnen wollen, ſo reden ſie eben nur von den
Schweſtern, die ihnen das Crucifix zeigen.“ Nicolas in ſeinen
Studien über das Chriſtenthum bemerkt, man müſſe nicht nur die von
der Kirche kanoniſirten Heiligen in Anſchlag bringen. „Es gibt,“ ſagt
er, „eine Menge anderer, die ein verborgenes Leben geführt, die noch
fortwährend in der Dunkelheit leben und ſterben, und die eine um ſo
größere Heiligkeit beſitzen, als ſie der Welt und ſich ſelbſt unbekannt
bleiben. Mit den Heiligen iſt es, wie mit den Sternen am Firma-
ment: außer denen, welche uns bemerkbar ſind und die bekannten Fi-
guren bilden, gibt es unzählige andere, die ſich unſeren Blicken entzie-
hen und gerade ihrer Höhe wegen unbekannt bleiben. Auch der geiſtige
Himmel hat ſeine Milchſtraße.“ Will man ein proteſtantiſches Zeugniß
vernehmen, ſo läßt ſich auf das Halliſche Volksblatt vom 5. Auguſt
1854 verweiſen, wo ein Prediger dieſer Confeſſion aus Paris an ei-
nen Mitbruder Folgendes ſchreibt: „Es beſteht hier ein Frauenorden,

*) Die Wahrheit und Vernünftigkeit des Glaubens. S. 608.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0149" n="127"/>
Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften der &#x017F;ogenannten barmherzigen Brüder und Schwe&#x017F;tern,<lb/>
die mit der größten An&#x017F;pruchslo&#x017F;igkeit &#x017F;o himmli&#x017F;che Thaten verrichten<lb/>
und einen &#x017F;o ächt chri&#x017F;tlichen Heroismus der Liebe und Barmherzigkeit<lb/>
entfalten, dergleichen man, einige i&#x017F;olirt &#x017F;tehende Ausnahmsfälle abge-<lb/>
rechnet, &#x017F;on&#x017F;t nirgend trifft. In dem &#x017F;chon öfters citirten Werke von<lb/>
Dechamps <note place="foot" n="*)">Die Wahrheit und Vernünftigkeit des Glaubens. S. 608.</note> heißt es: &#x201E;Die philanthropi&#x017F;che Hingebung der Miß<lb/>
Nightingale im Krimmfeldzuge rührt uns. Es i&#x017F;t dies eine &#x017F;chöne<lb/>
Seele, die man loben muß. Aber wer erkennt nicht dennoch die<lb/>
vielen Unter&#x017F;chiede zwi&#x017F;chen der Miß Nightingale und einer barmherzi-<lb/>
gen Schwe&#x017F;ter! Ich will nur folgende nennen. Miß Nightingale hat<lb/>
die Probe einer per&#x017F;önlichen rühmlichen Aufopferung abgelegt; aber &#x017F;ie<lb/>
i&#x017F;t allein geblieben, &#x017F;ie hat kein bleibendes Werk &#x017F;tiften können. Ihr<lb/>
Namen i&#x017F;t berühmt geworden und man hat Beifall geklat&#x017F;cht. Die<lb/>
barmherzige Schwe&#x017F;ter i&#x017F;t unbekannt, Niemand weiß ihren Namen. Es<lb/>
i&#x017F;t das gleich&#x017F;am die Verkörperung der Liebe, die von Oben &#x017F;tammt,<lb/>
auf Erden aber in Verborgenheit wandelt und Gutes thut. Die gu-<lb/>
ten barmherzigen Schwe&#x017F;tern haben die Wunden der Sieger und der<lb/>
Be&#x017F;iegten verbunden, &#x017F;ie haben gelitten und &#x017F;ind ge&#x017F;torben an den<lb/>
Sterbebetten, wie &#x017F;ie es überall thun; ihre Namen aber kennt Niemand,<lb/>
als Gott. Sie haben auf Erden keinen anderen Namen, als den ih-<lb/>
rer unvergänglichen Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft; und wenn die Armen, die Kranken,<lb/>
die Sterbenden &#x017F;ie &#x017F;egnen wollen, &#x017F;o reden &#x017F;ie eben nur von den<lb/>
Schwe&#x017F;tern, die ihnen das Crucifix zeigen.&#x201C; <hi rendition="#g">Nicolas</hi> in &#x017F;einen<lb/>
Studien über das Chri&#x017F;tenthum bemerkt, man mü&#x017F;&#x017F;e nicht nur die von<lb/>
der Kirche kanoni&#x017F;irten Heiligen in An&#x017F;chlag bringen. &#x201E;Es gibt,&#x201C; &#x017F;agt<lb/>
er, &#x201E;eine Menge anderer, die ein verborgenes Leben geführt, die noch<lb/>
