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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.

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bereiten sie die Einsicht vor, daß in der Welt mehr und anderes
als dieser enthalten ist. Darin allein lag die vorübergehende
Bedeutung der Metaphysik Schopenhauers und ihm verwandter
Schriftsteller. Sie ist im Grunde eine Mystik des neunzehnten
Jahrhunderts und ein lebens-, willenskräftiger Protest gegen alle
Metaphysik als folgerichtige Wissenschaft. Wann dagegen das Er-
kennen nach dem Satze vom Grunde sich des Subjektes des Welt-
laufs zu bemächtigen entschlossen ist, entdeckt es nur Denknoth-
wendigkeit als den Kern der Welt, daher besteht für dasselbe
weder der Gott der Religion noch die Erfahrung der Freiheit.

Die Bänder des metaphysischen Weltzusammen-
hangs können von dem Verstande nicht eindeutig
bestimmt werden.

Wir gehen weiter. Die Metaphysik vermag die Verkettung
der inneren und äußeren Erfahrungen nur durch Vorstellungen
über einen inneren inhaltlichen Zusammenhang herzustellen. Und
wenn wir diese Vorstellungen in's Auge fassen, ergiebt sich die
Unmöglichkeit der Metaphysik. Denn diese Vorstellungen sind einer
klaren eindeutigen Bestimmung unzugänglich.

Der Differenzirungsproceß, in welchem die Wissenschaft sich
von den anderen Systemen der Kultur sondert, zeigte sich uns als
beständig fortschreitend. Nicht mit einem Male löste sich aus der
Gebundenheit aller Gemüthskräfte der Zweckzusammenhang der
Erkenntniß. Wie viel Aehnlichkeit hatte doch noch die Natur,
welche aus einem inneren Zustand in den anderen nach einer
inneren Lebendigkeit übergeht, oder das begrenzende Princip im
Mittelpunkt der Welt, das die Materie an sich zieht und gestaltet,
mit den göttlichen Kräften der hesiodeischen Theogonie. Und wie
lange blieb dann die Ansicht herrschend, welche die gedankenmäßige
Ordnung des Weltalls auf ein System psychischer Wesenheiten
zurückführte. Mühsam löste sich der Intellekt von diesem inneren
Zusammen los. Allmälich gewöhnte er sich, mit immer weniger
Leben und Seele in der Natur hauszuhalten und auf immer

Zweites Buch. Vierter Abſchnitt.
bereiten ſie die Einſicht vor, daß in der Welt mehr und anderes
als dieſer enthalten iſt. Darin allein lag die vorübergehende
Bedeutung der Metaphyſik Schopenhauers und ihm verwandter
Schriftſteller. Sie iſt im Grunde eine Myſtik des neunzehnten
Jahrhunderts und ein lebens-, willenskräftiger Proteſt gegen alle
Metaphyſik als folgerichtige Wiſſenſchaft. Wann dagegen das Er-
kennen nach dem Satze vom Grunde ſich des Subjektes des Welt-
laufs zu bemächtigen entſchloſſen iſt, entdeckt es nur Denknoth-
wendigkeit als den Kern der Welt, daher beſteht für daſſelbe
weder der Gott der Religion noch die Erfahrung der Freiheit.

Die Bänder des metaphyſiſchen Weltzuſammen-
hangs können von dem Verſtande nicht eindeutig
beſtimmt werden.

Wir gehen weiter. Die Metaphyſik vermag die Verkettung
der inneren und äußeren Erfahrungen nur durch Vorſtellungen
über einen inneren inhaltlichen Zuſammenhang herzuſtellen. Und
wenn wir dieſe Vorſtellungen in’s Auge faſſen, ergiebt ſich die
Unmöglichkeit der Metaphyſik. Denn dieſe Vorſtellungen ſind einer
klaren eindeutigen Beſtimmung unzugänglich.

Der Differenzirungsproceß, in welchem die Wiſſenſchaft ſich
von den anderen Syſtemen der Kultur ſondert, zeigte ſich uns als
beſtändig fortſchreitend. Nicht mit einem Male löſte ſich aus der
Gebundenheit aller Gemüthskräfte der Zweckzuſammenhang der
Erkenntniß. Wie viel Aehnlichkeit hatte doch noch die Natur,
welche aus einem inneren Zuſtand in den anderen nach einer
inneren Lebendigkeit übergeht, oder das begrenzende Princip im
Mittelpunkt der Welt, das die Materie an ſich zieht und geſtaltet,
mit den göttlichen Kräften der heſiodeiſchen Theogonie. Und wie
lange blieb dann die Anſicht herrſchend, welche die gedankenmäßige
Ordnung des Weltalls auf ein Syſtem pſychiſcher Weſenheiten
zurückführte. Mühſam löſte ſich der Intellekt von dieſem inneren
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Leben und Seele in der Natur hauszuhalten und auf immer

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[506/0529] Zweites Buch. Vierter Abſchnitt. bereiten ſie die Einſicht vor, daß in der Welt mehr und anderes als dieſer enthalten iſt. Darin allein lag die vorübergehende Bedeutung der Metaphyſik Schopenhauers und ihm verwandter Schriftſteller. Sie iſt im Grunde eine Myſtik des neunzehnten Jahrhunderts und ein lebens-, willenskräftiger Proteſt gegen alle Metaphyſik als folgerichtige Wiſſenſchaft. Wann dagegen das Er- kennen nach dem Satze vom Grunde ſich des Subjektes des Welt- laufs zu bemächtigen entſchloſſen iſt, entdeckt es nur Denknoth- wendigkeit als den Kern der Welt, daher beſteht für daſſelbe weder der Gott der Religion noch die Erfahrung der Freiheit. Die Bänder des metaphyſiſchen Weltzuſammen- hangs können von dem Verſtande nicht eindeutig beſtimmt werden. Wir gehen weiter. Die Metaphyſik vermag die Verkettung der inneren und äußeren Erfahrungen nur durch Vorſtellungen über einen inneren inhaltlichen Zuſammenhang herzuſtellen. Und wenn wir dieſe Vorſtellungen in’s Auge faſſen, ergiebt ſich die Unmöglichkeit der Metaphyſik. Denn dieſe Vorſtellungen ſind einer klaren eindeutigen Beſtimmung unzugänglich. Der Differenzirungsproceß, in welchem die Wiſſenſchaft ſich von den anderen Syſtemen der Kultur ſondert, zeigte ſich uns als beſtändig fortſchreitend. Nicht mit einem Male löſte ſich aus der Gebundenheit aller Gemüthskräfte der Zweckzuſammenhang der Erkenntniß. Wie viel Aehnlichkeit hatte doch noch die Natur, welche aus einem inneren Zuſtand in den anderen nach einer inneren Lebendigkeit übergeht, oder das begrenzende Princip im Mittelpunkt der Welt, das die Materie an ſich zieht und geſtaltet, mit den göttlichen Kräften der heſiodeiſchen Theogonie. Und wie lange blieb dann die Anſicht herrſchend, welche die gedankenmäßige Ordnung des Weltalls auf ein Syſtem pſychiſcher Weſenheiten zurückführte. Mühſam löſte ſich der Intellekt von dieſem inneren Zuſammen los. Allmälich gewöhnte er ſich, mit immer weniger Leben und Seele in der Natur hauszuhalten und auf immer

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/529>, abgerufen am 21.11.2024.