Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

war ein klein Hirtenhäuslein, da das Licht durch die Laden gesehen wurde.

Ich klopfte an die Fensterladen etliche mal an. Der Mann that, als höre er's nicht. Endlich fragete er stark: "Wat is denn buten?" - Ich sagt: "Ach, lieber Freund, ich habe mich verirret, laßt mich doch diese Nacht in eurem Haus liegen." - "Ei wat, sagte er, wie machen nich open, wer weeß, wer ju bindt?" - Ich antwortet: "Ich bin der Feldscher aus Crempe und habe mich verspätet." - "Wat bin ju? warumb bin ju nich drin blieven?" - Die Frau war im Wochenbette und redete dem Mann zu: er sollte mich einlassen. Worauf er mir aufmachte, und ich mit ihm zur Stube eingehen mußte.

Da sahe die Frau mit einem langen Hals aus dem Bett. Und als sie merkten: daß ich nicht so ein Kerl, wie sie anfangs gemeinet, fragten sie mich: ob ich etwas essen wollte? - Ich sagt: ja, wollt es gerne bezahlen. - Da kam die Frau aus dem Bett und machte mir eine gute Kofent-Suppe mit Eiern, item gekochte Eier und geräucherte Wurst und einen Krug ihres guten Kofentes. Welches mir überaus wohl that; denn ich hatte mich hungrig und durstig gelaufen. Ich fing an, den Leuten etwas zu erzählen. Denn sie höreten die hochdeutsche Sprache gern, sonderlich die Frau, welche jung und wohlgestalt. Endlich machten sie mir auch eine Streu in die Stube. Und als ich die Vergnüglichkeit der Leutchen sahe, wünschte ich mir bei mir selbst: GOtt möchte mir doch auch einmal ein solches Hüttchen und Vergnügen geben. (NB. Und hat Er mir's hernach drei- ja vierfach aus Gnaden zugewandt; wie hernach folget. Da gedenke ich dran. Darum: sollte man nicht meinen, daß GOtt oft solche Seufzer in Gnaden erhöret und sie ihm angenehm sind?) Des Morgens stund ich auf, und da war wieder meine Suppe und Butterbrot. Und wollten keine Bezahlung annehmen.

war ein klein Hirtenhäuslein, da das Licht durch die Laden gesehen wurde.

Ich klopfte an die Fensterladen etliche mal an. Der Mann that, als höre er’s nicht. Endlich fragete er stark: „Wat is denn buten?“ – Ich sagt: „Ach, lieber Freund, ich habe mich verirret, laßt mich doch diese Nacht in eurem Haus liegen.“ – „Ei wat, sagte er, wie machen nich open, wer weeß, wer ju bindt?“ – Ich antwortet: „Ich bin der Feldscher aus Crempe und habe mich verspätet.“ – „Wat bin ju? warumb bin ju nich drin blieven?“ – Die Frau war im Wochenbette und redete dem Mann zu: er sollte mich einlassen. Worauf er mir aufmachte, und ich mit ihm zur Stube eingehen mußte.

