Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.dem Vörder-Bug rannte, und ein Loch ins Schiff, also groß als eine Merseburger Bier-Kufe, daß Masten und Stänge erschütterten und ich auf den Rücken mit meiner Tobackpfeife fiel. Ich hörete gleich das Rauschen des Wassers ins Schiff. Da hieß es: "Daß GOtt erbarme, daß GOtt erbarme! Nun ist Schiff und alles verloren!" - Jeder rappete, was ihm lieb war, zusammen und stieg über Bord in die Schaluppen - denn das Schiff fing an zu sinken. Da war wieder Not! "Ach, Herr GOtt, dachte ich, hilf mir diesmal davon; ich will mein Tag nicht wiederkommen!" - Damit nahm ich meinen Beutel mit zwei Hembden, meine Bücher und einige Zwiebackbrot und stieg auch über Bord. Da kam der Küfer (wovon ich oben gedacht, welchen ich mit Branntwein kurieret hatte) und schrie laut: "Manne, as ju dem Hüs von Holland een Eid hefft schworen, dat Schepp nie to verlaade, blievt do! un zündt mi Licht an, in'n Rum, do to siehen, ob dem Schepp noch to helpe!" - Worauf das Volk wieder zurück ins Schiff sprang und ihm Licht anzündete. Damit er unten stieg. Kam aber bald wieder und sprach: "Well, dat Schepp is to rette." Da brachten sie die schweren Stück und Sachen auf die gute Seite des Schiffs, zogen alle Segel ein und legten das Schiff an, mit einem großen Haken, an einen Eisberg; setzten zwei Pumpen ins Schiff, an welchen Tag und Nacht sechszehen Mann plumpen mußten; da kam das Loch des Schiffes außer Wasser, und wir wurden durch GOttes Gnade erhalten. Der Kommandeur hatte sich indeß in seine Kajüt versteckt und verschlossen, aus Furcht vor dem Volk; weil er an diesem Unglück, wider alle Warnung, schuld hatte. Welcher sich auch, wie ich hernach von ihm hörete, wann das Schiff nicht wär erhalten worden, resolvieret: es in die Luft zu sprengen. dem Vörder-Bug rannte, und ein Loch ins Schiff, also groß als eine Merseburger Bier-Kufe, daß Masten und Stänge erschütterten und ich auf den Rücken mit meiner Tobackpfeife fiel. Ich hörete gleich das Rauschen des Wassers ins Schiff. Da hieß es: „Daß GOtt erbarme, daß GOtt erbarme! Nun ist Schiff und alles verloren!“ – Jeder rappete, was ihm lieb war, zusammen und stieg über Bord in die Schaluppen – denn das Schiff fing an zu sinken. Da war wieder Not! „Ach, Herr GOtt, dachte ich, hilf mir diesmal davon; ich will mein Tag nicht wiederkommen!“ – Damit nahm ich meinen Beutel mit zwei Hembden, meine Bücher und einige Zwiebackbrot und stieg auch über Bord. Da kam der Küfer (wovon ich oben gedacht, welchen ich mit Branntwein kurieret hatte) und schrie laut: „Manne, as ju dem Hüs von Holland een Eid hefft schworen, dat Schepp nie to verlaade, blievt do! un zündt mi Licht an, in’n Rum, do to siehen, ob dem Schepp noch to helpe!“ – Worauf das Volk wieder zurück ins Schiff sprang und ihm Licht anzündete. Damit er unten stieg. Kam aber bald wieder und sprach: „Well, dat Schepp is to rette.“ Da brachten sie die schweren Stück und Sachen auf die gute Seite des Schiffs, zogen alle Segel ein und legten das Schiff an, mit einem großen Haken, an einen Eisberg; setzten zwei Pumpen ins Schiff, an welchen Tag und Nacht sechszehen Mann plumpen mußten; da kam das Loch des Schiffes außer Wasser, und wir wurden durch GOttes Gnade erhalten. Der Kommandeur hatte sich indeß in seine Kajüt versteckt und verschlossen, aus Furcht vor dem Volk; weil er an diesem Unglück, wider alle Warnung, schuld hatte. Welcher sich auch, wie ich hernach von ihm hörete, wann das Schiff nicht wär erhalten worden, resolvieret: es in die Luft zu sprengen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164"/> dem Vörder-Bug rannte, und ein Loch ins Schiff, also groß als eine Merseburger Bier-Kufe, daß Masten und Stänge erschütterten und ich auf den Rücken mit meiner Tobackpfeife fiel. Ich hörete gleich das Rauschen des Wassers ins Schiff. Da hieß es: „Daß GOtt erbarme, daß GOtt erbarme! Nun ist Schiff und alles verloren!