Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_320.001 pdi_320.011 2. Untersuchungen über das schaffende Vermögen, pdi_320.012 pdi_320.014aus welchem die Kunstwerke, darunter auch die pdi_320.013 Dichtungen entspringen. Diese Poetik als Formenlehre und Technik musste sich unzureichend pdi_320.015 pdi_320.001 pdi_320.011 2. Untersuchungen über das schaffende Vermögen, pdi_320.012 pdi_320.014aus welchem die Kunstwerke, darunter auch die pdi_320.013 Dichtungen entspringen. Diese Poetik als Formenlehre und Technik musste sich unzureichend pdi_320.015 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="320"/><lb n="pdi_320.001"/> über die epische Poesie hervor, von Friedrich Schlegel <lb n="pdi_320.002"/> in seiner Poesie der Griechen und Römer (1797), von A. W. <lb n="pdi_320.003"/> Schlegel in der von Friedrich abhängigen Recension des Hermann, <lb n="pdi_320.004"/> von Humboldt in seiner bekannten Schrift, die ebenfalls an Hermann <lb n="pdi_320.005"/> anknüpft (1798). Stand bei Aristoteles das Epos im Schatten <lb n="pdi_320.006"/> der von ihm vorgezogenen, zu seiner Zeit noch lebendigen Tragödie, <lb n="pdi_320.007"/> so haben diese Analysen den durchgreifenden Unterschied <lb n="pdi_320.008"/> beider Dichtungsarten über die Aristotelische Poetik hinaus erforscht. <lb n="pdi_320.009"/> Auch hat damals Friedrich Schlegel die Form der Prosadichtung <lb n="pdi_320.010"/> zuerst mit ästhetischer Genialität untersucht.</p> </div> <div n="2"> <lb n="pdi_320.011"/> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">2. Untersuchungen über das schaffende Vermögen,</hi> <lb n="pdi_320.012"/> <hi rendition="#g">aus welchem die Kunstwerke, darunter auch die <lb n="pdi_320.013"/> Dichtungen entspringen.</hi> </hi> </head> <lb n="pdi_320.014"/> <p> Diese Poetik als Formenlehre und Technik musste sich unzureichend <lb n="pdi_320.015"/> erweisen. Die Technik, die so von den griechischen <lb n="pdi_320.016"/> Dichtern durch Abstraction abgeleitet war, stiess mit der zusammen, <lb n="pdi_320.017"/> die im spanischen und englischen Theater sowie in dem <lb n="pdi_320.018"/> neueren Roman steckte, und so musste die Allgemeingültigkeit <lb n="pdi_320.019"/> dieser griechischen Poetik in Frage gestellt und in den so entstehenden <lb n="pdi_320.020"/> Streitigkeiten eine Entscheidung aus Principien gesucht <lb n="pdi_320.021"/> werden. Lange hatte die Mustergültigkeit der griechischen Kunst <lb n="pdi_320.022"/> dem ästhetischen Raisonnement einen festen Halt gewährt. Wurde <lb n="pdi_320.023"/> diese zweifelhaft, so musste nun ein solcher Halt in den Principien <lb n="pdi_320.024"/> aufgesucht werden; er wurde schliesslich in der Natur des Menschen <lb n="pdi_320.025"/> gefunden. Das Aristotelische Princip der Nachahmung <lb n="pdi_320.026"/> war objectivistisch, analog der Aristotelischen Erkenntnisstheorie; <lb n="pdi_320.027"/> seitdem die Untersuchung sich überall in das subjective Vermögen <lb n="pdi_320.028"/> der Menschennatur vertiefte und die selbständige Kraft <lb n="pdi_320.029"/> desselben erfasste, die das in den Sinnen Gegebene umgestaltet, <lb n="pdi_320.030"/> wurde auch in der Aesthetik das Princip der Nachahmung unhaltbar. <lb n="pdi_320.031"/> Derselbe veränderte Stand des Bewusstseins, der in <lb n="pdi_320.032"/> der Erkenntnisstheorie seit Descartes und Locke sich äussert, <lb n="pdi_320.033"/> machte sich auch in einer neuen Aesthetik geltend. Die causale </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0022]
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über die epische Poesie hervor, von Friedrich Schlegel pdi_320.002
in seiner Poesie der Griechen und Römer (1797), von A. W. pdi_320.003
Schlegel in der von Friedrich abhängigen Recension des Hermann, pdi_320.004
von Humboldt in seiner bekannten Schrift, die ebenfalls an Hermann pdi_320.005
anknüpft (1798). Stand bei Aristoteles das Epos im Schatten pdi_320.006
der von ihm vorgezogenen, zu seiner Zeit noch lebendigen Tragödie, pdi_320.007
so haben diese Analysen den durchgreifenden Unterschied pdi_320.008
beider Dichtungsarten über die Aristotelische Poetik hinaus erforscht. pdi_320.009
Auch hat damals Friedrich Schlegel die Form der Prosadichtung pdi_320.010
zuerst mit ästhetischer Genialität untersucht.
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2. Untersuchungen über das schaffende Vermögen, pdi_320.012
aus welchem die Kunstwerke, darunter auch die pdi_320.013
Dichtungen entspringen. pdi_320.014
Diese Poetik als Formenlehre und Technik musste sich unzureichend pdi_320.015
erweisen. Die Technik, die so von den griechischen pdi_320.016
Dichtern durch Abstraction abgeleitet war, stiess mit der zusammen, pdi_320.017
die im spanischen und englischen Theater sowie in dem pdi_320.018
neueren Roman steckte, und so musste die Allgemeingültigkeit pdi_320.019
dieser griechischen Poetik in Frage gestellt und in den so entstehenden pdi_320.020
Streitigkeiten eine Entscheidung aus Principien gesucht pdi_320.021
werden. Lange hatte die Mustergültigkeit der griechischen Kunst pdi_320.022
dem ästhetischen Raisonnement einen festen Halt gewährt. Wurde pdi_320.023
diese zweifelhaft, so musste nun ein solcher Halt in den Principien pdi_320.024
aufgesucht werden; er wurde schliesslich in der Natur des Menschen pdi_320.025
gefunden. Das Aristotelische Princip der Nachahmung pdi_320.026
war objectivistisch, analog der Aristotelischen Erkenntnisstheorie; pdi_320.027
seitdem die Untersuchung sich überall in das subjective Vermögen pdi_320.028
der Menschennatur vertiefte und die selbständige Kraft pdi_320.029
desselben erfasste, die das in den Sinnen Gegebene umgestaltet, pdi_320.030
wurde auch in der Aesthetik das Princip der Nachahmung unhaltbar. pdi_320.031
Derselbe veränderte Stand des Bewusstseins, der in pdi_320.032
der Erkenntnisstheorie seit Descartes und Locke sich äussert, pdi_320.033
machte sich auch in einer neuen Aesthetik geltend. Die causale
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