Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.III. Vocalismus. Das dritte Capitel handelt von einigen Fragen des Voca- III. Vocalismus. Das dritte Capitel handelt von einigen Fragen des Voca- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0035" n="30"/> <div n="1"><lb/> <head>III.<lb/> Vocalismus.</head><lb/> <p> Das dritte Capitel handelt von einigen Fragen des Voca-<lb/> lismus, welche unter sich in einem systematischen Zusammen-<lb/> hang stehen, der enger ist, als man nach Curtius' Schrift<lb/> annehmen sollte. Wie sehr die Untersuchungen über das <hi rendition="#i">e</hi><lb/> mit denen über den<hi rendition="#i"> r</hi>-Vocal und <hi rendition="#i">n</hi>-Vocal zusammengehören,<lb/> ersieht man am besten aus J. de Saussure's, von Curtius mit<lb/> Recht als feinsinnig bezeichnetem mémoire sur le Système<lb/> primitif des voyelles dans les langues indo-européennes. Ich<lb/> werde diesen Zusammenhang der einzelnen Erscheinungen<lb/> später streifen, handle aber jetzt, indem ich mich der von<lb/> Curtius gewählten Reihenfolge anschliesse, zuerst νοη den-<lb/> jenigen Vocalen, welche man früher als <hi rendition="#i">A</hi>-Vocale bezeich-<lb/> nete, von <hi rendition="#i">ă, ĕ, ŏ</hi>. Bekanntlich entspricht ein <hi rendition="#i">ă</hi> des Sanskrit<lb/> bald einem <hi rendition="#i">α</hi> des Griechischen, z. B. in <hi rendition="#i">áǵāmi ἄγω</hi>, bald<lb/> einem <hi rendition="#i">ε</hi>, z. B. in <hi rendition="#i">bhárāmi φέρω</hi>, bald einem <hi rendition="#i">ο</hi>, z. B. in<lb/><hi rendition="#i">ávis ὄϝiς</hi>. Während man sich nun, wie billig, zunächst mit<lb/> der Feststellung dieser Thatsache begnügte, that Curtius den<lb/> ersten Schritt zur Anbahnung eines geschichtlichen Ver-<lb/> ständnisses, indem er nachwies, dass das e in allen euro-<lb/> päischen Sprachen in vergleichbaren Wörtern an derselben<lb/> Stelle erscheint (z. B. in <hi rendition="#i">φέρω fero berim</hi> u. s. w.), und dar-<lb/> aus schloss. dass ein e an diesen Stellen schon in der Zeit<lb/> der vorauszusetzenden europäischen Einheit vorhanden ge-<lb/> wesen sei. Hinsichtlich des<hi rendition="#i"> ο</hi> schienen ihm die Thatsachen<lb/> für die Gewinnung eines gleichen Schlusses nicht auszu-<lb/> reichen. Wir sind aber an diesem Punkte in der eigen-<lb/> thümlichen Lage, behaupten zu dürfen, dass der Schrift-<lb/> steller mehr wahrscheinlich gemacht hat, als er selber zu-<lb/> giebt. Denn man muss, glaube ich, annehmen, dass, wenn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0035]
III.
Vocalismus.
Das dritte Capitel handelt von einigen Fragen des Voca-
lismus, welche unter sich in einem systematischen Zusammen-
hang stehen, der enger ist, als man nach Curtius' Schrift
annehmen sollte. Wie sehr die Untersuchungen über das e
mit denen über den r-Vocal und n-Vocal zusammengehören,
ersieht man am besten aus J. de Saussure's, von Curtius mit
Recht als feinsinnig bezeichnetem mémoire sur le Système
primitif des voyelles dans les langues indo-européennes. Ich
werde diesen Zusammenhang der einzelnen Erscheinungen
später streifen, handle aber jetzt, indem ich mich der von
Curtius gewählten Reihenfolge anschliesse, zuerst νοη den-
jenigen Vocalen, welche man früher als A-Vocale bezeich-
nete, von ă, ĕ, ŏ. Bekanntlich entspricht ein ă des Sanskrit
bald einem α des Griechischen, z. B. in áǵāmi ἄγω, bald
einem ε, z. B. in bhárāmi φέρω, bald einem ο, z. B. in
ávis ὄϝiς. Während man sich nun, wie billig, zunächst mit
der Feststellung dieser Thatsache begnügte, that Curtius den
ersten Schritt zur Anbahnung eines geschichtlichen Ver-
ständnisses, indem er nachwies, dass das e in allen euro-
päischen Sprachen in vergleichbaren Wörtern an derselben
Stelle erscheint (z. B. in φέρω fero berim u. s. w.), und dar-
aus schloss. dass ein e an diesen Stellen schon in der Zeit
der vorauszusetzenden europäischen Einheit vorhanden ge-
wesen sei. Hinsichtlich des ο schienen ihm die Thatsachen
für die Gewinnung eines gleichen Schlusses nicht auszu-
reichen. Wir sind aber an diesem Punkte in der eigen-
thümlichen Lage, behaupten zu dürfen, dass der Schrift-
steller mehr wahrscheinlich gemacht hat, als er selber zu-
giebt. Denn man muss, glaube ich, annehmen, dass, wenn
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