“ – Jeder rappete, was ihm lieb war, zusammen und stieg über Bord in die Schaluppen – denn das Schiff fing an zu sinken. Da war wieder Not!</p> <p>„Ach, Herr GOtt, dachte ich, hilf mir diesmal davon; ich will mein Tag nicht wiederkommen!“ – Damit nahm ich meinen Beutel mit zwei Hembden, meine Bücher und einige Zwiebackbrot und stieg auch über Bord.</p> <p>Da kam der Küfer (wovon ich oben gedacht, welchen ich mit Branntwein kurieret hatte) und schrie laut: „Manne, as ju dem Hüs von Holland een Eid hefft schworen, dat Schepp nie to verlaade, blievt do! un zündt mi Licht an, in’n Rum, do to siehen, ob dem Schepp noch to helpe!“ – Worauf das Volk wieder zurück ins Schiff sprang und ihm Licht anzündete. Damit er unten stieg. Kam aber bald wieder und sprach: „Well, dat Schepp is to rette.“</p> <p>Da brachten sie die schweren Stück und Sachen auf die gute Seite des Schiffs, zogen alle Segel ein und legten das Schiff an, mit einem großen Haken, an einen Eisberg; setzten zwei Pumpen ins Schiff, an welchen Tag und Nacht sechszehen Mann plumpen mußten; da kam das Loch des Schiffes außer Wasser, und wir wurden durch GOttes Gnade erhalten.</p> <p>Der Kommandeur hatte sich indeß in seine Kajüt versteckt und verschlossen, aus Furcht vor dem Volk; weil er an diesem Unglück, wider alle Warnung, schuld hatte. Welcher sich auch, wie ich hernach von ihm hörete, wann das Schiff nicht wär erhalten worden, resolvieret: es in die Luft zu sprengen.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
dem Vörder-Bug rannte, und ein Loch ins Schiff, also groß als eine Merseburger Bier-Kufe, daß Masten und Stänge erschütterten und ich auf den Rücken mit meiner Tobackpfeife fiel. Ich hörete gleich das Rauschen des Wassers ins Schiff. Da hieß es: „Daß GOtt erbarme, daß GOtt erbarme! Nun ist Schiff und alles verloren!“ – Jeder rappete, was ihm lieb war, zusammen und stieg über Bord in die Schaluppen – denn das Schiff fing an zu sinken. Da war wieder Not!
„Ach, Herr GOtt, dachte ich, hilf mir diesmal davon; ich will mein Tag nicht wiederkommen!“ – Damit nahm ich meinen Beutel mit zwei Hembden, meine Bücher und einige Zwiebackbrot und stieg auch über Bord.
Da kam der Küfer (wovon ich oben gedacht, welchen ich mit Branntwein kurieret hatte) und schrie laut: „Manne, as ju dem Hüs von Holland een Eid hefft schworen, dat Schepp nie to verlaade, blievt do! un zündt mi Licht an, in’n Rum, do to siehen, ob dem Schepp noch to helpe!“ – Worauf das Volk wieder zurück ins Schiff sprang und ihm Licht anzündete. Damit er unten stieg. Kam aber bald wieder und sprach: „Well, dat Schepp is to rette.“
Da brachten sie die schweren Stück und Sachen auf die gute Seite des Schiffs, zogen alle Segel ein und legten das Schiff an, mit einem großen Haken, an einen Eisberg; setzten zwei Pumpen ins Schiff, an welchen Tag und Nacht sechszehen Mann plumpen mußten; da kam das Loch des Schiffes außer Wasser, und wir wurden durch GOttes Gnade erhalten.
Der Kommandeur hatte sich indeß in seine Kajüt versteckt und verschlossen, aus Furcht vor dem Volk; weil er an diesem Unglück, wider alle Warnung, schuld hatte. Welcher sich auch, wie ich hernach von ihm hörete, wann das Schiff nicht wär erhalten worden, resolvieret: es in die Luft zu sprengen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition
(2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition
(2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |