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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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eigen sein soll, die großen Gebrechen unserer Universitäten, so
wird man gewiß auch die Mittel entdecken, durch welche den-
selben begegnet werden kann. Was der Eine nicht sieht und
weiß, erkennt und versteht der Andere, und die freie Discus-
sion wird die einseitigen Standpunkte der Einzelnen zu allsei-
tiger Auffassung vereinigen. In großen Dingen etwas gelei-
stet zu haben, selbst wenn es bei einer zeitgemäßen Anregung
geblieben wäre, verdient schon Anerkennung. Darum sage
der, der das Bessere weiß, dieses Bessere!


Schluß.

Worin ich das Verderben auf den deutschen Universitäten
finde, habe ich gesagt, unverholen und derb. Dieß war meine
Absicht. Ich stehe deßhalb am Schlusse. Auch habe ich nicht
verholen, was ich für eine Verbesserung ansehen würde. Ich
will Solches zusammenfassen. Vorher aber muß ich noch ein-
mal auf die wichtige Wahrheit aufmerksam machen, daß es
Einzelheiten sind, durch deren alleinige Einführung eine völ-
lige Umgestaltung in dem Grade und Maße, wie die Univer-
sitäten sie bedürfen, nicht herbeigeführt werden kann. Diese
hängt ab von der Umgestaltung anderer Lebensverhältnisse,
mit welchen unsere Unterrichtsanstalten verbunden sind, seit-
wärts und jenseits derselben. Nicht die Professoren, deren
Wissenschaftlichkeit und Methode u. s. w. sind die alleinige
Hauptsache für die Bildung der Studirenden: es ist das Le-
ben des ganzen Volkes, das ganze Leben auf der Hochschule,
der Geist, der die Menschen treibt, da wo jene die ersten
Schritte in's Leben thun, die Richtung auf das Gemeine oder
Höhere, welche vorherrscht, die ausschließliche Beschäftigung

eigen ſein ſoll, die großen Gebrechen unſerer Univerſitaͤten, ſo
wird man gewiß auch die Mittel entdecken, durch welche den-
ſelben begegnet werden kann. Was der Eine nicht ſieht und
weiß, erkennt und verſteht der Andere, und die freie Discuſ-
ſion wird die einſeitigen Standpunkte der Einzelnen zu allſei-
tiger Auffaſſung vereinigen. In großen Dingen etwas gelei-
ſtet zu haben, ſelbſt wenn es bei einer zeitgemaͤßen Anregung
geblieben waͤre, verdient ſchon Anerkennung. Darum ſage
der, der das Beſſere weiß, dieſes Beſſere!


Schluß.

Worin ich das Verderben auf den deutſchen Univerſitaͤten
finde, habe ich geſagt, unverholen und derb. Dieß war meine
Abſicht. Ich ſtehe deßhalb am Schluſſe. Auch habe ich nicht
verholen, was ich fuͤr eine Verbeſſerung anſehen wuͤrde. Ich
will Solches zuſammenfaſſen. Vorher aber muß ich noch ein-
mal auf die wichtige Wahrheit aufmerkſam machen, daß es
Einzelheiten ſind, durch deren alleinige Einfuͤhrung eine voͤl-
lige Umgeſtaltung in dem Grade und Maße, wie die Univer-
ſitaͤten ſie beduͤrfen, nicht herbeigefuͤhrt werden kann. Dieſe
haͤngt ab von der Umgeſtaltung anderer Lebensverhaͤltniſſe,
mit welchen unſere Unterrichtsanſtalten verbunden ſind, ſeit-
waͤrts und jenſeits derſelben. Nicht die Profeſſoren, deren
Wiſſenſchaftlichkeit und Methode u. ſ. w. ſind die alleinige
Hauptſache fuͤr die Bildung der Studirenden: es iſt das Le-
ben des ganzen Volkes, das ganze Leben auf der Hochſchule,
der Geiſt, der die Menſchen treibt, da wo jene die erſten
Schritte in’s Leben thun, die Richtung auf das Gemeine oder
Hoͤhere, welche vorherrſcht, die ausſchließliche Beſchaͤftigung

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[73/0091] eigen ſein ſoll, die großen Gebrechen unſerer Univerſitaͤten, ſo wird man gewiß auch die Mittel entdecken, durch welche den- ſelben begegnet werden kann. Was der Eine nicht ſieht und weiß, erkennt und verſteht der Andere, und die freie Discuſ- ſion wird die einſeitigen Standpunkte der Einzelnen zu allſei- tiger Auffaſſung vereinigen. In großen Dingen etwas gelei- ſtet zu haben, ſelbſt wenn es bei einer zeitgemaͤßen Anregung geblieben waͤre, verdient ſchon Anerkennung. Darum ſage der, der das Beſſere weiß, dieſes Beſſere! Schluß. Worin ich das Verderben auf den deutſchen Univerſitaͤten finde, habe ich geſagt, unverholen und derb. Dieß war meine Abſicht. Ich ſtehe deßhalb am Schluſſe. Auch habe ich nicht verholen, was ich fuͤr eine Verbeſſerung anſehen wuͤrde. Ich will Solches zuſammenfaſſen. Vorher aber muß ich noch ein- mal auf die wichtige Wahrheit aufmerkſam machen, daß es Einzelheiten ſind, durch deren alleinige Einfuͤhrung eine voͤl- lige Umgeſtaltung in dem Grade und Maße, wie die Univer- ſitaͤten ſie beduͤrfen, nicht herbeigefuͤhrt werden kann. Dieſe haͤngt ab von der Umgeſtaltung anderer Lebensverhaͤltniſſe, mit welchen unſere Unterrichtsanſtalten verbunden ſind, ſeit- waͤrts und jenſeits derſelben. Nicht die Profeſſoren, deren Wiſſenſchaftlichkeit und Methode u. ſ. w. ſind die alleinige Hauptſache fuͤr die Bildung der Studirenden: es iſt das Le- ben des ganzen Volkes, das ganze Leben auf der Hochſchule, der Geiſt, der die Menſchen treibt, da wo jene die erſten Schritte in’s Leben thun, die Richtung auf das Gemeine oder Hoͤhere, welche vorherrſcht, die ausſchließliche Beſchaͤftigung

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/91>, abgerufen am 21.11.2024.