Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.Wirkt der, der einen gefüllten Hörsaal hat, wirklich besser, Nein, das Beziehen des Honorars von dem Einzelnen Ihr denkt, und Ihr habt den Einwand bei der Hand: Vernehmt doch die Urtheile, die unsere Studenten darü- Wirkt der, der einen gefuͤllten Hoͤrſaal hat, wirklich beſſer, Nein, das Beziehen des Honorars von dem Einzelnen Ihr denkt, und Ihr habt den Einwand bei der Hand: Vernehmt doch die Urtheile, die unſere Studenten daruͤ- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="47"/> Wirkt der, der einen gefuͤllten Hoͤrſaal hat, wirklich beſſer,<lb/> tuͤchtiger, bildender, als der, der von einer kleineren Schaar<lb/> von Juͤngern umgeben iſt? Ihr Alle ſprechet nein, denn<lb/> Jedermann weiß: Auch unter den Studenten giebt es Fuͤhrer<lb/> und Leithaͤmmel und Macher; die uͤbrige Maſſe folgt, verſteht<lb/> nichts und lernt nichts, aber ſie ſtimmt ein in das Lob der<lb/> Chorfuͤhrer.</p><lb/> <p>Nein, das Beziehen des Honorars von dem Einzelnen<lb/> iſt ein Grundverderben der Univerſitaͤt.</p><lb/> <p>Ihr denkt, und Ihr habt den Einwand bei der Hand:<lb/> wenn wir die Honorare abſchaffen, wird dann der und jener<lb/> auch noch mit Eifer und Fleiß leſen? Wie, im Ernſte, Ihr<lb/> denkt wirklich ſo? Nun ſehet: dann habt Ihr ein viel haͤrte-<lb/> res und ſchaͤrferes Urtheil uͤber die Profeſſoren ausgeſprochen,<lb/> als ich es auf hundert Bogen vermag. Aber ich glaube es,<lb/> ich weiß es, Ihr denkt es wirklich. So weit ſind wir ge-<lb/> kommen, d. h. geſunken, daß wir Impulſe, die man bei Dorf-<lb/> ſchullehrern nicht mehr fuͤr noͤthig erklaͤrt, und die man an<lb/> vielen Orten abgeſchafft hat, und zwar ſo unreine und gemeine<lb/> Impulſe, wie Gold und Silber, noch fuͤr noͤthig erklaͤrt, um<lb/> unſere Akademiker, die Maͤnner, die mit dem Geiſte der alten<lb/> und mit dem Mark der neuen Zeit aufgenaͤhrt ſind, auf eine<lb/> oder zwei Stunden am Tage in Thaͤtigkeit zu erhalten!</p><lb/> <p>Vernehmt doch die Urtheile, die unſere Studenten daruͤ-<lb/> ber faͤllen und welche Anekdoͤtchen ſie erzaͤhlen! Doch <hi rendition="#aq">no-<lb/> mina sunt odiosa.</hi> Sie thun auch nichts zur Sache, weil<lb/> ſo viele von dieſer Peſt des Geizes und der Habſucht ange-<lb/> ſteckt ſind. Andern verzeihen wir es, weil auch die <hi rendition="#g">Wiſſen-<lb/> ſchaft</hi> leider oft nach Brot gehen muß, indem man ſelbſt<lb/> auf den Univerſitaͤten eine nicht nur bedenkliche, ſondern offen-<lb/> bar hoͤchſt ſchaͤdliche Concurrenz zugiebt oder veranlaßt. Von<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0065]
Wirkt der, der einen gefuͤllten Hoͤrſaal hat, wirklich beſſer,
tuͤchtiger, bildender, als der, der von einer kleineren Schaar
von Juͤngern umgeben iſt? Ihr Alle ſprechet nein, denn
Jedermann weiß: Auch unter den Studenten giebt es Fuͤhrer
und Leithaͤmmel und Macher; die uͤbrige Maſſe folgt, verſteht
nichts und lernt nichts, aber ſie ſtimmt ein in das Lob der
Chorfuͤhrer.
Nein, das Beziehen des Honorars von dem Einzelnen
iſt ein Grundverderben der Univerſitaͤt.
Ihr denkt, und Ihr habt den Einwand bei der Hand:
wenn wir die Honorare abſchaffen, wird dann der und jener
auch noch mit Eifer und Fleiß leſen? Wie, im Ernſte, Ihr
denkt wirklich ſo? Nun ſehet: dann habt Ihr ein viel haͤrte-
res und ſchaͤrferes Urtheil uͤber die Profeſſoren ausgeſprochen,
als ich es auf hundert Bogen vermag. Aber ich glaube es,
ich weiß es, Ihr denkt es wirklich. So weit ſind wir ge-
kommen, d. h. geſunken, daß wir Impulſe, die man bei Dorf-
ſchullehrern nicht mehr fuͤr noͤthig erklaͤrt, und die man an
vielen Orten abgeſchafft hat, und zwar ſo unreine und gemeine
Impulſe, wie Gold und Silber, noch fuͤr noͤthig erklaͤrt, um
unſere Akademiker, die Maͤnner, die mit dem Geiſte der alten
und mit dem Mark der neuen Zeit aufgenaͤhrt ſind, auf eine
oder zwei Stunden am Tage in Thaͤtigkeit zu erhalten!
Vernehmt doch die Urtheile, die unſere Studenten daruͤ-
ber faͤllen und welche Anekdoͤtchen ſie erzaͤhlen! Doch no-
mina sunt odiosa. Sie thun auch nichts zur Sache, weil
ſo viele von dieſer Peſt des Geizes und der Habſucht ange-
ſteckt ſind. Andern verzeihen wir es, weil auch die Wiſſen-
ſchaft leider oft nach Brot gehen muß, indem man ſelbſt
auf den Univerſitaͤten eine nicht nur bedenkliche, ſondern offen-
bar hoͤchſt ſchaͤdliche Concurrenz zugiebt oder veranlaßt. Von
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