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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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und Lebens. Sein ganzes Leben stand mit den Grund-
sätzen, die er vortrug, in Harmonie; er wollte das, was
der Mensch nach seiner Ueberzeugung sein sollte, nicht
scheinen, sondern sein; in seinen Lehren ist nicht die ge-
ringste Anwandlung von anmaßendem Stolze, keine Spur
von der Sucht, zu gefallen und zu schimmern, bemerklich.
Sein Hauptgrundsatz war: Alles, was die innere Ueber-
zeugung, das Gewissen, als gut und böse vorstellt, als
ein untrügliches Gesetz zu betrachten, und sich weder durch
Lust noch durch Unlust davon abwendig machen zu lassen." *)
Noch viel bedeutender ist, was Döllinger aushebt und
zugesteht. "Der Anfang der Philosophie", sagt er, "ist
ihm das Bewußtsein unserer Schwäche und Ohnmacht.
Um gut zu werden, müssen wir erst zu der Einsicht kom-
men, daß wir schlecht sind. Die Philosophie muß uns vor
Allem vom Dünkel reinigen, der Nichts zu bedürfen wähnt.
Epiktet verweist den Menschen auf Gott; bei ihm solle der
Mensch das ihm Mangelnde, die sittliche Hülfe suchen,
und noch nie war eine Moral mit so starken
und zahlreichen christlichen Anklängen ent-
wickelt worden
." **) Hier kehrt sich jedenfalls eine ganz
andere Seite, als die gerügte, heraus und das genügt
vollkommen für unseren Zweck. Uebrigens haben die Ver-
theidiger der Stoa selbst die stolze Höhe, auf welche die-
selbe ihren "Weisen" stellt, mit christlicher und biblischer
Idealität in Einklang zu bringen gewagt. In der Vor-
rede zu Hofmann's Uebersetzung der Selbstbetrachtun-
gen des Marc Aurel ***) heißt es: "Es wird für irrig,
ja für gottlos gehalten, daß die Stoiker ihren Weisen, oder

*) Tennemann's Geschichte der Philosophie V. S. 178.
**) Döllinger a. a. O. S. 577.
***) Hamburg 1755. Fünfte Ausgabe.

und Lebens. Sein ganzes Leben ſtand mit den Grund-
ſätzen, die er vortrug, in Harmonie; er wollte das, was
der Menſch nach ſeiner Ueberzeugung ſein ſollte, nicht
ſcheinen, ſondern ſein; in ſeinen Lehren iſt nicht die ge-
ringſte Anwandlung von anmaßendem Stolze, keine Spur
von der Sucht, zu gefallen und zu ſchimmern, bemerklich.
Sein Hauptgrundſatz war: Alles, was die innere Ueber-
zeugung, das Gewiſſen, als gut und böſe vorſtellt, als
ein untrügliches Geſetz zu betrachten, und ſich weder durch
Luſt noch durch Unluſt davon abwendig machen zu laſſen.“ *)
Noch viel bedeutender iſt, was Döllinger aushebt und
zugeſteht. „Der Anfang der Philoſophie“, ſagt er, „iſt
ihm das Bewußtſein unſerer Schwäche und Ohnmacht.
Um gut zu werden, müſſen wir erſt zu der Einſicht kom-
men, daß wir ſchlecht ſind. Die Philoſophie muß uns vor
Allem vom Dünkel reinigen, der Nichts zu bedürfen wähnt.
Epiktet verweiſt den Menſchen auf Gott; bei ihm ſolle der
Menſch das ihm Mangelnde, die ſittliche Hülfe ſuchen,
und noch nie war eine Moral mit ſo ſtarken
und zahlreichen chriſtlichen Anklängen ent-
wickelt worden
.“ **) Hier kehrt ſich jedenfalls eine ganz
andere Seite, als die gerügte, heraus und das genügt
vollkommen für unſeren Zweck. Uebrigens haben die Ver-
theidiger der Stoa ſelbſt die ſtolze Höhe, auf welche die-
ſelbe ihren „Weiſen“ ſtellt, mit chriſtlicher und bibliſcher
Idealität in Einklang zu bringen gewagt. In der Vor-
rede zu Hofmann’s Ueberſetzung der Selbſtbetrachtun-
gen des Marc Aurel ***) heißt es: „Es wird für irrig,
ja für gottlos gehalten, daß die Stoiker ihren Weiſen, oder

*) Tennemann’s Geſchichte der Philoſophie V. S. 178.
**) Döllinger a. a. O. S. 577.
***) Hamburg 1755. Fünfte Ausgabe.
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[74/0096] und Lebens. Sein ganzes Leben ſtand mit den Grund- ſätzen, die er vortrug, in Harmonie; er wollte das, was der Menſch nach ſeiner Ueberzeugung ſein ſollte, nicht ſcheinen, ſondern ſein; in ſeinen Lehren iſt nicht die ge- ringſte Anwandlung von anmaßendem Stolze, keine Spur von der Sucht, zu gefallen und zu ſchimmern, bemerklich. Sein Hauptgrundſatz war: Alles, was die innere Ueber- zeugung, das Gewiſſen, als gut und böſe vorſtellt, als ein untrügliches Geſetz zu betrachten, und ſich weder durch Luſt noch durch Unluſt davon abwendig machen zu laſſen.“ *) Noch viel bedeutender iſt, was Döllinger aushebt und zugeſteht. „Der Anfang der Philoſophie“, ſagt er, „iſt ihm das Bewußtſein unſerer Schwäche und Ohnmacht. Um gut zu werden, müſſen wir erſt zu der Einſicht kom- men, daß wir ſchlecht ſind. Die Philoſophie muß uns vor Allem vom Dünkel reinigen, der Nichts zu bedürfen wähnt. Epiktet verweiſt den Menſchen auf Gott; bei ihm ſolle der Menſch das ihm Mangelnde, die ſittliche Hülfe ſuchen, und noch nie war eine Moral mit ſo ſtarken und zahlreichen chriſtlichen Anklängen ent- wickelt worden.“ **) Hier kehrt ſich jedenfalls eine ganz andere Seite, als die gerügte, heraus und das genügt vollkommen für unſeren Zweck. Uebrigens haben die Ver- theidiger der Stoa ſelbſt die ſtolze Höhe, auf welche die- ſelbe ihren „Weiſen“ ſtellt, mit chriſtlicher und bibliſcher Idealität in Einklang zu bringen gewagt. In der Vor- rede zu Hofmann’s Ueberſetzung der Selbſtbetrachtun- gen des Marc Aurel ***) heißt es: „Es wird für irrig, ja für gottlos gehalten, daß die Stoiker ihren Weiſen, oder *) Tennemann’s Geſchichte der Philoſophie V. S. 178. **) Döllinger a. a. O. S. 577. ***) Hamburg 1755. Fünfte Ausgabe.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/96>, abgerufen am 24.11.2024.