Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

um die Seinigen und um den Acker, der ihm zur
Bearbeitung übergeben ist, unbekümmert um die Ge-
meinschaft.

Nach meinem Bedünken sind die Universitäten ver-
altete Institute. Sie bedürfen einer Reform. Ich
suche die Nothwendigkeit derselben nachzuweisen. Ich
erhebe zum Theil eine Anklage gegen sie, in ernster,
directer Rede. Wäre auch der Humor mir eigen, ich
würde seinen Gebrauch im vorliegenden Falle verschmä-
hen. Er paßt nicht zu einer so ernsten Sache. Ich
will nicht unterhalten, nicht belustigen, strebe nicht
nach der Eitelkeit, daß man sich einige Abende von
den Histörchen, die ich mittheile, unterhalte -- ich will
nützen. Ich wünsche, daß man die inhaltschwere Sa-
che, von der die Rede ist, wie eine centnerschwere
Masse fühle, wie einen Alp, der uns zu erdrücken
droht, wie ein Gift, daß unser reinstes Herzblut, die
Blüthe der Nation, vergiften kann. Die schwerste
Anklage, die auf Sokrates ruhte, war: er verderbe
die Jugend. Dieselbe Anklage erhebe ich gegen unsre
Universitäten. Sie werden sich schwerlich so rein wa-
schen können, als jener es konnte.

Ich habe Staatswissenschaften nicht studirt, mich
auf Politik nicht gelegt. Darum traue ich mir kein
sicheres Urtheil über allgemeine Angelegenheiten zu.
Es sind dieß sehr schwere Dinge. Aber ich kann mich

um die Seinigen und um den Acker, der ihm zur
Bearbeitung uͤbergeben iſt, unbekuͤmmert um die Ge-
meinſchaft.

Nach meinem Beduͤnken ſind die Univerſitaͤten ver-
altete Inſtitute. Sie beduͤrfen einer Reform. Ich
ſuche die Nothwendigkeit derſelben nachzuweiſen. Ich
erhebe zum Theil eine Anklage gegen ſie, in ernſter,
directer Rede. Waͤre auch der Humor mir eigen, ich
wuͤrde ſeinen Gebrauch im vorliegenden Falle verſchmaͤ-
hen. Er paßt nicht zu einer ſo ernſten Sache. Ich
will nicht unterhalten, nicht beluſtigen, ſtrebe nicht
nach der Eitelkeit, daß man ſich einige Abende von
den Hiſtoͤrchen, die ich mittheile, unterhalte — ich will
nuͤtzen. Ich wuͤnſche, daß man die inhaltſchwere Sa-
che, von der die Rede iſt, wie eine centnerſchwere
Maſſe fuͤhle, wie einen Alp, der uns zu erdruͤcken
droht, wie ein Gift, daß unſer reinſtes Herzblut, die
Bluͤthe der Nation, vergiften kann. Die ſchwerſte
Anklage, die auf Sokrates ruhte, war: er verderbe
die Jugend. Dieſelbe Anklage erhebe ich gegen unſre
Univerſitaͤten. Sie werden ſich ſchwerlich ſo rein wa-
ſchen koͤnnen, als jener es konnte.

Ich habe Staatswiſſenſchaften nicht ſtudirt, mich
auf Politik nicht gelegt. Darum traue ich mir kein
ſicheres Urtheil uͤber allgemeine Angelegenheiten zu.
Es ſind dieß ſehr ſchwere Dinge. Aber ich kann mich

