pdi_403.001 geistigen Vorgängen in festen Beziehungen steht), sowie Betonung pdi_403.002 und Rhythmus in der Rede begründet.
pdi_403.003
Das beständige Bilden und Umbilden, welches im Dichter pdi_403.004 stattfindet, wird fassbarer, wenn man es an diese einfacheren pdi_403.005 Thatsachen der Einbildungskraft hält. Wo wir in ein Dichterleben pdi_403.006 blicken können, sehen wir, wie von diesem unablässigen pdi_403.007 inneren Gestalten und Versuchen nur Weniges zur Ausführung pdi_403.008 kommt. Auch das ist im Tasso ergreifend ausgesprochen. Und es pdi_403.009 hat sein Analogon in dem unablässigen Wechsel der Gestalten, pdi_403.010 welchen der Traum, dieser verborgene Poet in uns, hervorbringt.
pdi_403.011
An die Schlummerbilder schliessen sich einerseits die Gestalten pdi_403.012 des Traumes, andrerseits die Schöpfungen des Dichters pdi_403.013 an. Johannes Müller selber hebt hervor, wie diese Bilder unmerklich pdi_403.014 "in die Traumbilder des Schlafes übergehen." Die pdi_403.015 allgemeine Form des Geschehens im Traum ist die an den pdi_403.016 Schlummerbildern beobachtete; die in den Sinnesfeldern gegebenen pdi_403.017 Elemente reproduciren die Bilder oder die Gewöhnungen pdi_403.018 von Verbindungen zwischen Bildelementen; Transformationen pdi_403.019 nach den dargelegten Gesetzen finden statt, und nun führt die pdi_403.020 Aufmerksamkeit in dem Zeitverlauf, dessen sie zur Herstellung pdi_403.021 der Bilder bedarf, ein triebartiges Entfalten, Umwandlung pdi_403.022 eines Bildes in das andere herbei. Ueber das Verhältniss der pdi_403.023 Schlummerbilder zu dem Schaffen des Dichters sagt Goethepdi_403.024 in einer an die mitgetheilte Beschreibung angeschlossenen Betrachtung pdi_403.025 (S. 127): "man sieht deutlicher ein, was es heissen pdi_403.026 wolle, dass Dichter und alle eigentlichen Künstler geboren sein pdi_403.027 müssen. Es muss nämlich ihre innere productive Kraft jene pdi_403.028 Nachbilder, die im Organe, in der Erinnerung, in der Einbildungskraft pdi_403.029 zurückgebliebenen Idole freiwillig, ohne Vorsatz pdi_403.030 und Wollen lebendig hervorthun, sie müssen sich entfalten, pdi_403.031 wachsen, sich ausdehnen und zusammenziehn, um aus flüchtigen pdi_403.032 Schemen wahrhaft gegenständliche Wesen zu werden."
pdi_403.033
Hiermit steht das Traumartige in Verbindung, das zuweilen pdi_403.034 im dichterischen Schaffen bemerkbar ist. So erzählt Goethe1)
1)pdi_403.035 Eckermann, III 304.
pdi_403.001 geistigen Vorgängen in festen Beziehungen steht), sowie Betonung pdi_403.002 und Rhythmus in der Rede begründet.
pdi_403.003
Das beständige Bilden und Umbilden, welches im Dichter pdi_403.004 stattfindet, wird fassbarer, wenn man es an diese einfacheren pdi_403.005 Thatsachen der Einbildungskraft hält. Wo wir in ein Dichterleben pdi_403.006 blicken können, sehen wir, wie von diesem unablässigen pdi_403.007 inneren Gestalten und Versuchen nur Weniges zur Ausführung pdi_403.008 kommt. Auch das ist im Tasso ergreifend ausgesprochen. Und es pdi_403.009 hat sein Analogon in dem unablässigen Wechsel der Gestalten, pdi_403.010 welchen der Traum, dieser verborgene Poet in uns, hervorbringt.
