Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.Fürchte man nicht, wir werden die Strenge der Schul- 2) Entwicklung der Selbstthätigkeit des Den- kens. Oben ist diese schon namhaft gemacht worden; hier muß Fuͤrchte man nicht, wir werden die Strenge der Schul- 2) Entwicklung der Selbſtthaͤtigkeit des Den- kens. Oben iſt dieſe ſchon namhaft gemacht worden; hier muß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0034" n="16"/> <p>Fuͤrchte man nicht, wir werden die Strenge der Schul-<lb/> disciplin fordern. Nur in der Freiheit reift man zur Freiheit.<lb/> Und es iſt beſſer, daß Einer zu Grund gehe, als daß alle<lb/> unter kleinlicher Bewachung klein bleiben. Aber man unter-<lb/> ſcheide auch zwiſchen vernuͤnftiger Freiheit, die man leiden-<lb/> ſchaftlichen Juͤnglingen geſtattet, und Libertinage. Darum<lb/> poſitive Hebel und Kraͤfte. Von ihnen nennen wir zuerſt:</p><lb/> <list> <item>2) <hi rendition="#g">Entwicklung der Selbſtthaͤtigkeit des Den-<lb/> kens</hi>.</item> </list><lb/> <p>Oben iſt dieſe ſchon namhaft gemacht worden; hier muß<lb/> ſie wieder auftreten, weil der Wille, der Charakter durch das<lb/> Denken bemeiſtert und geleitet werden ſoll bei intelligenten<lb/> Weſen. Weg darum mit aller Paſſivitaͤt im Lernen und Den-<lb/> ken, mit blind todtem Annehmen gegebener Stoffe des Wiſſens!<lb/> Nicht das Wiſſen kraͤftigt, ſondern das Verſtehen; nicht die<lb/> Aufſammlung im Gedaͤchtniß, ſondern das Verarbeiten mit<lb/> dem Verſtande; nicht das Aufſpeichern der Maſſen, ſondern<lb/> das Aſſimiliren; nicht das Betrachten, ſondern das Suchen;<lb/> nicht das Glauben, ſondern das Pruͤfen; nicht das Lernen,<lb/> ſondern das Ueben; nicht das Fertige, ſondern das Zuberei-<lb/> ten; nicht das Vorkauen, ſondern das Zergliedern; nicht das<lb/> Nehmen, ſondern das Machen. Die darin liegende Wahrheit<lb/> iſt laͤngſt von den Elementarlehrern eingeſehen und angenom-<lb/> men worden; ſie muß nun auch mit Strenge und Unbedingt-<lb/> heit unſern Hochſchullehrern gepredigt werden. Veraͤchtlich<lb/> blicken ſie meiſt auf das Wiſſen und die Kuͤnſte der Schul-<lb/> meiſter hinab; aber, beim Jupiter, ſehr viele koͤnnen von die-<lb/> ſen verachteten, oft hungernden Schulmeiſtern Etwas lernen,<lb/> die große Wahrheit: daß es bei der Geiſtes- und Charakter-<lb/> bildung weit mehr ankommt auf das <hi rendition="#g">Wie</hi> als das <hi rendition="#g">Was,</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0034]
Fuͤrchte man nicht, wir werden die Strenge der Schul-
disciplin fordern. Nur in der Freiheit reift man zur Freiheit.
Und es iſt beſſer, daß Einer zu Grund gehe, als daß alle
unter kleinlicher Bewachung klein bleiben. Aber man unter-
ſcheide auch zwiſchen vernuͤnftiger Freiheit, die man leiden-
ſchaftlichen Juͤnglingen geſtattet, und Libertinage. Darum
poſitive Hebel und Kraͤfte. Von ihnen nennen wir zuerſt:
2) Entwicklung der Selbſtthaͤtigkeit des Den-
kens.
Oben iſt dieſe ſchon namhaft gemacht worden; hier muß
ſie wieder auftreten, weil der Wille, der Charakter durch das
Denken bemeiſtert und geleitet werden ſoll bei intelligenten
Weſen. Weg darum mit aller Paſſivitaͤt im Lernen und Den-
ken, mit blind todtem Annehmen gegebener Stoffe des Wiſſens!
Nicht das Wiſſen kraͤftigt, ſondern das Verſtehen; nicht die
Aufſammlung im Gedaͤchtniß, ſondern das Verarbeiten mit
dem Verſtande; nicht das Aufſpeichern der Maſſen, ſondern
das Aſſimiliren; nicht das Betrachten, ſondern das Suchen;
nicht das Glauben, ſondern das Pruͤfen; nicht das Lernen,
ſondern das Ueben; nicht das Fertige, ſondern das Zuberei-
ten; nicht das Vorkauen, ſondern das Zergliedern; nicht das
Nehmen, ſondern das Machen. Die darin liegende Wahrheit
iſt laͤngſt von den Elementarlehrern eingeſehen und angenom-
men worden; ſie muß nun auch mit Strenge und Unbedingt-
heit unſern Hochſchullehrern gepredigt werden. Veraͤchtlich
blicken ſie meiſt auf das Wiſſen und die Kuͤnſte der Schul-
meiſter hinab; aber, beim Jupiter, ſehr viele koͤnnen von die-
ſen verachteten, oft hungernden Schulmeiſtern Etwas lernen,
die große Wahrheit: daß es bei der Geiſtes- und Charakter-
bildung weit mehr ankommt auf das Wie als das Was,
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