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="VIII"/>
um die Seinigen und um den Acker, der ihm zur<lb/>
Bearbeitung u&#x0364;bergeben i&#x017F;t, unbeku&#x0364;mmert um die Ge-<lb/>
mein&#x017F;chaft.</p><lb/>
        <p>Nach meinem Bedu&#x0364;nken &#x017F;ind die Univer&#x017F;ita&#x0364;ten ver-<lb/>
altete In&#x017F;titute. Sie bedu&#x0364;rfen einer Reform. Ich<lb/>
&#x017F;uche die Nothwendigkeit der&#x017F;elben nachzuwei&#x017F;en. Ich<lb/>
erhebe zum Theil eine Anklage gegen &#x017F;ie, in ern&#x017F;ter,<lb/>
directer Rede. Wa&#x0364;re auch der Humor mir eigen, ich<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;einen Gebrauch im vorliegenden Falle ver&#x017F;chma&#x0364;-<lb/>
hen. Er paßt nicht zu einer &#x017F;o ern&#x017F;ten Sache. Ich<lb/>
will nicht unterhalten, nicht belu&#x017F;tigen, &#x017F;trebe nicht<lb/>
nach der Eitelkeit, daß man &#x017F;ich einige Abende von<lb/>
den Hi&#x017F;to&#x0364;rchen, die ich mittheile, unterhalte &#x2014; ich will<lb/>
nu&#x0364;tzen. Ich wu&#x0364;n&#x017F;che, daß man die inhalt&#x017F;chwere Sa-<lb/>
che, von der die Rede i&#x017F;t, wie eine centner&#x017F;chwere<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;hle, wie einen Alp, der uns zu erdru&#x0364;cken<lb/>
droht, wie ein Gift, daß un&#x017F;er rein&#x017F;tes Herzblut, die<lb/>
Blu&#x0364;the der Nation, vergiften kann. Die &#x017F;chwer&#x017F;te<lb/>
Anklage, die auf Sokrates ruhte, war: er verderbe<lb/>
die Jugend. Die&#x017F;elbe Anklage erhebe ich gegen un&#x017F;re<lb/>
Univer&#x017F;ita&#x0364;ten. Sie werden &#x017F;ich &#x017F;chwerlich &#x017F;o rein wa-<lb/>
&#x017F;chen ko&#x0364;nnen, als jener es konnte.</p><lb/>
        <p>Ich habe Staatswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften nicht &#x017F;tudirt, mich<lb/>
auf Politik nicht gelegt. Darum traue ich mir kein<lb/>
&#x017F;icheres Urtheil u&#x0364;ber allgemeine Angelegenheiten zu.<lb/>
Es &#x017F;ind dieß &#x017F;ehr &#x017F;chwere Dinge. Aber ich kann mich<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[VIII/0014] um die Seinigen und um den Acker, der ihm zur Bearbeitung uͤbergeben iſt, unbekuͤmmert um die Ge- meinſchaft. Nach meinem Beduͤnken ſind die Univerſitaͤten ver- altete Inſtitute. Sie beduͤrfen einer Reform. Ich ſuche die Nothwendigkeit derſelben nachzuweiſen. Ich erhebe zum Theil eine Anklage gegen ſie, in ernſter, directer Rede. Waͤre auch der Humor mir eigen, ich wuͤrde ſeinen Gebrauch im vorliegenden Falle verſchmaͤ- hen. Er paßt nicht zu einer ſo ernſten Sache. Ich will nicht unterhalten, nicht beluſtigen, ſtrebe nicht nach der Eitelkeit, daß man ſich einige Abende von den Hiſtoͤrchen, die ich mittheile, unterhalte — ich will nuͤtzen. Ich wuͤnſche, daß man die inhaltſchwere Sa- che, von der die Rede iſt, wie eine centnerſchwere Maſſe fuͤhle, wie einen Alp, der uns zu erdruͤcken droht, wie ein Gift, daß unſer reinſtes Herzblut, die Bluͤthe der Nation, vergiften kann. Die ſchwerſte Anklage, die auf Sokrates ruhte, war: er verderbe die Jugend. Dieſelbe Anklage erhebe ich gegen unſre Univerſitaͤten. Sie werden ſich ſchwerlich ſo rein wa- ſchen koͤnnen, als jener es konnte. Ich habe Staatswiſſenſchaften nicht ſtudirt, mich auf Politik nicht gelegt. Darum traue ich mir kein ſicheres Urtheil uͤber allgemeine Angelegenheiten zu. Es ſind dieß ſehr ſchwere Dinge. Aber ich kann mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/14
Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/14>, abgerufen am 03.12.2024.