pdi_403.011
An die Schlummerbilder schliessen sich einerseits die Gestalten pdi_403.012 des Traumes, andrerseits die Schöpfungen des Dichters pdi_403.013 an. Johannes Müller selber hebt hervor, wie diese Bilder unmerklich pdi_403.014 „in die Traumbilder des Schlafes übergehen.“ Die pdi_403.015 allgemeine Form des Geschehens im Traum ist die an den pdi_403.016 Schlummerbildern beobachtete; die in den Sinnesfeldern gegebenen pdi_403.017 Elemente reproduciren die Bilder oder die Gewöhnungen pdi_403.018 von Verbindungen zwischen Bildelementen; Transformationen pdi_403.019 nach den dargelegten Gesetzen finden statt, und nun führt die pdi_403.020 Aufmerksamkeit in dem Zeitverlauf, dessen sie zur Herstellung pdi_403.021 der Bilder bedarf, ein triebartiges Entfalten, Umwandlung pdi_403.022 eines Bildes in das andere herbei. Ueber das Verhältniss der pdi_403.023 Schlummerbilder zu dem Schaffen des Dichters sagt Goethepdi_403.024 in einer an die mitgetheilte Beschreibung angeschlossenen Betrachtung pdi_403.025 (S. 127): „man sieht deutlicher ein, was es heissen pdi_403.026 wolle, dass Dichter und alle eigentlichen Künstler geboren sein pdi_403.027 müssen. Es muss nämlich ihre innere productive Kraft jene pdi_403.028 Nachbilder, die im Organe, in der Erinnerung, in der Einbildungskraft pdi_403.029 zurückgebliebenen Idole freiwillig, ohne Vorsatz pdi_403.030 und Wollen lebendig hervorthun, sie müssen sich entfalten, pdi_403.031 wachsen, sich ausdehnen und zusammenziehn, um aus flüchtigen pdi_403.032 Schemen wahrhaft gegenständliche Wesen zu werden.“
pdi_403.033
Hiermit steht das Traumartige in Verbindung, das zuweilen pdi_403.034 im dichterischen Schaffen bemerkbar ist. So erzählt Goethe1)
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geistigen Vorgängen in festen Beziehungen steht), sowie Betonung pdi_403.002
und Rhythmus in der Rede begründet.
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Das beständige Bilden und Umbilden, welches im Dichter pdi_403.004
stattfindet, wird fassbarer, wenn man es an diese einfacheren pdi_403.005
Thatsachen der Einbildungskraft hält. Wo wir in ein Dichterleben pdi_403.006
blicken können, sehen wir, wie von diesem unablässigen pdi_403.007
inneren Gestalten und Versuchen nur Weniges zur Ausführung pdi_403.008
kommt. Auch das ist im Tasso ergreifend ausgesprochen. Und es pdi_403.009
hat sein Analogon in dem unablässigen Wechsel der Gestalten, pdi_403.010
welchen der Traum, dieser verborgene Poet in uns, hervorbringt.
pdi_403.011
An die Schlummerbilder schliessen sich einerseits die Gestalten pdi_403.012
des Traumes, andrerseits die Schöpfungen des Dichters pdi_403.013
an. Johannes Müller selber hebt hervor, wie diese Bilder unmerklich pdi_403.014
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Schlummerbilder zu dem Schaffen des Dichters sagt Goethe pdi_403.024
in einer an die mitgetheilte Beschreibung angeschlossenen Betrachtung pdi_403.025
(S. 127): „man sieht deutlicher ein, was es heissen pdi_403.026
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Nachbilder, die im Organe, in der Erinnerung, in der Einbildungskraft pdi_403.029
zurückgebliebenen Idole freiwillig, ohne Vorsatz pdi_403.030
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Hiermit steht das Traumartige in Verbindung, das zuweilen pdi_403.034
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Eckermann, III 304.
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