Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.lich auszuscheiden, aber diese praktische Schwierigkeit bil- Auch in Bezug auf die Nothwendigkeit, Uebergangs- 1) Vgl. dazu meine Einleitung S. 114.
lich auszuscheiden, aber diese praktische Schwierigkeit bil- Auch in Bezug auf die Nothwendigkeit, Uebergangs- 1) Vgl. dazu meine Einleitung S. 114.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="14"/> lich auszuscheiden, aber diese praktische Schwierigkeit bil-<lb/> det keinen Gegengrund gegen die principielle Richtigkeit<lb/> der Forderung, welche Curtius übrigens jetzt nicht leugnet <note place="foot" n="1)">Vgl. dazu meine Einleitung S. 114.<lb/></note>.<lb/> Unter diesen Umständen darf es nicht auffallen, wenn<lb/> wiederholt gerathen worden ist, man solle die Natur des<lb/> Lautwandels weniger an den Literatursprachen des Alter-<lb/> thums, als vielmehr an den Volkssprachen der Gegenwart<lb/> studiren. Curtius scheint nicht geneigt, die Richtigkeit<lb/> dieser Forderung in Abrede zu stellen, fügt aber (S. 13) die<lb/> Frage an, wo uns denn solche dem Naturzustand näher<lb/> liegende Sprachen wirklich vorliegen. Ich hatte, als ich die<lb/> von Curtius angeführten Worte schrieb, namentlich ein Buch<lb/> im Sinne, das eine derartige Mundart in musterhafter Weise<lb/> beschreibt, nämlich J. Winteler, die Kerenzer Mundart des<lb/> Kantons Glarus (Leipzig und Heidelberg 18 76). Wer dieses<lb/> Buch (auch die Vorrede ist beherzigenswerth) studirt, wird<lb/> gewiss den Eindruck empfangen, dass es jetzt noch Sprachen<lb/> giebt, die viel einfacher sind, als z. B. das Neuhochdeutsche.<lb/> Dass freilich auch diese nicht frei von Mischung und Asso-<lb/> ciationsbildungen sind, bedarf keiner besonderen Versiche-<lb/> rung. Die Verschiedenheit von den Cultursprachen ist vor-<lb/> handen, aber sie ist nicht so gross, wie Curtius sie hin-<lb/> stellt, wenn er S. 13 sagt: »Man stellt ein Axiom an die<lb/> Spitze, das wenigstens ‚vorzugsweise‘ in jenen <hi rendition="#g">mehr vor-<lb/> ausgesetzten als factisch nachgewiesenen</hi> Natur-<lb/> mundarten gelten soll, und wendet es <hi rendition="#g">ohne alles Be-<lb/> denken</hi> auf Sprachen an, die <hi rendition="#g">von ganz anderer Art</hi><lb/> sind.« Die von mir gesperrt gedruckten Worte dieses Satzes<lb/> scheinen mir nicht frei von Uebertreibung zu sein.<lb/></p> <p> Auch in Bezug auf die Nothwendigkeit, Uebergangs-<lb/> zustände anzunehmen, scheint keine Meinungsverschieden-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0019]
lich auszuscheiden, aber diese praktische Schwierigkeit bil-
det keinen Gegengrund gegen die principielle Richtigkeit
der Forderung, welche Curtius übrigens jetzt nicht leugnet 1).
Unter diesen Umständen darf es nicht auffallen, wenn
wiederholt gerathen worden ist, man solle die Natur des
Lautwandels weniger an den Literatursprachen des Alter-
thums, als vielmehr an den Volkssprachen der Gegenwart
studiren. Curtius scheint nicht geneigt, die Richtigkeit
dieser Forderung in Abrede zu stellen, fügt aber (S. 13) die
Frage an, wo uns denn solche dem Naturzustand näher
liegende Sprachen wirklich vorliegen. Ich hatte, als ich die
von Curtius angeführten Worte schrieb, namentlich ein Buch
im Sinne, das eine derartige Mundart in musterhafter Weise
beschreibt, nämlich J. Winteler, die Kerenzer Mundart des
Kantons Glarus (Leipzig und Heidelberg 18 76). Wer dieses
Buch (auch die Vorrede ist beherzigenswerth) studirt, wird
gewiss den Eindruck empfangen, dass es jetzt noch Sprachen
giebt, die viel einfacher sind, als z. B. das Neuhochdeutsche.
Dass freilich auch diese nicht frei von Mischung und Asso-
ciationsbildungen sind, bedarf keiner besonderen Versiche-
rung. Die Verschiedenheit von den Cultursprachen ist vor-
handen, aber sie ist nicht so gross, wie Curtius sie hin-
stellt, wenn er S. 13 sagt: »Man stellt ein Axiom an die
Spitze, das wenigstens ‚vorzugsweise‘ in jenen mehr vor-
ausgesetzten als factisch nachgewiesenen Natur-
mundarten gelten soll, und wendet es ohne alles Be-
denken auf Sprachen an, die von ganz anderer Art
sind.« Die von mir gesperrt gedruckten Worte dieses Satzes
scheinen mir nicht frei von Uebertreibung zu sein.
Auch in Bezug auf die Nothwendigkeit, Uebergangs-
zustände anzunehmen, scheint keine Meinungsverschieden-
1) Vgl. dazu meine Einleitung S. 114.
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