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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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"Kein Lieb' noch Glaub' ist in der Welt,
Ein jeder spricht: "Hätt' ich nur Geld"!
Das ist ein Zeichen vom End' der Welt."

Das achtunddreißigste Zeichen findet er darin, daß die
Menschen täglich ärger werden, wie wohl sie Christen sein
wollen, während die Geistlichen (wohl bezeichnet) sich ihren
eigenen Turm zu Babel bauen wollten."

Drum:

"Bosheit, Sünde, Laster und Schand',
Nehmen jetzt so allüberall überhand,
Keine Besserung zu hoffen ist,
Bis daß Du kommst, Herr Jesu Christ."

Das vierzigste Anzeichen findet er in der Analogie der
Gegenwart mit den Zeiten Noe's und der Sintflut. Habe
doch der heilige Luther zu seiner Zeit gesagt, daß Sodoma
und Gomorrha nicht den zehnten Teil so bös gewesen sei als
Deutschland; was würde er erst sagen, wenn er dessen durch-
teufelten Zustand erst jetzt sehen würde? Die Konsequenz, die
er daraus zieht:

"Die Zeichen werden lügen nicht.
Christus wird bald kommen zum Gericht."

Aus der Reihe der Zeitgenossen Luthers, welche als
Augenzeugen über das allgemeine Sittenverderben Klage führen,
können wir nur wenige citieren; denn ihre Zahl ist zu groß.

Erasmus fand in diesen Wahrnehmungen die Ursache,
sich von der Sache Luthers zu trennen. Derselbe spricht in
einem Sendschreiben1) an G. Geldenhauer 1526 sich dahin
aus: "Menschensatzungen werden jetzt mit anderen mensch-
lichen, oder vielmehr unmenschlichen Satzungen vertauscht.

1) "Wider diejenigen, die sich fälschlich rühmen, Evangelische zu
sein." Jn Opera Erasm. T. X, 1578--1580.
„Kein Lieb’ noch Glaub’ iſt in der Welt,
Ein jeder ſpricht: „Hätt’ ich nur Geld‟!
Das iſt ein Zeichen vom End’ der Welt.‟

Das achtunddreißigſte Zeichen findet er darin, daß die
Menſchen täglich ärger werden, wie wohl ſie Chriſten ſein
wollen, während die Geiſtlichen (wohl bezeichnet) ſich ihren
eigenen Turm zu Babel bauen wollten.‟

Drum:

„Bosheit, Sünde, Laſter und Schand’,
Nehmen jetzt ſo allüberall überhand,
Keine Beſſerung zu hoffen iſt,
Bis daß Du kommſt, Herr Jeſu Chriſt.‟

Das vierzigſte Anzeichen findet er in der Analogie der
Gegenwart mit den Zeiten Noe’s und der Sintflut. Habe
doch der heilige Luther zu ſeiner Zeit geſagt, daß Sodoma
und Gomorrha nicht den zehnten Teil ſo bös geweſen ſei als
Deutſchland; was würde er erſt ſagen, wenn er deſſen durch-
teufelten Zuſtand erſt jetzt ſehen würde? Die Konſequenz, die
er daraus zieht:

„Die Zeichen werden lügen nicht.
Chriſtus wird bald kommen zum Gericht.‟

Aus der Reihe der Zeitgenoſſen Luthers, welche als
Augenzeugen über das allgemeine Sittenverderben Klage führen,
können wir nur wenige citieren; denn ihre Zahl iſt zu groß.

Erasmus fand in dieſen Wahrnehmungen die Urſache,
ſich von der Sache Luthers zu trennen. Derſelbe ſpricht in
einem Sendſchreiben1) an G. Geldenhauer 1526 ſich dahin
aus: „Menſchenſatzungen werden jetzt mit anderen menſch-
lichen, oder vielmehr unmenſchlichen Satzungen vertauſcht.

1) „Wider diejenigen, die ſich fälſchlich rühmen, Evangeliſche zu
ſein.‟ Jn Opera Erasm. T. X, 1578—1580.
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[43/0055] „Kein Lieb’ noch Glaub’ iſt in der Welt, Ein jeder ſpricht: „Hätt’ ich nur Geld‟! Das iſt ein Zeichen vom End’ der Welt.‟ Das achtunddreißigſte Zeichen findet er darin, daß die Menſchen täglich ärger werden, wie wohl ſie Chriſten ſein wollen, während die Geiſtlichen (wohl bezeichnet) ſich ihren eigenen Turm zu Babel bauen wollten.‟ Drum: „Bosheit, Sünde, Laſter und Schand’, Nehmen jetzt ſo allüberall überhand, Keine Beſſerung zu hoffen iſt, Bis daß Du kommſt, Herr Jeſu Chriſt.‟ Das vierzigſte Anzeichen findet er in der Analogie der Gegenwart mit den Zeiten Noe’s und der Sintflut. Habe doch der heilige Luther zu ſeiner Zeit geſagt, daß Sodoma und Gomorrha nicht den zehnten Teil ſo bös geweſen ſei als Deutſchland; was würde er erſt ſagen, wenn er deſſen durch- teufelten Zuſtand erſt jetzt ſehen würde? Die Konſequenz, die er daraus zieht: „Die Zeichen werden lügen nicht. Chriſtus wird bald kommen zum Gericht.‟ Aus der Reihe der Zeitgenoſſen Luthers, welche als Augenzeugen über das allgemeine Sittenverderben Klage führen, können wir nur wenige citieren; denn ihre Zahl iſt zu groß. Erasmus fand in dieſen Wahrnehmungen die Urſache, ſich von der Sache Luthers zu trennen. Derſelbe ſpricht in einem Sendſchreiben 1) an G. Geldenhauer 1526 ſich dahin aus: „Menſchenſatzungen werden jetzt mit anderen menſch- lichen, oder vielmehr unmenſchlichen Satzungen vertauſcht. 1) „Wider diejenigen, die ſich fälſchlich rühmen, Evangeliſche zu ſein.‟ Jn Opera Erasm. T. X, 1578—1580.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/55>, abgerufen am 04.12.2024.