Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.soll der gewöhnliche Student in dieser langen Zeit machen? Daß in jedem Semester alle Hauptcollegien eines Faches Sie kennen den Gehorsam gegen die Vorgesetzten nicht. 3) Sie interessiren sich nicht für das Indi- Was für herrliche Bande umschlossen ehemals den Mei- ſoll der gewoͤhnliche Student in dieſer langen Zeit machen? Daß in jedem Semeſter alle Hauptcollegien eines Faches Sie kennen den Gehorſam gegen die Vorgeſetzten nicht. 3) Sie intereſſiren ſich nicht fuͤr das Indi- Was fuͤr herrliche Bande umſchloſſen ehemals den Mei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0067" n="49"/> ſoll der gewoͤhnliche Student in dieſer langen Zeit machen?<lb/> Schon die lange Weile, das Nichtsthun, das leere Herum-<lb/> ziehen und Herumliegen macht die Baͤuche faul. Die den<lb/> Univerſitaͤten vorgeſetzten Behoͤrden ſehen dieſes ſehr wohl ein,<lb/> ſie befehlen: Kuͤnftig darf Keiner vor dem 15. September<lb/> ſchließen. Aber ſchon den 15. Auguſt ſtehen die Hoͤrſaͤle leer.<lb/> In dem Kataloge iſt der Anfang der Wintervorleſungen auf<lb/> den 18. October angeſetzt; ſelten lieſ’t Einer vor dem 1. No-<lb/> vember, Mancher nicht vor dem 10ten.</p><lb/> <p>Daß in jedem Semeſter alle Hauptcollegien eines Faches<lb/> geleſen werden, es iſt, beſonders auf einer großen Univerſitaͤt,<lb/> die billigſte Forderung. Das Miniſterium befiehlt daher, die<lb/> Profeſſoren <hi rendition="#g">einer</hi> Facultaͤt ſollen ſich daruͤber verſtaͤndigen.<lb/> Aber Jeder lieſ’t nach wie vor ſeine Lieblingsgegenſtaͤnde, d. h.<lb/> diejenigen, die am erſten ein volles Auditorium liefern. So<lb/> wird <hi rendition="#g">dieſelbe</hi> Disciplin oft von drei bis ſechs Docenten an-<lb/> gezeigt, waͤhrend andere, vielleicht eben ſo wichtige, leer aus-<lb/> gehen.</p><lb/> <p>Sie kennen den Gehorſam gegen die Vorgeſetzten nicht.<lb/> Wie die Franzoſen <hi rendition="#g">aller</hi> Parteien darin einig ſind, daß das<lb/> linke Rheinufer ihnen gehoͤre, ſo ſtimmen auch Profeſſoren<lb/> aller Richtungen darin uͤberein, ſich von alten Vorrechten<lb/> nichts nehmen zu laſſen, ſollte es auch Geſetz und Ordnung<lb/> verlangen.</p><lb/> <p>3) <hi rendition="#g">Sie intereſſiren ſich nicht fuͤr das Indi-<lb/> viduum</hi>.</p><lb/> <p>Was fuͤr herrliche Bande umſchloſſen ehemals den Mei-<lb/> ſter und ſeine Juͤnger, damals, als jeder Hochbegabte eine<lb/> Schule bildete: gegenſeitige Liebe, die vaͤterliche von oben, die<lb/> auf Hochachtung gegruͤndete von unten — die <hi rendition="#g">Pietaͤt</hi>. Der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0067]
ſoll der gewoͤhnliche Student in dieſer langen Zeit machen?
Schon die lange Weile, das Nichtsthun, das leere Herum-
ziehen und Herumliegen macht die Baͤuche faul. Die den
Univerſitaͤten vorgeſetzten Behoͤrden ſehen dieſes ſehr wohl ein,
ſie befehlen: Kuͤnftig darf Keiner vor dem 15. September
ſchließen. Aber ſchon den 15. Auguſt ſtehen die Hoͤrſaͤle leer.
In dem Kataloge iſt der Anfang der Wintervorleſungen auf
den 18. October angeſetzt; ſelten lieſ’t Einer vor dem 1. No-
vember, Mancher nicht vor dem 10ten.
Daß in jedem Semeſter alle Hauptcollegien eines Faches
geleſen werden, es iſt, beſonders auf einer großen Univerſitaͤt,
die billigſte Forderung. Das Miniſterium befiehlt daher, die
Profeſſoren einer Facultaͤt ſollen ſich daruͤber verſtaͤndigen.
Aber Jeder lieſ’t nach wie vor ſeine Lieblingsgegenſtaͤnde, d. h.
diejenigen, die am erſten ein volles Auditorium liefern. So
wird dieſelbe Disciplin oft von drei bis ſechs Docenten an-
gezeigt, waͤhrend andere, vielleicht eben ſo wichtige, leer aus-
gehen.
Sie kennen den Gehorſam gegen die Vorgeſetzten nicht.
Wie die Franzoſen aller Parteien darin einig ſind, daß das
linke Rheinufer ihnen gehoͤre, ſo ſtimmen auch Profeſſoren
aller Richtungen darin uͤberein, ſich von alten Vorrechten
nichts nehmen zu laſſen, ſollte es auch Geſetz und Ordnung
verlangen.
3) Sie intereſſiren ſich nicht fuͤr das Indi-
viduum.
Was fuͤr herrliche Bande umſchloſſen ehemals den Mei-
ſter und ſeine Juͤnger, damals, als jeder Hochbegabte eine
Schule bildete: gegenſeitige Liebe, die vaͤterliche von oben, die
auf Hochachtung gegruͤndete von unten — die Pietaͤt. Der
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