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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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beizubringen hatten, waren so schamloser und uner-
hörter Art, daß die Scheidung kaum für die niedrigste
der Buhldirnen zu einer Möglichkeit wurde.

Jn den theologischen und juristischen Schriften
jener Zeit wird die Frau stets als ein untergeordnetes
Geschöpf betrachtet, das an unheilbarer Geistesver-
krüppelung leidet.

Die christliche Kirche hat bis auf den heutigen
Tag ihre Geringschätzung gegen die Frauen bewahrt.
Als ich vor einigen Jahren in Rom in Begleitung
mehrerer Herren in irgend einer Kapelle eine Reliquie
sehen wollte, ließ man die Herren eintreten, mich aber
wies man mit dem Bemerken zurück, daß es unehrer-
bietig gegen die Kirche sein würde, einer Frau solche
Reliquien zu zeigen.

Es ist eine uralte List der Despotie, ihre Opfer
zu schmähen und zu erniedrigen und ihre Unterdrückung
zu rechtfertigen.

Die neue Zeit. Aber es ist wahr, die Zeiten
sind besser geworden, es ist nicht mehr Brauch, daß
der Bruder seine Schwester verkauft, der Vater die
Tochter ihres Erbtheils beraubt und die Mutter unter
der Vormundschaft des Sohnes steht, und doch ist das
Schicksal der Frau auch noch heut schwer genug. Noch heut,

beizubringen hatten, waren so schamloser und uner-
hörter Art, daß die Scheidung kaum für die niedrigste
der Buhldirnen zu einer Möglichkeit wurde.

Jn den theologischen und juristischen Schriften
jener Zeit wird die Frau stets als ein untergeordnetes
Geschöpf betrachtet, das an unheilbarer Geistesver-
krüppelung leidet.

Die christliche Kirche hat bis auf den heutigen
Tag ihre Geringschätzung gegen die Frauen bewahrt.
Als ich vor einigen Jahren in Rom in Begleitung
mehrerer Herren in irgend einer Kapelle eine Reliquie
sehen wollte, ließ man die Herren eintreten, mich aber
wies man mit dem Bemerken zurück, daß es unehrer-
bietig gegen die Kirche sein würde, einer Frau solche
Reliquien zu zeigen.

Es ist eine uralte List der Despotie, ihre Opfer
zu schmähen und zu erniedrigen und ihre Unterdrückung
zu rechtfertigen.

Die neue Zeit. Aber es ist wahr, die Zeiten
sind besser geworden, es ist nicht mehr Brauch, daß
der Bruder seine Schwester verkauft, der Vater die
Tochter ihres Erbtheils beraubt und die Mutter unter
der Vormundschaft des Sohnes steht, und doch ist das
Schicksal der Frau auch noch heut schwer genug. Noch heut,

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[95/0103] beizubringen hatten, waren so schamloser und uner- hörter Art, daß die Scheidung kaum für die niedrigste der Buhldirnen zu einer Möglichkeit wurde. Jn den theologischen und juristischen Schriften jener Zeit wird die Frau stets als ein untergeordnetes Geschöpf betrachtet, das an unheilbarer Geistesver- krüppelung leidet. Die christliche Kirche hat bis auf den heutigen Tag ihre Geringschätzung gegen die Frauen bewahrt. Als ich vor einigen Jahren in Rom in Begleitung mehrerer Herren in irgend einer Kapelle eine Reliquie sehen wollte, ließ man die Herren eintreten, mich aber wies man mit dem Bemerken zurück, daß es unehrer- bietig gegen die Kirche sein würde, einer Frau solche Reliquien zu zeigen. Es ist eine uralte List der Despotie, ihre Opfer zu schmähen und zu erniedrigen und ihre Unterdrückung zu rechtfertigen. Die neue Zeit. Aber es ist wahr, die Zeiten sind besser geworden, es ist nicht mehr Brauch, daß der Bruder seine Schwester verkauft, der Vater die Tochter ihres Erbtheils beraubt und die Mutter unter der Vormundschaft des Sohnes steht, und doch ist das Schicksal der Frau auch noch heut schwer genug. Noch heut,  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/103>, abgerufen am 28.04.2024.