fortwährend in der Dunkelheit leben und &#x017F;terben, und die eine um &#x017F;o<lb/>
größere Heiligkeit be&#x017F;itzen, als &#x017F;ie der Welt und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t unbekannt<lb/>
bleiben. Mit den Heiligen i&#x017F;t es, wie mit den Sternen am Firma-<lb/>
ment: außer denen, welche uns bemerkbar &#x017F;ind und die bekannten Fi-<lb/>
guren bilden, gibt es unzählige andere, die &#x017F;ich un&#x017F;eren Blicken entzie-<lb/>
hen und gerade ihrer Höhe wegen unbekannt bleiben. Auch der gei&#x017F;tige<lb/>
Himmel hat &#x017F;eine Milch&#x017F;traße.&#x201C; Will man ein prote&#x017F;tanti&#x017F;ches Zeugniß<lb/>
vernehmen, &#x017F;o läßt &#x017F;ich auf das Halli&#x017F;che Volksblatt vom 5. Augu&#x017F;t<lb/>
1854 verwei&#x017F;en, wo ein Prediger die&#x017F;er Confe&#x017F;&#x017F;ion aus Paris an ei-<lb/>
nen Mitbruder Folgendes &#x017F;chreibt: &#x201E;Es be&#x017F;teht hier ein Frauenorden,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0149] Genoſſenſchaften der ſogenannten barmherzigen Brüder und Schweſtern, die mit der größten Anſpruchsloſigkeit ſo himmliſche Thaten verrichten und einen ſo ächt chriſtlichen Heroismus der Liebe und Barmherzigkeit entfalten, dergleichen man, einige iſolirt ſtehende Ausnahmsfälle abge- rechnet, ſonſt nirgend trifft. In dem ſchon öfters citirten Werke von Dechamps *) heißt es: „Die philanthropiſche Hingebung der Miß Nightingale im Krimmfeldzuge rührt uns. Es iſt dies eine ſchöne Seele, die man loben muß. Aber wer erkennt nicht dennoch die vielen Unterſchiede zwiſchen der Miß Nightingale und einer barmherzi- gen Schweſter! Ich will nur folgende nennen. Miß Nightingale hat die Probe einer perſönlichen rühmlichen Aufopferung abgelegt; aber ſie iſt allein geblieben, ſie hat kein bleibendes Werk ſtiften können. Ihr Namen iſt berühmt geworden und man hat Beifall geklatſcht. Die barmherzige Schweſter iſt unbekannt, Niemand weiß ihren Namen. Es iſt das gleichſam die Verkörperung der Liebe, die von Oben ſtammt, auf Erden aber in Verborgenheit wandelt und Gutes thut. Die gu- ten barmherzigen Schweſtern haben die Wunden der Sieger und der Beſiegten verbunden, ſie haben gelitten und ſind geſtorben an den Sterbebetten, wie ſie es überall thun; ihre Namen aber kennt Niemand, als Gott. Sie haben auf Erden keinen anderen Namen, als den ih- rer unvergänglichen Genoſſenſchaft; und wenn die Armen, die Kranken, die Sterbenden ſie ſegnen wollen, ſo reden ſie eben nur von den Schweſtern, die ihnen das Crucifix zeigen.“ Nicolas in ſeinen Studien über das Chriſtenthum bemerkt, man müſſe nicht nur die von der Kirche kanoniſirten Heiligen in Anſchlag bringen. „Es gibt,“ ſagt er, „eine Menge anderer, die ein verborgenes Leben geführt, die noch fortwährend in der Dunkelheit leben und ſterben, und die eine um ſo größere Heiligkeit beſitzen, als ſie der Welt und ſich ſelbſt unbekannt bleiben. Mit den Heiligen iſt es, wie mit den Sternen am Firma- ment: außer denen, welche uns bemerkbar ſind und die bekannten Fi- guren bilden, gibt es unzählige andere, die ſich unſeren Blicken entzie- hen und gerade ihrer Höhe wegen unbekannt bleiben. Auch der geiſtige Himmel hat ſeine Milchſtraße.“ Will man ein proteſtantiſches Zeugniß vernehmen, ſo läßt ſich auf das Halliſche Volksblatt vom 5. Auguſt 1854 verweiſen, wo ein Prediger dieſer Confeſſion aus Paris an ei- nen Mitbruder Folgendes ſchreibt: „Es beſteht hier ein Frauenorden, *) Die Wahrheit und Vernünftigkeit des Glaubens. S. 608.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/149
Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/149>, abgerufen am 24.11.2024.