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Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6).

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Sitz und Stimme, (die Kindererziehung soll doch die von Gott
dem Weibe zugewiesene Mission sein,) sagt man nicht so?

Als Grund der Ablehnung wurde in einer öffentlichen Be-
ratung angeführt: "Es könnte eine extreme Frauenrechtlerin ge-
wählt werden."

Die hohen Herren fürchten wohl, daß diese ominösen Weibs-
leute einen Kursus für freie Liebe oder eine Propaganda für das
Zölibat ins Werk setzen werden? Je nachdem es in ihren Kram
paßt, beschuldigen sie die Frauenrechtlerinnen des einen oder des
anderen Frevels.

Zwar - in der Armen- und Waisenpflege (die Linderung
menschlichen Elends - soll sie nicht auch des Weibes eigentlichster
Beruf sein?) haben die zuständigen Behörden erst nach langem,
zähen Widerstreben euch eine unwesentliche Mitwirkung eingeräumt.

Jedoch - nicht minderwertig, nur anderswertig seid ihr als
der Mann.

Uebrigens - es scheint, daß der Mann die Abhängigkeit
von einer Frau nur dann als Demütigung empfindet, wenn sie
einen offiziellen Charakter trägt, an seine Eitelkeit rührt. Jm
Hause fühlt er sich keineswegs gedemütigt, wenn seine Frau das
Szepter führt oder wenn er von ihrem Gelde lebt. Jn der Liebe
tanzt er gern nach ihrer Pfeife.

Allein, sollte der Frau nicht für jene zweifellosen Benach-
teiligungen ein Aequivalent geboten werden durch Bevorzugungen,
die sie ihrer Anderswertigkeit verdankt und von denen Männer
ausgeschlossen sind?

Jst sie nicht Herrin in der Kinderstube, in der Küche, in
allen Haushaltungsangelegenheiten?

Jn der Kinderstube? Der Vater hat ja die Bestimmung
über das Kind. Jch weiß nicht, ob die gesetzliche Verordnung
noch besteht, die den Vater ermächtigte zu bestimmen, wie lange
die Mutter dem Kinde die Brust zu reichen habe.

Herrin in der Küche? Der Geschmack des Mannes waltet
über den Kochtöpfen. Die Frage wurde aufgeworfen, wie macht
man den Mann in der Ehe glücklich? Eine Schriftstellerin (muß
eine rohe Person gewesen sein) antwortete: "Man füttere die Bestie."

Herrin des Haushalts? Sie muß ihn nach dem Wirtschafts-
geld einrichten, das der Mann ihr bewilligt.

Lacht nur, lacht, meine Schwestern, über eure so wenig ein-
trägliche Anderswertigkeit.

Eine so durchsichtige Lüge, als wollte man dem Armen
einreden, sein trockenes Brot und sein Fusel wären vollwertig dem
Fasan und dem Champagner des Reichen, wenn auch anderswertig.

Sitz und Stimme, (die Kindererziehung soll doch die von Gott
dem Weibe zugewiesene Mission sein,) sagt man nicht so?

Als Grund der Ablehnung wurde in einer öffentlichen Be-
ratung angeführt: „Es könnte eine extreme Frauenrechtlerin ge-
wählt werden.“

Die hohen Herren fürchten wohl, daß diese ominösen Weibs-
leute einen Kursus für freie Liebe oder eine Propaganda für das
Zölibat ins Werk setzen werden? Je nachdem es in ihren Kram
paßt, beschuldigen sie die Frauenrechtlerinnen des einen oder des
anderen Frevels.

Zwar – in der Armen- und Waisenpflege (die Linderung
menschlichen Elends – soll sie nicht auch des Weibes eigentlichster
Beruf sein?) haben die zuständigen Behörden erst nach langem,
zähen Widerstreben euch eine unwesentliche Mitwirkung eingeräumt.

Jedoch – nicht minderwertig, nur anderswertig seid ihr als
der Mann.

Uebrigens – es scheint, daß der Mann die Abhängigkeit
von einer Frau nur dann als Demütigung empfindet, wenn sie
einen offiziellen Charakter trägt, an seine Eitelkeit rührt. Jm
Hause fühlt er sich keineswegs gedemütigt, wenn seine Frau das
Szepter führt oder wenn er von ihrem Gelde lebt. Jn der Liebe
tanzt er gern nach ihrer Pfeife.

