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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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Monopolen kann keine Rede sein, aber auch nicht von dem
andern Extrem, einer allgemeinen Gewerbefreiheit. Schon in
materiellen Dingen führt sie in der Regel zu unleugbaren
Nachtheilen, noch mehr in geistigen. Denn sie erzeugt unter
den Lehrern derselben Facultät Neid und Eifersucht, Rang-
streit und alle die gehässigen Rancünen, von welchen selbst
die Studenten so viel zu erzählen wissen. Ein College sucht
dem andern den Rang abzulaufen und das Heer der Akade-
miker auf seine Seite zu ziehen, in seinen Hörsaal zu locken,
oft vielleicht durch unwürdige, äußerliche Künste, welche die
Menge bestechen. So sehen wir unsere Professoren den Götzen
des Tages huldigen, nach Ergötzung, Schein und Belustigung
der Zuhörer haschen, das Glänzende dem Ernsten und Tiefen
vorziehen, das Pikante und sogenannte Geistreiche dem Ein-
fachen und Wahren. Die Gebrechen der Tagesliteratur drin-
gen so in die Hörsäle und verderben den Geschmack der Jüng-
linge an der schlichten, nackten Wahrheit. Der akademische
Lehrer muß ohne äußere Sorgen seinem geistigen Berufe leben
können, damit man mit Recht ihm die Forderung stellen könne,
nach der Wissenschaft und Wahrheit zu trachten, und nicht
nach den Dingen, die von dieser Welt sind. Auch die akade-
mischen Lehrer können nicht zugleich Gott dienen und dem
Mammon.

2) Sie achten nicht den Gehorsam, nicht die Sub-
ordination
-- sie, die für den Staatsdienst erziehen sollen.

Es ist weltbekannt, sie rühmen sich dieses Sinnes, als
eines Zeichens selbstständiger Kraft und des Bewahrens cor-
porativer Stärke, selbst gegen ihre Studenten. Die bis zu
10 und 12 Wochen mißbräuchlich ausgedehnten Herbstferien,
nachdem das Sommersemester oft nur 12 Wochen gedauert
hat, -- sie sind ein Mißbrauch und ein Uebel. Denn was

Monopolen kann keine Rede ſein, aber auch nicht von dem
andern Extrem, einer allgemeinen Gewerbefreiheit. Schon in
materiellen Dingen fuͤhrt ſie in der Regel zu unleugbaren
Nachtheilen, noch mehr in geiſtigen. Denn ſie erzeugt unter
den Lehrern derſelben Facultaͤt Neid und Eiferſucht, Rang-
ſtreit und alle die gehaͤſſigen Rancuͤnen, von welchen ſelbſt
die Studenten ſo viel zu erzaͤhlen wiſſen. Ein College ſucht
dem andern den Rang abzulaufen und das Heer der Akade-
miker auf ſeine Seite zu ziehen, in ſeinen Hoͤrſaal zu locken,
oft vielleicht durch unwuͤrdige, aͤußerliche Kuͤnſte, welche die
Menge beſtechen. So ſehen wir unſere Profeſſoren den Goͤtzen
des Tages huldigen, nach Ergoͤtzung, Schein und Beluſtigung
der Zuhoͤrer haſchen, das Glaͤnzende dem Ernſten und Tiefen
vorziehen, das Pikante und ſogenannte Geiſtreiche dem Ein-
fachen und Wahren. Die Gebrechen der Tagesliteratur drin-
gen ſo in die Hoͤrſaͤle und verderben den Geſchmack der Juͤng-
linge an der ſchlichten, nackten Wahrheit. Der akademiſche
Lehrer muß ohne aͤußere Sorgen ſeinem geiſtigen Berufe leben
koͤnnen, damit man mit Recht ihm die Forderung ſtellen koͤnne,
nach der Wiſſenſchaft und Wahrheit zu trachten, und nicht
nach den Dingen, die von dieſer Welt ſind. Auch die akade-
miſchen Lehrer koͤnnen nicht zugleich Gott dienen und dem
Mammon.

2) Sie achten nicht den Gehorſam, nicht die Sub-
ordination
— ſie, die fuͤr den Staatsdienſt erziehen ſollen.

Es iſt weltbekannt, ſie ruͤhmen ſich dieſes Sinnes, als
eines Zeichens ſelbſtſtaͤndiger Kraft und des Bewahrens cor-
porativer Staͤrke, ſelbſt gegen ihre Studenten. Die bis zu
10 und 12 Wochen mißbraͤuchlich ausgedehnten Herbſtferien,
nachdem das Sommerſemeſter oft nur 12 Wochen gedauert
hat, — ſie ſind ein Mißbrauch und ein Uebel. Denn was

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[48/0066] Monopolen kann keine Rede ſein, aber auch nicht von dem andern Extrem, einer allgemeinen Gewerbefreiheit. Schon in materiellen Dingen fuͤhrt ſie in der Regel zu unleugbaren Nachtheilen, noch mehr in geiſtigen. Denn ſie erzeugt unter den Lehrern derſelben Facultaͤt Neid und Eiferſucht, Rang- ſtreit und alle die gehaͤſſigen Rancuͤnen, von welchen ſelbſt die Studenten ſo viel zu erzaͤhlen wiſſen. Ein College ſucht dem andern den Rang abzulaufen und das Heer der Akade- miker auf ſeine Seite zu ziehen, in ſeinen Hoͤrſaal zu locken, oft vielleicht durch unwuͤrdige, aͤußerliche Kuͤnſte, welche die Menge beſtechen. So ſehen wir unſere Profeſſoren den Goͤtzen des Tages huldigen, nach Ergoͤtzung, Schein und Beluſtigung der Zuhoͤrer haſchen, das Glaͤnzende dem Ernſten und Tiefen vorziehen, das Pikante und ſogenannte Geiſtreiche dem Ein- fachen und Wahren. Die Gebrechen der Tagesliteratur drin- gen ſo in die Hoͤrſaͤle und verderben den Geſchmack der Juͤng- linge an der ſchlichten, nackten Wahrheit. Der akademiſche Lehrer muß ohne aͤußere Sorgen ſeinem geiſtigen Berufe leben koͤnnen, damit man mit Recht ihm die Forderung ſtellen koͤnne, nach der Wiſſenſchaft und Wahrheit zu trachten, und nicht nach den Dingen, die von dieſer Welt ſind. Auch die akade- miſchen Lehrer koͤnnen nicht zugleich Gott dienen und dem Mammon. 2) Sie achten nicht den Gehorſam, nicht die Sub- ordination — ſie, die fuͤr den Staatsdienſt erziehen ſollen. Es iſt weltbekannt, ſie ruͤhmen ſich dieſes Sinnes, als eines Zeichens ſelbſtſtaͤndiger Kraft und des Bewahrens cor- porativer Staͤrke, ſelbſt gegen ihre Studenten. Die bis zu 10 und 12 Wochen mißbraͤuchlich ausgedehnten Herbſtferien, nachdem das Sommerſemeſter oft nur 12 Wochen gedauert hat, — ſie ſind ein Mißbrauch und ein Uebel. Denn was

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/66>, abgerufen am 24.11.2024.