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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Apercü's und Traditionen der Phantasie, die noch immer
an der Tagesordnung sind, wo es sich um Natur und
Eigenart des Weibes handelt. Vorläufig müssen wir
annehmen, daß ein Geschlecht, welches, wie Fourier
hervorhebt, verhältnißmäßig mehr große Königinnen
aufzuweisen hat, als Männer große Könige, des po-
litischen Sinnes keineswegs baar ist.

Wollte man das Princip, daß eine verschiedene
Körperbildung nothwendig ein verschiedenes moralisches
und geistiges Vermögen bedinge, gelten lassen, wo
wäre da die Grenze zu ziehen?

Wir könnten ebenso gut den Aberglauben accep-
tiren, alle Buckligen hätten sich, als von Gott gezeichnete,
in das Dunkel des Privatlebens zurückzuziehen, alle
Lahme seien Verwandte Beelzebubs, alle Rothhaarigen
Verräther und alle Schwarzen - Sklaven. Und in
der That, in finstren Zeiten des Mittelalters hat man
von physischen Besonderheiten auf moralische Beschaffen-
heiten geschlossen. Jm frühen Mittelalter wurden
in Frankreich Frauen, die Zwillinge gebaren, als des
Ehebruchs überführt, zum Tode verurtheilt. Alte Weiber
wurden haufenweis um rothgeränderter Augen willen
als Hexen verbrannt. Man hat behauptet: die Frau,
welche Zwillinge zur Welt bringt, ist des Ehebruchs
schuldig. Man behauptet: die Frau, weil sie über-
haupt Kinder zur Welt bringt, ist mit politischer Jm-

Apercü's und Traditionen der Phantasie, die noch immer
an der Tagesordnung sind, wo es sich um Natur und
Eigenart des Weibes handelt. Vorläufig müssen wir
annehmen, daß ein Geschlecht, welches, wie Fourier
hervorhebt, verhältnißmäßig mehr große Königinnen
aufzuweisen hat, als Männer große Könige, des po-
litischen Sinnes keineswegs baar ist.

Wollte man das Princip, daß eine verschiedene
Körperbildung nothwendig ein verschiedenes moralisches
und geistiges Vermögen bedinge, gelten lassen, wo
wäre da die Grenze zu ziehen?

Wir könnten ebenso gut den Aberglauben accep-
tiren, alle Buckligen hätten sich, als von Gott gezeichnete,
in das Dunkel des Privatlebens zurückzuziehen, alle
Lahme seien Verwandte Beelzebubs, alle Rothhaarigen
Verräther und alle Schwarzen – Sklaven. Und in
der That, in finstren Zeiten des Mittelalters hat man
von physischen Besonderheiten auf moralische Beschaffen-
heiten geschlossen. Jm frühen Mittelalter wurden
in Frankreich Frauen, die Zwillinge gebaren, als des
Ehebruchs überführt, zum Tode verurtheilt. Alte Weiber
wurden haufenweis um rothgeränderter Augen willen
als Hexen verbrannt. Man hat behauptet: die Frau,
welche Zwillinge zur Welt bringt, ist des Ehebruchs
schuldig. Man behauptet: die Frau, weil sie über-
haupt Kinder zur Welt bringt, ist mit politischer Jm-

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[123/0131] Apercü's und Traditionen der Phantasie, die noch immer an der Tagesordnung sind, wo es sich um Natur und Eigenart des Weibes handelt. Vorläufig müssen wir annehmen, daß ein Geschlecht, welches, wie Fourier hervorhebt, verhältnißmäßig mehr große Königinnen aufzuweisen hat, als Männer große Könige, des po- litischen Sinnes keineswegs baar ist. Wollte man das Princip, daß eine verschiedene Körperbildung nothwendig ein verschiedenes moralisches und geistiges Vermögen bedinge, gelten lassen, wo wäre da die Grenze zu ziehen? Wir könnten ebenso gut den Aberglauben accep- tiren, alle Buckligen hätten sich, als von Gott gezeichnete, in das Dunkel des Privatlebens zurückzuziehen, alle Lahme seien Verwandte Beelzebubs, alle Rothhaarigen Verräther und alle Schwarzen – Sklaven. Und in der That, in finstren Zeiten des Mittelalters hat man von physischen Besonderheiten auf moralische Beschaffen- heiten geschlossen. Jm frühen Mittelalter wurden in Frankreich Frauen, die Zwillinge gebaren, als des Ehebruchs überführt, zum Tode verurtheilt. Alte Weiber wurden haufenweis um rothgeränderter Augen willen als Hexen verbrannt. Man hat behauptet: die Frau, welche Zwillinge zur Welt bringt, ist des Ehebruchs schuldig. Man behauptet: die Frau, weil sie über- haupt Kinder zur Welt bringt, ist mit politischer Jm-  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/131>, abgerufen am 28.04.2024.