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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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Frauenklasse zuzuwenden. Was blieb den Damen der
Gesellschaft übrig? Sie lockten die Ungetreuen zurück,
indem sie ihnen zuriefen: "Auch wir sind Loretten."

Warum dem größeren Theil der Männer Geist
und Charakter bei einer Frau unangenehm sind, liegt
auf der Hand.

Jch hörte einmal wie ein junger Mann von einer
Dame sagte: "Jch kann diese Frau nicht leiden."
Warum nicht? - fragte man ihn - weil sie nicht
jung und nicht hübsch ist? "Das ist es nicht, ich komme
mir immer ihr gegenüber so dumm vor."

Widerwillig ertragen die Männer selbst die Supe-
riorität von ihresgleichen.

Nur die Jugend erglüht gern in begeisterter An-
erkennung. Wir wissen aus der Welt- und Literatur-
geschichte, daß große Dichter und Denker oft genug für
ihre Jntimität untergeordnete Persönlichkeiten ebenbür-
tigen Geistern vorgezogen haben.

Und die Männer sollten die Superiorität einer
Frau ertragen! So angestammt ist ihnen das Gefühl
ihrer Geschlechtserhabenheit, daß die Röthe der Scham
ihnen bei dieser Vorstellung in's Gesicht steigt.

Uebrigens bin ich weit entfernt leugnen zu wollen,
daß die Einführung der Frau in politische und wissen-
schaftliche Berufskreise geeignet ist den Contrast zwischen

Frauenklasse zuzuwenden. Was blieb den Damen der
Gesellschaft übrig? Sie lockten die Ungetreuen zurück,
indem sie ihnen zuriefen: „Auch wir sind Loretten.‟

Warum dem größeren Theil der Männer Geist
und Charakter bei einer Frau unangenehm sind, liegt
auf der Hand.

Jch hörte einmal wie ein junger Mann von einer
Dame sagte: „Jch kann diese Frau nicht leiden.‟
Warum nicht? – fragte man ihn – weil sie nicht
jung und nicht hübsch ist? „Das ist es nicht, ich komme
mir immer ihr gegenüber so dumm vor.‟

Widerwillig ertragen die Männer selbst die Supe-
riorität von ihresgleichen.

Nur die Jugend erglüht gern in begeisterter An-
erkennung. Wir wissen aus der Welt- und Literatur-
geschichte, daß große Dichter und Denker oft genug für
ihre Jntimität untergeordnete Persönlichkeiten ebenbür-
tigen Geistern vorgezogen haben.

Und die Männer sollten die Superiorität einer
Frau ertragen! So angestammt ist ihnen das Gefühl
ihrer Geschlechtserhabenheit, daß die Röthe der Scham
ihnen bei dieser Vorstellung in's Gesicht steigt.

Uebrigens bin ich weit entfernt leugnen zu wollen,
daß die Einführung der Frau in politische und wissen-
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[134/0142] Frauenklasse zuzuwenden. Was blieb den Damen der Gesellschaft übrig? Sie lockten die Ungetreuen zurück, indem sie ihnen zuriefen: „Auch wir sind Loretten.‟ Warum dem größeren Theil der Männer Geist und Charakter bei einer Frau unangenehm sind, liegt auf der Hand. Jch hörte einmal wie ein junger Mann von einer Dame sagte: „Jch kann diese Frau nicht leiden.‟ Warum nicht? – fragte man ihn – weil sie nicht jung und nicht hübsch ist? „Das ist es nicht, ich komme mir immer ihr gegenüber so dumm vor.‟ Widerwillig ertragen die Männer selbst die Supe- riorität von ihresgleichen. Nur die Jugend erglüht gern in begeisterter An- erkennung. Wir wissen aus der Welt- und Literatur- geschichte, daß große Dichter und Denker oft genug für ihre Jntimität untergeordnete Persönlichkeiten ebenbür- tigen Geistern vorgezogen haben. Und die Männer sollten die Superiorität einer Frau ertragen! So angestammt ist ihnen das Gefühl ihrer Geschlechtserhabenheit, daß die Röthe der Scham ihnen bei dieser Vorstellung in's Gesicht steigt. Uebrigens bin ich weit entfernt leugnen zu wollen, daß die Einführung der Frau in politische und wissen- schaftliche Berufskreise geeignet ist den Contrast zwischen  

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/142>, abgerufen am 28.04.2024.