Da sahe die Frau mit einem langen Hals aus dem Bett. Und als sie merkten: daß ich nicht so ein Kerl, wie sie anfangs gemeinet, fragten sie mich: ob ich etwas essen wollte? – Ich sagt: ja, wollt es gerne bezahlen. – Da kam die Frau aus dem Bett und machte mir eine gute Kofent-Suppe mit Eiern, item gekochte Eier und geräucherte Wurst und einen Krug ihres guten Kofentes. Welches mir überaus wohl that; denn ich hatte mich hungrig und durstig gelaufen. Ich fing an, den Leuten etwas zu erzählen. Denn sie höreten die hochdeutsche Sprache gern, sonderlich die Frau, welche jung und wohlgestalt. Endlich machten sie mir auch eine Streu in die Stube. Und als ich die Vergnüglichkeit der Leutchen sahe, wünschte ich mir bei mir selbst: GOtt möchte mir doch auch einmal ein solches Hüttchen und Vergnügen geben. (NB. Und hat Er mir’s hernach drei- ja vierfach aus Gnaden zugewandt; wie hernach folget. Da gedenke ich dran. Darum: sollte man nicht meinen, daß GOtt oft solche Seufzer in Gnaden erhöret und sie ihm angenehm sind?) Des Morgens stund ich auf, und da war wieder meine Suppe und Butterbrot. Und wollten keine Bezahlung annehmen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0188"/>
war ein klein Hirtenhäuslein, da das Licht durch die Laden gesehen wurde.</p>
          <p>Ich klopfte an die Fensterladen etliche mal an. Der Mann that, als höre er&#x2019;s nicht. Endlich fragete er stark: &#x201E;Wat is denn buten?&#x201C; &#x2013; Ich sagt: &#x201E;Ach, lieber Freund, ich habe mich verirret, laßt mich doch diese Nacht in eurem Haus liegen.&#x201C; &#x2013; &#x201E;Ei wat, sagte er, wie machen nich open, wer weeß, wer ju bindt?&#x201C; &#x2013; Ich antwortet: &#x201E;Ich bin der Feldscher aus Crempe und habe mich verspätet.&#x201C; &#x2013; &#x201E;Wat bin ju? warumb bin ju nich drin blieven?&#x201C; &#x2013; Die Frau war im Wochenbette und redete dem Mann zu: er sollte mich einlassen. Worauf er mir aufmachte, und ich mit ihm zur Stube eingehen mußte.</p>
          <p>Da sahe die Frau mit einem langen Hals aus dem Bett. Und als sie merkten: daß ich nicht so ein Kerl, wie sie anfangs gemeinet, fragten sie mich: ob ich etwas essen wollte? &#x2013; Ich sagt: ja, wollt es gerne bezahlen. &#x2013; Da kam die Frau aus dem Bett und machte mir eine gute Kofent-Suppe mit Eiern, <hi rendition="#aq">item</hi> gekochte Eier und geräucherte Wurst und einen Krug ihres guten Kofentes. Welches mir überaus wohl that; denn ich hatte mich hungrig und durstig gelaufen. Ich fing an, den Leuten etwas zu erzählen. Denn sie höreten die hochdeutsche Sprache gern, sonderlich die Frau, welche jung und wohlgestalt. Endlich machten sie mir auch eine Streu in die Stube. Und als ich die Vergnüglichkeit der Leutchen sahe, wünschte ich mir bei mir selbst: GOtt möchte mir doch auch einmal ein solches Hüttchen und Vergnügen geben. (<hi rendition="#aq">NB</hi>. Und hat Er mir&#x2019;s hernach drei- ja vierfach aus Gnaden zugewandt; wie hernach folget. Da gedenke ich dran. Darum: sollte man nicht meinen, daß GOtt oft solche Seufzer in Gnaden erhöret und sie ihm angenehm sind?) Des Morgens stund ich auf, und da war wieder meine Suppe und Butterbrot. Und wollten keine Bezahlung annehmen.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] war ein klein Hirtenhäuslein, da das Licht durch die Laden gesehen wurde. Ich klopfte an die Fensterladen etliche mal an. Der Mann that, als höre er’s nicht. Endlich fragete er stark: „Wat is denn buten?“ – Ich sagt: „Ach, lieber Freund, ich habe mich verirret, laßt mich doch diese Nacht in eurem Haus liegen.“ – „Ei wat, sagte er, wie machen nich open, wer weeß, wer ju bindt?“ – Ich antwortet: „Ich bin der Feldscher aus Crempe und habe mich verspätet.“ – „Wat bin ju? warumb bin ju nich drin blieven?“ – Die Frau war im Wochenbette und redete dem Mann zu: er sollte mich einlassen. Worauf er mir aufmachte, und ich mit ihm zur Stube eingehen mußte. Da sahe die Frau mit einem langen Hals aus dem Bett. Und als sie merkten: daß ich nicht so ein Kerl, wie sie anfangs gemeinet, fragten sie mich: ob ich etwas essen wollte? – Ich sagt: ja, wollt es gerne bezahlen. – Da kam die Frau aus dem Bett und machte mir eine gute Kofent-Suppe mit Eiern, item gekochte Eier und geräucherte Wurst und einen Krug ihres guten Kofentes. Welches mir überaus wohl that; denn ich hatte mich hungrig und durstig gelaufen. Ich fing an, den Leuten etwas zu erzählen. Denn sie höreten die hochdeutsche Sprache gern, sonderlich die Frau, welche jung und wohlgestalt. Endlich machten sie mir auch eine Streu in die Stube. Und als ich die Vergnüglichkeit der Leutchen sahe, wünschte ich mir bei mir selbst: GOtt möchte mir doch auch einmal ein solches Hüttchen und Vergnügen geben. (NB. Und hat Er mir’s hernach drei- ja vierfach aus Gnaden zugewandt; wie hernach folget. Da gedenke ich dran. Darum: sollte man nicht meinen, daß GOtt oft solche Seufzer in Gnaden erhöret und sie ihm angenehm sind?) Des Morgens stund ich auf, und da war wieder meine Suppe und Butterbrot. Und wollten keine Bezahlung annehmen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/188
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/188>, abgerufen am 23.11.2024.