Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibes im Hause glaubt ihr wie an Gott selbst, oder
noch mehr; der intensivste, feurigste Glaube aber, die
höchste moralische Extase, wenn sie nicht mit unfehl-
baren Gründen bewiesen werden, wie sollen sie für
mich Beweiskraft haben? Die Vernunft spottet aller
Jnbrunst des Glaubens, sie reißt die Gestirne aus ihren
Bahnen, die das Vorurtheil ihnen vorgezeichnet, sie
hat siegreich gekämpft mit Drachen, Riesen und Teufeln,
sie stürzt Götter von ihren Thronen. Vor ihrem
siegenden Strahl wird auch der uralte Glaube an die
Sphäre des Weibes dahinschwinden.

"Weil sie ein Weib ist."

Was heißt das, ein Weib sein?

Das heißt eine andere körperliche Bildung besitzen,
wie der Mann. Die Differenz der geistigen Vermögen
der beiden Geschlechter ist vorläufig unbestimmbar,
und die Männer, die Eigenthümer der Schöpfung
thäten wohl, noch ein wenig zurückzuhalten mit ihrer
Exmissionsklage gegen die politischen Gedanken, die
eine Frau in ihrem Gehirnlokal etwa einquartiert hat.
Sie thäten wohl, mit dieser Anklage zu warten bis
wissenschaftliche Begründung an die Stelle getreten ist
jenes marktschreierischen Affichirens subjectiver Jnspi-
rationen als wissenschaftliche Wahrheit, jenes meta-
physischen Alt-Philosophengeschwätzes, jener poetischen

Weibes im Hause glaubt ihr wie an Gott selbst, oder
noch mehr; der intensivste, feurigste Glaube aber, die
höchste moralische Extase, wenn sie nicht mit unfehl-
baren Gründen bewiesen werden, wie sollen sie für
mich Beweiskraft haben? Die Vernunft spottet aller
Jnbrunst des Glaubens, sie reißt die Gestirne aus ihren
Bahnen, die das Vorurtheil ihnen vorgezeichnet, sie
hat siegreich gekämpft mit Drachen, Riesen und Teufeln,
sie stürzt Götter von ihren Thronen. Vor ihrem
siegenden Strahl wird auch der uralte Glaube an die
Sphäre des Weibes dahinschwinden.

„Weil sie ein Weib ist.‟

Was heißt das, ein Weib sein?

Das heißt eine andere körperliche Bildung besitzen,
wie der Mann. Die Differenz der geistigen Vermögen
der beiden Geschlechter ist vorläufig unbestimmbar,
und die Männer, die Eigenthümer der Schöpfung
thäten wohl, noch ein wenig zurückzuhalten mit ihrer
Exmissionsklage gegen die politischen Gedanken, die
eine Frau in ihrem Gehirnlokal etwa einquartiert hat.
Sie thäten wohl, mit dieser Anklage zu warten bis
wissenschaftliche Begründung an die Stelle getreten ist
jenes marktschreierischen Affichirens subjectiver Jnspi-
rationen als wissenschaftliche Wahrheit, jenes meta-
physischen Alt-Philosophengeschwätzes, jener poetischen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0130" n="122"/>
Weibes im Hause glaubt ihr wie an Gott selbst, oder<lb/>
noch mehr; der intensivste, feurigste Glaube aber, die<lb/>
höchste moralische Extase, wenn sie nicht mit unfehl-<lb/>
baren Gründen bewiesen werden, wie sollen sie für<lb/>
mich Beweiskraft haben? Die Vernunft spottet aller<lb/>
Jnbrunst des Glaubens, sie reißt die Gestirne aus ihren<lb/>
Bahnen, die das Vorurtheil ihnen vorgezeichnet, sie<lb/>
hat siegreich gekämpft mit Drachen, Riesen und Teufeln,<lb/>
sie stürzt Götter von ihren Thronen. Vor ihrem<lb/>
siegenden Strahl wird auch der uralte Glaube an die<lb/>
Sphäre des Weibes dahinschwinden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil sie ein Weib ist.&#x201F;</p><lb/>
        <p>Was heißt das, ein Weib sein?</p><lb/>
        <p>Das heißt eine andere körperliche Bildung besitzen,<lb/>
wie der Mann. Die Differenz der geistigen Vermögen<lb/>
der beiden Geschlechter ist vorläufig unbestimmbar,<lb/>
und die Männer, die Eigenthümer der Schöpfung<lb/>
thäten wohl, noch ein wenig zurückzuhalten mit ihrer<lb/>
Exmissionsklage gegen die politischen Gedanken, die<lb/>
eine Frau in ihrem Gehirnlokal etwa einquartiert hat.<lb/>
Sie thäten wohl, mit dieser Anklage zu warten bis<lb/>
wissenschaftliche Begründung an die Stelle getreten ist<lb/>
jenes marktschreierischen Affichirens subjectiver Jnspi-<lb/>
rationen als wissenschaftliche Wahrheit, jenes meta-<lb/>
physischen Alt-Philosophengeschwätzes, jener poetischen<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0130] Weibes im Hause glaubt ihr wie an Gott selbst, oder noch mehr; der intensivste, feurigste Glaube aber, die höchste moralische Extase, wenn sie nicht mit unfehl- baren Gründen bewiesen werden, wie sollen sie für mich Beweiskraft haben? Die Vernunft spottet aller Jnbrunst des Glaubens, sie reißt die Gestirne aus ihren Bahnen, die das Vorurtheil ihnen vorgezeichnet, sie hat siegreich gekämpft mit Drachen, Riesen und Teufeln, sie stürzt Götter von ihren Thronen. Vor ihrem siegenden Strahl wird auch der uralte Glaube an die Sphäre des Weibes dahinschwinden. „Weil sie ein Weib ist.‟ Was heißt das, ein Weib sein? Das heißt eine andere körperliche Bildung besitzen, wie der Mann. Die Differenz der geistigen Vermögen der beiden Geschlechter ist vorläufig unbestimmbar, und die Männer, die Eigenthümer der Schöpfung thäten wohl, noch ein wenig zurückzuhalten mit ihrer Exmissionsklage gegen die politischen Gedanken, die eine Frau in ihrem Gehirnlokal etwa einquartiert hat. Sie thäten wohl, mit dieser Anklage zu warten bis wissenschaftliche Begründung an die Stelle getreten ist jenes marktschreierischen Affichirens subjectiver Jnspi- rationen als wissenschaftliche Wahrheit, jenes meta- physischen Alt-Philosophengeschwätzes, jener poetischen  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/130
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/130>, abgerufen am 27.04.2024.