Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach englischer Gesetzgebung geht die Frau noch
vollständiger in der Person des Mannes auf als bei
uns. Bis vor Kurzem waren die englischen Frauen
nach den Aussagen ihrer eigenen Schriftsteller den
Krüppeln, Unmündigen und Blödsinnigen gleichgestellt.
Bekanntlich trägt die Frau, nach dem gemeinen Recht
Englands, keine Verantwortung für die Verbrechen, die
sie in Gegenwart des Gatten begeht. Nach jenem Recht
erbt der Vater Alles, wenn das Kind stirbt, nur wenn
er todt ist, hat die Mutter Antheil an der Erbschaft.

Jn England und Frankreich dürfen unverheirathete
Mütter keinen Unterhalt für ihre Kinder vom Vater
beanspruchen. Was die Ehescheidung betrifft, so ist sie
für die Frau, so lange sie nicht zu ökonomischer
Selbstständigkeit erzogen wird, vollkommen illusorisch.

Von jeher fließt der Menschen Mund in Schrift
und Rede, in Prosa und in Versen über von der
Kraft und Herrlichkeit der Mutterliebe, die Mutter aber
wird nach dem Tode des Vaters nicht als die natür-
liche und rechtmäßige Hüterin des Kindes betrachtet.
An Stelle des väterlichen Consenses tritt der des Vor-
munds. Die Anordnung der Erziehung des Kindes
kommt hauptsächlich dem Vater zu. Nur ihm gibt das
Gesetz Rechte in Bezug auf das Vermögen der Kinder.
Der englische Vater kann durch Testamentbeschluß, ohne

Nach englischer Gesetzgebung geht die Frau noch
vollständiger in der Person des Mannes auf als bei
uns. Bis vor Kurzem waren die englischen Frauen
nach den Aussagen ihrer eigenen Schriftsteller den
Krüppeln, Unmündigen und Blödsinnigen gleichgestellt.
Bekanntlich trägt die Frau, nach dem gemeinen Recht
Englands, keine Verantwortung für die Verbrechen, die
sie in Gegenwart des Gatten begeht. Nach jenem Recht
erbt der Vater Alles, wenn das Kind stirbt, nur wenn
er todt ist, hat die Mutter Antheil an der Erbschaft.

Jn England und Frankreich dürfen unverheirathete
Mütter keinen Unterhalt für ihre Kinder vom Vater
beanspruchen. Was die Ehescheidung betrifft, so ist sie
für die Frau, so lange sie nicht zu ökonomischer
Selbstständigkeit erzogen wird, vollkommen illusorisch.

Von jeher fließt der Menschen Mund in Schrift
und Rede, in Prosa und in Versen über von der
Kraft und Herrlichkeit der Mutterliebe, die Mutter aber
wird nach dem Tode des Vaters nicht als die natür-
liche und rechtmäßige Hüterin des Kindes betrachtet.
An Stelle des väterlichen Consenses tritt der des Vor-
munds. Die Anordnung der Erziehung des Kindes
kommt hauptsächlich dem Vater zu. Nur ihm gibt das
Gesetz Rechte in Bezug auf das Vermögen der Kinder.
Der englische Vater kann durch Testamentbeschluß, ohne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0106" n="98"/>
        <p>Nach englischer Gesetzgebung geht die Frau noch<lb/>
vollständiger in der Person des Mannes auf als bei<lb/>
uns. Bis vor Kurzem waren die englischen Frauen<lb/>
nach den Aussagen ihrer eigenen Schriftsteller den<lb/>
Krüppeln, Unmündigen und Blödsinnigen gleichgestellt.<lb/>
Bekanntlich trägt die Frau, nach dem gemeinen Recht<lb/>
Englands, keine Verantwortung für die Verbrechen, die<lb/>
sie in Gegenwart des Gatten begeht. Nach jenem Recht<lb/>
erbt der Vater Alles, wenn das Kind stirbt, nur wenn<lb/>
er todt ist, hat die Mutter Antheil an der Erbschaft.</p><lb/>
        <p>Jn England und Frankreich dürfen unverheirathete<lb/>
Mütter keinen Unterhalt für ihre Kinder vom Vater<lb/>
beanspruchen. Was die Ehescheidung betrifft, so ist sie<lb/>
für die Frau, so lange sie nicht zu ökonomischer<lb/>
Selbstständigkeit erzogen wird, vollkommen illusorisch.</p><lb/>
        <p>Von jeher fließt der Menschen Mund in Schrift<lb/>
und Rede, in Prosa und in Versen über von der<lb/>
Kraft und Herrlichkeit der Mutterliebe, die Mutter aber<lb/>
wird nach dem Tode des Vaters nicht als die natür-<lb/>
liche und rechtmäßige Hüterin des Kindes betrachtet.<lb/>
An Stelle des väterlichen Consenses tritt der des Vor-<lb/>
munds. Die Anordnung der Erziehung des Kindes<lb/>
kommt hauptsächlich dem Vater zu. Nur ihm gibt das<lb/>
Gesetz Rechte in Bezug auf das Vermögen der Kinder.<lb/>
Der englische Vater kann durch Testamentbeschluß, ohne<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0106] Nach englischer Gesetzgebung geht die Frau noch vollständiger in der Person des Mannes auf als bei uns. Bis vor Kurzem waren die englischen Frauen nach den Aussagen ihrer eigenen Schriftsteller den Krüppeln, Unmündigen und Blödsinnigen gleichgestellt. Bekanntlich trägt die Frau, nach dem gemeinen Recht Englands, keine Verantwortung für die Verbrechen, die sie in Gegenwart des Gatten begeht. Nach jenem Recht erbt der Vater Alles, wenn das Kind stirbt, nur wenn er todt ist, hat die Mutter Antheil an der Erbschaft. Jn England und Frankreich dürfen unverheirathete Mütter keinen Unterhalt für ihre Kinder vom Vater beanspruchen. Was die Ehescheidung betrifft, so ist sie für die Frau, so lange sie nicht zu ökonomischer Selbstständigkeit erzogen wird, vollkommen illusorisch. Von jeher fließt der Menschen Mund in Schrift und Rede, in Prosa und in Versen über von der Kraft und Herrlichkeit der Mutterliebe, die Mutter aber wird nach dem Tode des Vaters nicht als die natür- liche und rechtmäßige Hüterin des Kindes betrachtet. An Stelle des väterlichen Consenses tritt der des Vor- munds. Die Anordnung der Erziehung des Kindes kommt hauptsächlich dem Vater zu. Nur ihm gibt das Gesetz Rechte in Bezug auf das Vermögen der Kinder. Der englische Vater kann durch Testamentbeschluß, ohne  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/106
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/106>, abgerufen am 04.12.2024.