Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

derte von Frauen, die mit uns einverstanden sind, daheim
bleiben, weil ihre Männer nicht wünschen, daß sie einer
solchen Versammlung beiwohnen. Sie würden daheim
bleiben aus Furcht vor ihren Herren, oder um des
lieben Friedens willen, oder um durch ihren Gehorsam
dem Gatten dies oder jenes abzuschmeicheln.

Das Stimmrecht werden viertens nicht begehren im
Großen und Ganzen die Frauen des Volks, weil es ihnen an
Einsicht und Bildung fehlt, und weil im Allgemeinen
bei den Unwissenden die Vorurtheile noch stärker wirken
als bei den Gebildeten. Die Frauen aus dem Volke
vermögen nicht zu erkennen, warum sie für sich den
Tisch des Lebens nicht gedeckt finden. Wenn die Pro-
etarierfrau unter den wuchtigen Schlägen des be-
trunkenen Gatten sich krümmt, so weiß sie nicht, daß
das Gesetz die Mißhandlungen dieses Kerls legitimirt.
Wenn die Frau, die in wilder Ehe mit dem Manne
lebt (nicht nach ihrem, sondern nach seinem Willen, wie
gern wäre sie sein rechtmäßiges Weib) von diesem
Manne hülflos auf die Straße geworfen wird mit
ihren Kindern, so ist sie sich nicht bewußt, daß die
Gesetze auf seiner Seite stehn. Ein französisches Jour-
nal brachte vor einiger Zeit folgende bezeichnende kleine
Historie zur Kenntniß: Eine Frau wurde von dem
Manne, mit dem sie lange Zeit gelebt hatte, aus der

8*

derte von Frauen, die mit uns einverstanden sind, daheim
bleiben, weil ihre Männer nicht wünschen, daß sie einer
solchen Versammlung beiwohnen. Sie würden daheim
bleiben aus Furcht vor ihren Herren, oder um des
lieben Friedens willen, oder um durch ihren Gehorsam
dem Gatten dies oder jenes abzuschmeicheln.

Das Stimmrecht werden viertens nicht begehren im
Großen und Ganzen die Frauen des Volks, weil es ihnen an
Einsicht und Bildung fehlt, und weil im Allgemeinen
bei den Unwissenden die Vorurtheile noch stärker wirken
als bei den Gebildeten. Die Frauen aus dem Volke
vermögen nicht zu erkennen, warum sie für sich den
Tisch des Lebens nicht gedeckt finden. Wenn die Pro-
etarierfrau unter den wuchtigen Schlägen des be-
trunkenen Gatten sich krümmt, so weiß sie nicht, daß
das Gesetz die Mißhandlungen dieses Kerls legitimirt.
Wenn die Frau, die in wilder Ehe mit dem Manne
lebt (nicht nach ihrem, sondern nach seinem Willen, wie
gern wäre sie sein rechtmäßiges Weib) von diesem
Manne hülflos auf die Straße geworfen wird mit
ihren Kindern, so ist sie sich nicht bewußt, daß die
Gesetze auf seiner Seite stehn. Ein französisches Jour-
nal brachte vor einiger Zeit folgende bezeichnende kleine
Historie zur Kenntniß: Eine Frau wurde von dem
Manne, mit dem sie lange Zeit gelebt hatte, aus der

8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="115"/>
derte von Frauen, die mit uns einverstanden sind, daheim<lb/>
bleiben, weil ihre Männer nicht wünschen, daß sie einer<lb/>
solchen Versammlung beiwohnen. Sie würden daheim<lb/>
bleiben aus Furcht vor ihren Herren, oder um des<lb/>
lieben Friedens willen, oder um durch ihren Gehorsam<lb/>
dem Gatten dies oder jenes abzuschmeicheln.</p><lb/>
        <p>Das Stimmrecht werden <hi rendition="#g">viertens</hi> nicht begehren im<lb/>
Großen und Ganzen die Frauen des Volks, weil es ihnen an<lb/>
Einsicht und Bildung fehlt, und weil im Allgemeinen<lb/>
bei den Unwissenden die Vorurtheile noch stärker wirken<lb/>
als bei den Gebildeten. Die Frauen aus dem Volke<lb/>
vermögen nicht zu erkennen, warum sie für sich den<lb/>
Tisch des Lebens nicht gedeckt finden. Wenn die Pro-<lb/>
etarierfrau unter den wuchtigen Schlägen des be-<lb/>
trunkenen Gatten sich krümmt, so weiß sie nicht, daß<lb/>
das Gesetz die Mißhandlungen dieses Kerls legitimirt.<lb/>
Wenn die Frau, die in wilder Ehe mit dem Manne<lb/>
lebt (nicht nach ihrem, sondern nach seinem Willen, wie<lb/>
gern wäre sie sein rechtmäßiges Weib) von diesem<lb/>
Manne hülflos auf die Straße geworfen wird mit<lb/>
ihren Kindern, so ist sie sich nicht bewußt, daß die<lb/>
Gesetze auf seiner Seite stehn. Ein französisches Jour-<lb/>
nal brachte vor einiger Zeit folgende bezeichnende kleine<lb/>
Historie zur Kenntniß: Eine Frau wurde von dem<lb/>
Manne, mit dem sie lange Zeit gelebt hatte, aus der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0123] derte von Frauen, die mit uns einverstanden sind, daheim bleiben, weil ihre Männer nicht wünschen, daß sie einer solchen Versammlung beiwohnen. Sie würden daheim bleiben aus Furcht vor ihren Herren, oder um des lieben Friedens willen, oder um durch ihren Gehorsam dem Gatten dies oder jenes abzuschmeicheln. Das Stimmrecht werden viertens nicht begehren im Großen und Ganzen die Frauen des Volks, weil es ihnen an Einsicht und Bildung fehlt, und weil im Allgemeinen bei den Unwissenden die Vorurtheile noch stärker wirken als bei den Gebildeten. Die Frauen aus dem Volke vermögen nicht zu erkennen, warum sie für sich den Tisch des Lebens nicht gedeckt finden. Wenn die Pro- etarierfrau unter den wuchtigen Schlägen des be- trunkenen Gatten sich krümmt, so weiß sie nicht, daß das Gesetz die Mißhandlungen dieses Kerls legitimirt. Wenn die Frau, die in wilder Ehe mit dem Manne lebt (nicht nach ihrem, sondern nach seinem Willen, wie gern wäre sie sein rechtmäßiges Weib) von diesem Manne hülflos auf die Straße geworfen wird mit ihren Kindern, so ist sie sich nicht bewußt, daß die Gesetze auf seiner Seite stehn. Ein französisches Jour- nal brachte vor einiger Zeit folgende bezeichnende kleine Historie zur Kenntniß: Eine Frau wurde von dem Manne, mit dem sie lange Zeit gelebt hatte, aus der   8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/123
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/123>, abgerufen am 28.04.2024.