Allein, sollte der Frau nicht für jene zweifellosen Benach-
teiligungen ein Aequivalent geboten werden durch Bevorzugungen,
die sie ihrer Anderswertigkeit verdankt und von denen Männer
ausgeschlossen sind?

Jst sie nicht Herrin in der Kinderstube, in der Küche, in
allen Haushaltungsangelegenheiten?

Jn der Kinderstube? Der Vater hat ja die Bestimmung
über das Kind. Jch weiß nicht, ob die gesetzliche Verordnung
noch besteht, die den Vater ermächtigte zu bestimmen, wie lange
die Mutter dem Kinde die Brust zu reichen habe.

Herrin in der Küche? Der Geschmack des Mannes waltet
über den Kochtöpfen. Die Frage wurde aufgeworfen, wie macht
man den Mann in der Ehe glücklich? Eine Schriftstellerin (muß
eine rohe Person gewesen sein) antwortete: „Man füttere die Bestie.“

Herrin des Haushalts? Sie muß ihn nach dem Wirtschafts-
geld einrichten, das der Mann ihr bewilligt.

Lacht nur, lacht, meine Schwestern, über eure so wenig ein-
trägliche Anderswertigkeit.

Eine so durchsichtige Lüge, als wollte man dem Armen
einreden, sein trockenes Brot und sein Fusel wären vollwertig dem
Fasan und dem Champagner des Reichen, wenn auch anderswertig.

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[19/0020] Sitz und Stimme, (die Kindererziehung soll doch die von Gott dem Weibe zugewiesene Mission sein,) sagt man nicht so? Als Grund der Ablehnung wurde in einer öffentlichen Be- ratung angeführt: „Es könnte eine extreme Frauenrechtlerin ge- wählt werden.“ Die hohen Herren fürchten wohl, daß diese ominösen Weibs- leute einen Kursus für freie Liebe oder eine Propaganda für das Zölibat ins Werk setzen werden? Je nachdem es in ihren Kram paßt, beschuldigen sie die Frauenrechtlerinnen des einen oder des anderen Frevels. Zwar – in der Armen- und Waisenpflege (die Linderung menschlichen Elends – soll sie nicht auch des Weibes eigentlichster Beruf sein?) haben die zuständigen Behörden erst nach langem, zähen Widerstreben euch eine unwesentliche Mitwirkung eingeräumt. Jedoch – nicht minderwertig, nur anderswertig seid ihr als der Mann. Uebrigens – es scheint, daß der Mann die Abhängigkeit von einer Frau nur dann als Demütigung empfindet, wenn sie einen offiziellen Charakter trägt, an seine Eitelkeit rührt. Jm Hause fühlt er sich keineswegs gedemütigt, wenn seine Frau das Szepter führt oder wenn er von ihrem Gelde lebt. Jn der Liebe tanzt er gern nach ihrer Pfeife. Allein, sollte der Frau nicht für jene zweifellosen Benach- teiligungen ein Aequivalent geboten werden durch Bevorzugungen, die sie ihrer Anderswertigkeit verdankt und von denen Männer ausgeschlossen sind? Jst sie nicht Herrin in der Kinderstube, in der Küche, in allen Haushaltungsangelegenheiten? Jn der Kinderstube? Der Vater hat ja die Bestimmung über das Kind. Jch weiß nicht, ob die gesetzliche Verordnung noch besteht, die den Vater ermächtigte zu bestimmen, wie lange die Mutter dem Kinde die Brust zu reichen habe. Herrin in der Küche? Der Geschmack des Mannes waltet über den Kochtöpfen. Die Frage wurde aufgeworfen, wie macht man den Mann in der Ehe glücklich? Eine Schriftstellerin (muß eine rohe Person gewesen sein) antwortete: „Man füttere die Bestie.“ Herrin des Haushalts? Sie muß ihn nach dem Wirtschafts- geld einrichten, das der Mann ihr bewilligt. Lacht nur, lacht, meine Schwestern, über eure so wenig ein- trägliche Anderswertigkeit. Eine so durchsichtige Lüge, als wollte man dem Armen einreden, sein trockenes Brot und sein Fusel wären vollwertig dem Fasan und dem Champagner des Reichen, wenn auch anderswertig.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Erziehung zum Stimmrecht der Frau. Berlin, 1910 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 6), S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_erziehung_1910/20>, abgerufen am 21.11.2024.