Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.
pdi_389.001 Dieser Apparat wirkt wie absichtslos dahin, dass unsere pdi_389.020 Eine solche Minderung in der Wirksamkeit des erworbenen pdi_389.033
pdi_389.001 Dieser Apparat wirkt wie absichtslos dahin, dass unsere pdi_389.020 Eine solche Minderung in der Wirksamkeit des erworbenen pdi_389.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0091" n="389"/><lb n="pdi_389.001"/> Leistung</hi> des Seelenlebens ist. Sie fordert auch die grösste <lb n="pdi_389.002"/> Energie und Gesundheit der Gehirnfunctionen; in der Grosshirnrinde <lb n="pdi_389.003"/> sind die Bedingungen für die Reproduction von Vorstellungen <lb n="pdi_389.004"/> und ihren Verbindungen angesammelt; nur die höchste Energie <lb n="pdi_389.005"/> des Gehirnlebens vermag eine so breite Wirksamkeit dieses <lb n="pdi_389.006"/> ganzen Apparats zu ermöglichen, dass die entlegensten Vorstellungen <lb n="pdi_389.007"/> in Berührung und Benutzung treten können. Es ist <lb n="pdi_389.008"/> auch natürlich, dass das logische Schliessen eine viel geringere <lb n="pdi_389.009"/> Energie des Bewusstseins verlangt, als diese Wirksamkeit des <lb n="pdi_389.010"/> erworbenen seelischen Zusammenhangs; denn in ihm treten nur <lb n="pdi_389.011"/> wenige Begriffe, dazu unter der Mitwirkung der auf sie concentrirten <lb n="pdi_389.012"/> Aufmerksamkeit, in Beziehung zu einander. Die <lb n="pdi_389.013"/> grossen Leistungen der Genialität so gut als die Selbstbeherrschung <lb n="pdi_389.014"/> einer mächtigen Seele sind hier begründet; gerade wenn <lb n="pdi_389.015"/> nach langer, tiefer Erregung dieses ganzen Zusammenhangs in <lb n="pdi_389.016"/> angestrengter Arbeit dann das Gehirn geruht hat, entspringen <lb n="pdi_389.017"/> plötzlich aus der Tiefe dieses erworbenen Zusammenhangs <lb n="pdi_389.018"/> schöpferische Combinationen.</p> <lb n="pdi_389.019"/> <p> Dieser <hi rendition="#g">Apparat wirkt</hi> wie absichtslos dahin, dass unsere <lb n="pdi_389.020"/> Vorstellungen und Begierden dem erworbenen Zusammenhang des <lb n="pdi_389.021"/> Seelenlebens, in welchem die <hi rendition="#g">Wirklichkeit</hi> repräsentirt ist, <hi rendition="#g">angepasst</hi> <lb n="pdi_389.022"/> bleiben. Es sind nun ganz entgegengesetzte Ursachen, <lb n="pdi_389.023"/> durch welche diese Wirkung des regulirenden Apparates in jenen <lb n="pdi_389.024"/> Zuständen versagt, die von der Norm des wachen Lebens abweichen, <lb n="pdi_389.025"/> und durch welche diese regulirende Wirkung da wegfällt, <lb n="pdi_389.026"/> wenn der Dichter seine die Wirklichkeit überschreitenden <lb n="pdi_389.027"/> Gestalten und Situationen schafft. In dem ersteren Falle haben <lb n="pdi_389.028"/> wir es mit einer Minderung der Wirksamkeit dieses erworbenen <lb n="pdi_389.029"/> Zusammenhangs zu thun, in dem andern mit einer Verwerthung <lb n="pdi_389.030"/> desselben, welche doch zugleich über die in ihm repräsentirte <lb n="pdi_389.031"/> Wirklichkeit absichtlich hinausgeht.</p> <lb n="pdi_389.032"/> <p> Eine solche <hi rendition="#g">Minderung</hi> in der Wirksamkeit des erworbenen <lb n="pdi_389.033"/> seelischen Zusammenhangs liegt zunächst im <hi rendition="#g">Wahnsinn</hi> <lb n="pdi_389.034"/> vor. Gegenüber den einzelnen Reizungen, welche die subcorticalen <lb n="pdi_389.035"/> Centren in die Hemisphären werfen, wirkt die Grosshirnrinde <lb n="pdi_389.036"/> wie ein Ordnungs-, Hemmungs- und Regulirungsapparat. Nun </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [389/0091]
pdi_389.001
Leistung des Seelenlebens ist. Sie fordert auch die grösste pdi_389.002
Energie und Gesundheit der Gehirnfunctionen; in der Grosshirnrinde pdi_389.003
sind die Bedingungen für die Reproduction von Vorstellungen pdi_389.004
und ihren Verbindungen angesammelt; nur die höchste Energie pdi_389.005
des Gehirnlebens vermag eine so breite Wirksamkeit dieses pdi_389.006
ganzen Apparats zu ermöglichen, dass die entlegensten Vorstellungen pdi_389.007
in Berührung und Benutzung treten können. Es ist pdi_389.008
auch natürlich, dass das logische Schliessen eine viel geringere pdi_389.009
Energie des Bewusstseins verlangt, als diese Wirksamkeit des pdi_389.010
erworbenen seelischen Zusammenhangs; denn in ihm treten nur pdi_389.011
wenige Begriffe, dazu unter der Mitwirkung der auf sie concentrirten pdi_389.012
Aufmerksamkeit, in Beziehung zu einander. Die pdi_389.013
grossen Leistungen der Genialität so gut als die Selbstbeherrschung pdi_389.014
einer mächtigen Seele sind hier begründet; gerade wenn pdi_389.015
nach langer, tiefer Erregung dieses ganzen Zusammenhangs in pdi_389.016
angestrengter Arbeit dann das Gehirn geruht hat, entspringen pdi_389.017
plötzlich aus der Tiefe dieses erworbenen Zusammenhangs pdi_389.018
schöpferische Combinationen.
pdi_389.019
Dieser Apparat wirkt wie absichtslos dahin, dass unsere pdi_389.020
Vorstellungen und Begierden dem erworbenen Zusammenhang des pdi_389.021
Seelenlebens, in welchem die Wirklichkeit repräsentirt ist, angepasst pdi_389.022
bleiben. Es sind nun ganz entgegengesetzte Ursachen, pdi_389.023
durch welche diese Wirkung des regulirenden Apparates in jenen pdi_389.024
Zuständen versagt, die von der Norm des wachen Lebens abweichen, pdi_389.025
und durch welche diese regulirende Wirkung da wegfällt, pdi_389.026
wenn der Dichter seine die Wirklichkeit überschreitenden pdi_389.027
Gestalten und Situationen schafft. In dem ersteren Falle haben pdi_389.028
wir es mit einer Minderung der Wirksamkeit dieses erworbenen pdi_389.029
Zusammenhangs zu thun, in dem andern mit einer Verwerthung pdi_389.030
desselben, welche doch zugleich über die in ihm repräsentirte pdi_389.031
Wirklichkeit absichtlich hinausgeht.
pdi_389.032
Eine solche Minderung in der Wirksamkeit des erworbenen pdi_389.033
seelischen Zusammenhangs liegt zunächst im Wahnsinn pdi_389.034
vor. Gegenüber den einzelnen Reizungen, welche die subcorticalen pdi_389.035
Centren in die Hemisphären werfen, wirkt die Grosshirnrinde pdi_389.036
wie ein Ordnungs-, Hemmungs- und Regulirungsapparat. Nun
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |