Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Erstes einleitendes Buch. treten aus dem Reich der Personen würde in dem Geistigen seinenGrund haben. Das System solcher Individuen würde in reinen Geisteswissenschaften erkannt werden. In Wirklichkeit entsteht ein Individuum, wird erhalten und entwickelt sich auf Grund der Funktionen des thierischen Organismus und ihrer Beziehungen zu dem umgebenden Naturlauf; sein Lebensgefühl ist wenigstens theilweise in diesen Funktionen gegründet; seine Eindrücke sind von den Sinnesorganen und ihren Affektionen seitens der Außen- welt bedingt; den Reichthum und die Beweglichkeit seiner Vor- stellungen und die Stärke sowie die Richtung seiner Willensakte finden wir vielfach von Veränderungen in seinem Nervensystem abhängig. Sein Willensantrieb bringt Muskelfasern zur Ver- kürzung und so ist sein Wirken nach außen an Veränderungen in den Lageverhältnissen der Massentheilchen des Organismus ge- bunden; dauernde Erfolge seiner Willenshandlungen existiren nur in der Form von Veränderungen innerhalb der materiellen Welt. So ist das geistige Leben eines Menschen ein nur durch Abstrak- tion loslösbarer Theil der psycho-physischen Lebenseinheit, als welche ein Menschendasein und Menschenleben sich darstellt. Das System dieser Lebenseinheiten ist die Wirklichkeit, welche den Gegen- stand der geschichtlich-gesellschaftlichen Wissenschaften ausmacht. Und zwar ist der Mensch als Lebenseinheit, vermöge des Erſtes einleitendes Buch. treten aus dem Reich der Perſonen würde in dem Geiſtigen ſeinenGrund haben. Das Syſtem ſolcher Individuen würde in reinen Geiſteswiſſenſchaften erkannt werden. In Wirklichkeit entſteht ein Individuum, wird erhalten und entwickelt ſich auf Grund der Funktionen des thieriſchen Organismus und ihrer Beziehungen zu dem umgebenden Naturlauf; ſein Lebensgefühl iſt wenigſtens theilweiſe in dieſen Funktionen gegründet; ſeine Eindrücke ſind von den Sinnesorganen und ihren Affektionen ſeitens der Außen- welt bedingt; den Reichthum und die Beweglichkeit ſeiner Vor- ſtellungen und die Stärke ſowie die Richtung ſeiner Willensakte finden wir vielfach von Veränderungen in ſeinem Nervenſyſtem abhängig. Sein Willensantrieb bringt Muskelfaſern zur Ver- kürzung und ſo iſt ſein Wirken nach außen an Veränderungen in den Lageverhältniſſen der Maſſentheilchen des Organismus ge- bunden; dauernde Erfolge ſeiner Willenshandlungen exiſtiren nur in der Form von Veränderungen innerhalb der materiellen Welt. So iſt das geiſtige Leben eines Menſchen ein nur durch Abſtrak- tion loslösbarer Theil der pſycho-phyſiſchen Lebenseinheit, als welche ein Menſchendaſein und Menſchenleben ſich darſtellt. Das Syſtem dieſer Lebenseinheiten iſt die Wirklichkeit, welche den Gegen- ſtand der geſchichtlich-geſellſchaftlichen Wiſſenſchaften ausmacht. Und zwar iſt der Menſch als Lebenseinheit, vermöge des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="18"/><fw place="top" type="header">Erſtes einleitendes Buch.</fw><lb/> treten aus dem Reich der Perſonen würde in dem Geiſtigen ſeinen<lb/> Grund haben. Das Syſtem ſolcher Individuen würde in reinen<lb/> Geiſteswiſſenſchaften erkannt werden. 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Erſtes einleitendes Buch.
treten aus dem Reich der Perſonen würde in dem Geiſtigen ſeinen
Grund haben. Das Syſtem ſolcher Individuen würde in reinen
Geiſteswiſſenſchaften erkannt werden. In Wirklichkeit entſteht ein
Individuum, wird erhalten und entwickelt ſich auf Grund der
Funktionen des thieriſchen Organismus und ihrer Beziehungen zu
dem umgebenden Naturlauf; ſein Lebensgefühl iſt wenigſtens
theilweiſe in dieſen Funktionen gegründet; ſeine Eindrücke ſind
von den Sinnesorganen und ihren Affektionen ſeitens der Außen-
welt bedingt; den Reichthum und die Beweglichkeit ſeiner Vor-
ſtellungen und die Stärke ſowie die Richtung ſeiner Willensakte
finden wir vielfach von Veränderungen in ſeinem Nervenſyſtem
abhängig. Sein Willensantrieb bringt Muskelfaſern zur Ver-
kürzung und ſo iſt ſein Wirken nach außen an Veränderungen in
den Lageverhältniſſen der Maſſentheilchen des Organismus ge-
bunden; dauernde Erfolge ſeiner Willenshandlungen exiſtiren nur
in der Form von Veränderungen innerhalb der materiellen Welt.
So iſt das geiſtige Leben eines Menſchen ein nur durch Abſtrak-
tion loslösbarer Theil der pſycho-phyſiſchen Lebenseinheit, als
welche ein Menſchendaſein und Menſchenleben ſich darſtellt. Das
Syſtem dieſer Lebenseinheiten iſt die Wirklichkeit, welche den Gegen-
ſtand der geſchichtlich-geſellſchaftlichen Wiſſenſchaften ausmacht.
Und zwar iſt der Menſch als Lebenseinheit, vermöge des
doppelten Standpunktes unſerer Auffaſſung (gleichviel welcher der
metaphyſiſche Thatbeſtand ſei), ſo weit inneres Gewahrwerden
reicht, als ein Zuſammenhang geiſtiger Thatſachen, ſo weit wir
dagegen mit den Sinnen auffaſſen, als ein körperliches Ganze für
uns da. Inneres Gewahrwerden und äußere Auffaſſung finden
niemals in demſelben Akte ſtatt und daher iſt uns die Thatſache
des geiſtigen Lebens nie mit der unſeres Körpers zugleich gegeben.
Hieraus ergeben ſich mit Nothwendigkeit zwei verſchiedene, nicht in
einander aufhebbare Standpunkte für die wiſſenſchaftliche Auffaſſung,
welche die geiſtigen Thatſachen und die Körperwelt in ihrem Zu-
ſammenhang, deſſen Ausdruck die pſycho-phyſiſche Lebenseinheit
iſt, erfaſſen will. Gehe ich von der inneren Erfahrung aus, ſo
finde ich die geſammte Außenwelt in meinem Bewußtſein gegeben,
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