Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Was der geistige Vorgang am Kosmos auffaßt. dar, daß wir alle überhaupt möglichen Sinne besitzen 1), sonachdie gesammte Realität auch durch unsere Sinne aufgefaßt wird, und diese Ueberzeugung kann als der Schlußstein seines objektiven Realismus betrachtet werden. Wie das Sinnesorgan zum Wahr- nehmbaren, so verhält sich alsdann die Vernunft, der Nus, zum Denkbaren. Dem entsprechend erfaßt auch die Vernunft die Prin- zipien durch eine unmittelbare Anschauung, welche jeden Irrthum ausschließt 2); ein solches Prinzip ist das Denkgesetz vom Wider- spruch. Aber weder der Umfang der im Nus angelegten Prinzi- pien der Erkenntniß noch die Stellung des von den Wahrnehmungen zurückschreitenden, induktiven Vorgangs zu den ursprünglichen im Nus angelegten Begriffen und Axiomen gelangt schließlich zur Klarheit. Dieser objektive Standpunkt des Aristoteles repräsentirt die Zwar hatte die Wissenschaft des Kosmos von den Objekten die 1) de anima III, 1 p. 424 b 22. 2) Vgl. den Schluß der in den beiden Analytiken uns vorliegenden logischen Hauptschrift Analyt. post. II, 19 p. 100 b. 3) Vgl. S. 181 f.
Was der geiſtige Vorgang am Kosmos auffaßt. dar, daß wir alle überhaupt möglichen Sinne beſitzen 1), ſonachdie geſammte Realität auch durch unſere Sinne aufgefaßt wird, und dieſe Ueberzeugung kann als der Schlußſtein ſeines objektiven Realismus betrachtet werden. Wie das Sinnesorgan zum Wahr- nehmbaren, ſo verhält ſich alsdann die Vernunft, der Nus, zum Denkbaren. Dem entſprechend erfaßt auch die Vernunft die Prin- zipien durch eine unmittelbare Anſchauung, welche jeden Irrthum ausſchließt 2); ein ſolches Prinzip iſt das Denkgeſetz vom Wider- ſpruch. Aber weder der Umfang der im Nus angelegten Prinzi- pien der Erkenntniß noch die Stellung des von den Wahrnehmungen zurückſchreitenden, induktiven Vorgangs zu den urſprünglichen im Nus angelegten Begriffen und Axiomen gelangt ſchließlich zur Klarheit. Dieſer objektive Standpunkt des Ariſtoteles repräſentirt die Zwar hatte die Wiſſenſchaft des Kosmos von den Objekten die 1) de anima III, 1 p. 424 b 22. 2) Vgl. den Schluß der in den beiden Analytiken uns vorliegenden logiſchen Hauptſchrift Analyt. post. II, 19 p. 100 b. 3) Vgl. S. 181 f.
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Was der geiſtige Vorgang am Kosmos auffaßt.
dar, daß wir alle überhaupt möglichen Sinne beſitzen 1), ſonach
die geſammte Realität auch durch unſere Sinne aufgefaßt wird,
und dieſe Ueberzeugung kann als der Schlußſtein ſeines objektiven
Realismus betrachtet werden. Wie das Sinnesorgan zum Wahr-
nehmbaren, ſo verhält ſich alsdann die Vernunft, der Nus, zum
Denkbaren. Dem entſprechend erfaßt auch die Vernunft die Prin-
zipien durch eine unmittelbare Anſchauung, welche jeden Irrthum
ausſchließt 2); ein ſolches Prinzip iſt das Denkgeſetz vom Wider-
ſpruch. Aber weder der Umfang der im Nus angelegten Prinzi-
pien der Erkenntniß noch die Stellung des von den Wahrnehmungen
zurückſchreitenden, induktiven Vorgangs zu den urſprünglichen im Nus
angelegten Begriffen und Axiomen gelangt ſchließlich zur Klarheit.
Dieſer objektive Standpunkt des Ariſtoteles repräſentirt die
natürliche Stellung der Intelligenz des Menſchen zum Kosmos.
Und zwar war es nun zweitens durch das Stadium, in welchem
zu der Zeit des Ariſtoteles die Wiſſenſchaft ſich befand, be-
dingt, was die Intelligenz an dem Kosmos damals erkannte.
Zwar hatte die Wiſſenſchaft des Kosmos von den Objekten die
Betrachtung der allgemeinen Beziehungen losgelöſt, welche zwiſchen
Zahlen, Raumgebilden herrſchen 3); dagegen beſtand noch kein von
den Objekten abſtrahirendes, abgeſondertes und in ſich zuſammen-
hängendes Studium anderer Eigenſchaften derſelben, wie etwa der
Bewegung, der Schwere oder des Lichtes. Die Schulen des Anaxa-
goras, Leukipp und Demokrit neigten ſich einer theilweiſe oder
ganz mechaniſchen Betrachtungsweiſe zu, doch haben auch ſie nur
höchſt unbeſtimmte, unzuſammenhängende und theilweiſe irrige
Vorſtellungen von Bewegung, Druck, Schwere etc. für ihre Er-
klärung des Kosmos angewandt, und wir erkannten hierin den
Grund, aus dem die mechaniſche Betrachtungsweiſe im Kampf mit
derjenigen unterlag, welche die Formen mit pſychiſchen Weſen-
1) de anima III, 1 p. 424 b 22.
2) Vgl. den Schluß der in den beiden Analytiken uns vorliegenden
logiſchen Hauptſchrift Analyt. post. II, 19 p. 100 b.
3) Vgl. S. 181 f.
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