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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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nicht. Auch vergißt er Mappe und Dintenfaß nicht. Letztes
ist absolut nöthig, denn die Vorlesungen sind zwar nicht wohl-
feil, aber das Honorar reicht nicht hin, ihn von Universitäts-
wegen mit Dinte zu versorgen. Er muß sie sich selbst mit-
bringen, es ist nicht anders, mögen auch die Beinkleider
darunter leiden. Dafür aber darf er auch die Tische in dem
Hörsaale durchbohren, und bei langer Weile zerschneiden. Er
muß den Namen der Geliebten verewigen. Unsere Hörsäle
sehen darum aus, daß man sich schämen muß, wenn ein
Fremder sie betritt. Unsre Jünglinge üben sich während des
Zuhörens und während der langen Pausen -- denn das aka-
demische Viertel oder bisweilen auch Drittel wird niemals im
Eifer des Lesens vergessen -- in der Zerstörung des Staats-
eigenthums. Sie sind in dieser Beziehung in guter Schule.

Die Vorlesung beginnt nach langem Warten. Das War-
ten macht müde. Glücklich, dreimal glücklich nun der Jüng-
ling, wenn er vor einem Manne sitzt, der Gedanken mittheilt,
gleich einem Fixsterne mit eignem Lichte leuchtet und seine
durstige Seele zum kastalischen Quell hinleitet. Nun kann er
trinken in langen und tiefen Zügen, wenn die Umstände, das
Leben überhaupt, das er seit 23 Stunden geführt hat, es er-
lauben. Gottlob, es giebt noch solcher Docenten. Sie sind
zwar so häufig nicht, wie die Fixsterne; aber wenn nur jede
Facultät, wenn nur die philosophische, die allgemeine, Einen
besitzt, es ist ein hohes, unschätzbares, leider ein seltenes
Glück. Ewige Anerkennung, Ruhm und Dank einem Manne,
wie Schleiermacher, der täglich drei Stunden hinter ein-
ander in Brillantfeuer strahlte. Hier war das akademische
Viertel einmal eine Wohlthat; man fühlte das Bedürfniß,
auszuruhen, die zu Tage geförderten Schätze zu sammeln, zu
ordnen, sich an ihrem Besitze zu weiden.

nicht. Auch vergißt er Mappe und Dintenfaß nicht. Letztes
iſt abſolut noͤthig, denn die Vorleſungen ſind zwar nicht wohl-
feil, aber das Honorar reicht nicht hin, ihn von Univerſitaͤts-
wegen mit Dinte zu verſorgen. Er muß ſie ſich ſelbſt mit-
bringen, es iſt nicht anders, moͤgen auch die Beinkleider
darunter leiden. Dafuͤr aber darf er auch die Tiſche in dem
Hoͤrſaale durchbohren, und bei langer Weile zerſchneiden. Er
muß den Namen der Geliebten verewigen. Unſere Hoͤrſaͤle
ſehen darum aus, daß man ſich ſchaͤmen muß, wenn ein
Fremder ſie betritt. Unſre Juͤnglinge uͤben ſich waͤhrend des
Zuhoͤrens und waͤhrend der langen Pauſen — denn das aka-
demiſche Viertel oder bisweilen auch Drittel wird niemals im
Eifer des Leſens vergeſſen — in der Zerſtoͤrung des Staats-
eigenthums. Sie ſind in dieſer Beziehung in guter Schule.

Die Vorleſung beginnt nach langem Warten. Das War-
ten macht muͤde. Gluͤcklich, dreimal gluͤcklich nun der Juͤng-
ling, wenn er vor einem Manne ſitzt, der Gedanken mittheilt,
gleich einem Fixſterne mit eignem Lichte leuchtet und ſeine
durſtige Seele zum kaſtaliſchen Quell hinleitet. Nun kann er
trinken in langen und tiefen Zuͤgen, wenn die Umſtaͤnde, das
Leben uͤberhaupt, das er ſeit 23 Stunden gefuͤhrt hat, es er-
lauben. Gottlob, es giebt noch ſolcher Docenten. Sie ſind
zwar ſo haͤufig nicht, wie die Fixſterne; aber wenn nur jede
Facultaͤt, wenn nur die philoſophiſche, die allgemeine, Einen
beſitzt, es iſt ein hohes, unſchaͤtzbares, leider ein ſeltenes
Gluͤck. Ewige Anerkennung, Ruhm und Dank einem Manne,
wie Schleiermacher, der taͤglich drei Stunden hinter ein-
ander in Brillantfeuer ſtrahlte. Hier war das akademiſche
Viertel einmal eine Wohlthat; man fuͤhlte das Beduͤrfniß,
auszuruhen, die zu Tage gefoͤrderten Schaͤtze zu ſammeln, zu
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[66/0084] nicht. Auch vergißt er Mappe und Dintenfaß nicht. Letztes iſt abſolut noͤthig, denn die Vorleſungen ſind zwar nicht wohl- feil, aber das Honorar reicht nicht hin, ihn von Univerſitaͤts- wegen mit Dinte zu verſorgen. Er muß ſie ſich ſelbſt mit- bringen, es iſt nicht anders, moͤgen auch die Beinkleider darunter leiden. Dafuͤr aber darf er auch die Tiſche in dem Hoͤrſaale durchbohren, und bei langer Weile zerſchneiden. Er muß den Namen der Geliebten verewigen. Unſere Hoͤrſaͤle ſehen darum aus, daß man ſich ſchaͤmen muß, wenn ein Fremder ſie betritt. Unſre Juͤnglinge uͤben ſich waͤhrend des Zuhoͤrens und waͤhrend der langen Pauſen — denn das aka- demiſche Viertel oder bisweilen auch Drittel wird niemals im Eifer des Leſens vergeſſen — in der Zerſtoͤrung des Staats- eigenthums. Sie ſind in dieſer Beziehung in guter Schule. Die Vorleſung beginnt nach langem Warten. Das War- ten macht muͤde. Gluͤcklich, dreimal gluͤcklich nun der Juͤng- ling, wenn er vor einem Manne ſitzt, der Gedanken mittheilt, gleich einem Fixſterne mit eignem Lichte leuchtet und ſeine durſtige Seele zum kaſtaliſchen Quell hinleitet. Nun kann er trinken in langen und tiefen Zuͤgen, wenn die Umſtaͤnde, das Leben uͤberhaupt, das er ſeit 23 Stunden gefuͤhrt hat, es er- lauben. Gottlob, es giebt noch ſolcher Docenten. Sie ſind zwar ſo haͤufig nicht, wie die Fixſterne; aber wenn nur jede Facultaͤt, wenn nur die philoſophiſche, die allgemeine, Einen beſitzt, es iſt ein hohes, unſchaͤtzbares, leider ein ſeltenes Gluͤck. Ewige Anerkennung, Ruhm und Dank einem Manne, wie Schleiermacher, der taͤglich drei Stunden hinter ein- ander in Brillantfeuer ſtrahlte. Hier war das akademiſche Viertel einmal eine Wohlthat; man fuͤhlte das Beduͤrfniß, auszuruhen, die zu Tage gefoͤrderten Schaͤtze zu ſammeln, zu ordnen, ſich an ihrem Beſitze zu weiden.

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/84>, abgerufen am 24.11.2024.