Devrient, Eduard: Das Nationaltheater des neuen Deutschland. Eine Reformschrift. Leipzig, 1849.geben, daneben zur Befriedigung der Schaulust oder des Soll aber dem deutschen Volke sein Nationaltheater geben, daneben zur Befriedigung der Schauluſt oder des Soll aber dem deutſchen Volke ſein Nationaltheater <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="94"/> geben, daneben zur Befriedigung der Schauluſt oder des<lb/> Bedürfniſſes der Erſchütterung durch Lachen oder Weinen<lb/> dienen — wozu dann die enormen Summen, welche aus<lb/> Landesmitteln zu Gunſten ſo frivoler Anſtalten flie¬<lb/> ßen? Dann mögen diejenigen das Vergnügen bezahlen,<lb/> die es genießen, man ziehe alle Subventionen zurück,<lb/> verpachte die Theater und laſſe den Unfug auf der Bahn<lb/> induſtrieller Speculation dahinſchießen. Die engliſche<lb/> Bühne zeigt: wohin ſie führt; die franzöſiſche wird vor<lb/> ihren Gefahren bis jetzt nur noch durch den angeborenen<lb/> richtigen Sinn ihres Volkes für die dramatiſche Kunſt<lb/> bewahrt. Gewiß iſt, daß auf dieſem Wege keine Bühne<lb/> zur <hi rendition="#g">Veredlung</hi> des Volkes wirken, ja daß ſie vom<lb/> Strome der Vergnügungsluſt ſo weit fortgeriſſen werden<lb/> kann, daß ihre Exiſtenz für die öffentliche Moral bedenk¬<lb/> lich wird.</p><lb/> <p>Soll aber dem deutſchen Volke ſein Nationaltheater<lb/> ſein, was die Folgerichtigkeit ſeines geiſtigen und ſittli¬<lb/> chen Bildungsſtrebens fordert, ſoll es ihm ein Spiegel<lb/> des Lebens, eine Stätte der Selbſterkenntniß, ein heiterer<lb/> Tempel der Begeiſterung für Schönes, Edles und Erha¬<lb/> benes ſein, ſo müſſen ihm auch ernſter Wille und volle<lb/> Mittel dafür zugewendet werden. <hi rendition="#g">Ein ächtes Natio¬<lb/></hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
geben, daneben zur Befriedigung der Schauluſt oder des
Bedürfniſſes der Erſchütterung durch Lachen oder Weinen
dienen — wozu dann die enormen Summen, welche aus
Landesmitteln zu Gunſten ſo frivoler Anſtalten flie¬
ßen? Dann mögen diejenigen das Vergnügen bezahlen,
die es genießen, man ziehe alle Subventionen zurück,
verpachte die Theater und laſſe den Unfug auf der Bahn
induſtrieller Speculation dahinſchießen. Die engliſche
Bühne zeigt: wohin ſie führt; die franzöſiſche wird vor
ihren Gefahren bis jetzt nur noch durch den angeborenen
richtigen Sinn ihres Volkes für die dramatiſche Kunſt
bewahrt. Gewiß iſt, daß auf dieſem Wege keine Bühne
zur Veredlung des Volkes wirken, ja daß ſie vom
Strome der Vergnügungsluſt ſo weit fortgeriſſen werden
kann, daß ihre Exiſtenz für die öffentliche Moral bedenk¬
lich wird.
Soll aber dem deutſchen Volke ſein Nationaltheater
ſein, was die Folgerichtigkeit ſeines geiſtigen und ſittli¬
chen Bildungsſtrebens fordert, ſoll es ihm ein Spiegel
des Lebens, eine Stätte der Selbſterkenntniß, ein heiterer
Tempel der Begeiſterung für Schönes, Edles und Erha¬
benes ſein, ſo müſſen ihm auch ernſter Wille und volle
Mittel dafür zugewendet werden. Ein ächtes Natio¬
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