Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.heit nicht übel zu nehmen. Ich meine eine solche Sicher- Curtius kommt sodann auf die sogenannte Gunatheorie 1) Inwiefern man ein Recht hat, eine Wurzelform wie bheug als
langvocalisch zu bezeichnen, will ich hier nicht erörtern. heit nicht übel zu nehmen. Ich meine eine solche Sicher- Curtius kommt sodann auf die sogenannte Guṇatheorie 1) Inwiefern man ein Recht hat, eine Wurzelform wie bheug als
langvocalisch zu bezeichnen, will ich hier nicht erörtern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="43"/> heit nicht übel zu nehmen. Ich meine eine solche Sicher-<lb/> heit, wie sie bei historischen Rückschlüssen erreichbar ist.<lb/></p> <p>Curtius kommt sodann auf die sogenannte Guṇatheorie<lb/> (S. 120 ff.). Neben <hi rendition="#i">φεύγειν </hi>steht <hi rendition="#i">φυγεῖν.</hi> Wo steckt die<lb/> ältere Form der Wurzel? Im Anschluss an die indischen<lb/> Grammatiker nahm man bis in die neuere Zeit an, <hi rendition="#i">φυγ </hi>sei<lb/> die reine Wurzel und <hi rendition="#i">φευγ</hi> daraus durch Steigerung ent-<lb/> standen. Jetzt sind viele Forscher geneigt, von <hi rendition="#i">φευγ</hi> aus-<lb/> zugehen und <hi rendition="#i">φυγ</hi> daraus durch Verdünnung abzuleiten. Zu<lb/> dieser Meinung führten besonders zwei Gründe. Wenn man<lb/> skr. <hi rendition="#i">émi </hi>(<hi rendition="#i">εἶμι</hi>) mit <hi rendition="#i">imás</hi> (<hi rendition="#i">ἵμεν</hi>) vergleicht, liegt es sehr nahe,<lb/> ei als die ursprüngliche Gestalt anzusehen, weil man in der<lb/> vermuthlich älteren Betonung des Sanskrit einen Grund für<lb/> die Verkürzung erkennen kann. Der Schluss wird weiter<lb/> empfohlen, wenn man <hi rendition="#i">άsmi smάs</hi> neben <hi rendition="#i">émi imάs</hi> stellt.<lb/> Sieht man nämlich <hi rendition="#i">i</hi> als Wurzel an, welche in der schwachen<lb/> Form <hi rendition="#i">imάs</hi> rein vorliegt, so muss man aus der schwachen<lb/> Form <hi rendition="#i">smάs</hi> auch <hi rendition="#i">s</hi> als Wurzel ausziehen, was nach unseren<lb/> bisherigen Anschauungen anstössig sein würde. Demnach<lb/> erscheint es richtiger von es auszugehen, also auch von <hi rendition="#i">ei</hi><lb/> und <hi rendition="#i">bheug</hi>. Der zweite Grund ist eine Parallele ähnlicher<lb/> Art. Seit man erkannt hat, dass <hi rendition="#i">ρα</hi> in <hi rendition="#i">ἕδρακον</hi> dem<hi rendition="#i"> r</hi>-Vocal<lb/> des Indischen entspricht, ergiebt sich, dass <hi rendition="#i">ἕδρακον</hi> sich zu<lb/><hi rendition="#i">δέρχομαι</hi> verhält, wie<hi rendition="#i"> ἕφυγον </hi>zu <hi rendition="#i">φεύγω</hi>. Da man sich nun<lb/> gewöhnt hat, <hi rendition="#i">δερκ</hi> und nicht <hi rendition="#i">δρακ</hi> als Wurzel anzusetzen,<lb/> sollte man auch<hi rendition="#i"> φευγ </hi>und nicht <hi rendition="#i">φυγ</hi> als Urgestalt auf-<lb/> stellen. Es lässt sich wohl nicht leugnen, dass diese Erwä-<lb/> gungen guten Grund haben. Auf der anderen Seite scheint<lb/> mir aber auch der Einwand von Curtius bedeutsam, wo-<lb/> nach es die Consequenz der absteigenden Theorie sein würde,<lb/> Wurzeln mit kurzen Vocalen<note place="foot" n="1)">Inwiefern man ein Recht hat, eine Wurzelform wie <hi rendition="#i">bheug</hi> als<lb/> langvocalisch zu bezeichnen, will ich hier nicht erörtern.<lb/></note> einer späteren Periode zuzu-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [43/0048]
heit nicht übel zu nehmen. Ich meine eine solche Sicher-
heit, wie sie bei historischen Rückschlüssen erreichbar ist.
Curtius kommt sodann auf die sogenannte Guṇatheorie
(S. 120 ff.). Neben φεύγειν steht φυγεῖν. Wo steckt die
ältere Form der Wurzel? Im Anschluss an die indischen
Grammatiker nahm man bis in die neuere Zeit an, φυγ sei
die reine Wurzel und φευγ daraus durch Steigerung ent-
standen. Jetzt sind viele Forscher geneigt, von φευγ aus-
zugehen und φυγ daraus durch Verdünnung abzuleiten. Zu
dieser Meinung führten besonders zwei Gründe. Wenn man
skr. émi (εἶμι) mit imás (ἵμεν) vergleicht, liegt es sehr nahe,
ei als die ursprüngliche Gestalt anzusehen, weil man in der
vermuthlich älteren Betonung des Sanskrit einen Grund für
die Verkürzung erkennen kann. Der Schluss wird weiter
empfohlen, wenn man άsmi smάs neben émi imάs stellt.
Sieht man nämlich i als Wurzel an, welche in der schwachen
Form imάs rein vorliegt, so muss man aus der schwachen
Form smάs auch s als Wurzel ausziehen, was nach unseren
bisherigen Anschauungen anstössig sein würde. Demnach
erscheint es richtiger von es auszugehen, also auch von ei
und bheug. Der zweite Grund ist eine Parallele ähnlicher
Art. Seit man erkannt hat, dass ρα in ἕδρακον dem r-Vocal
des Indischen entspricht, ergiebt sich, dass ἕδρακον sich zu
δέρχομαι verhält, wie ἕφυγον zu φεύγω. Da man sich nun
gewöhnt hat, δερκ und nicht δρακ als Wurzel anzusetzen,
sollte man auch φευγ und nicht φυγ als Urgestalt auf-
stellen. Es lässt sich wohl nicht leugnen, dass diese Erwä-
gungen guten Grund haben. Auf der anderen Seite scheint
mir aber auch der Einwand von Curtius bedeutsam, wo-
nach es die Consequenz der absteigenden Theorie sein würde,
Wurzeln mit kurzen Vocalen 1) einer späteren Periode zuzu-
1) Inwiefern man ein Recht hat, eine Wurzelform wie bheug als
langvocalisch zu bezeichnen, will ich hier nicht erörtern.
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